Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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fügte sie mit einem bedeutungsvollen Blick auf Herrn Mireport hinzu, »ist diese ganze Erörterung vielleicht verfrüht, meine Tochter hat ja vollkommen Zeit, ihre Entschlüsse zu überlegen, die sie dann ganz nach ihrem freien Ermessen zu fassen haben wird.«

      »Gewiß, gewiß,« sagte Herr Mireport, »ich habe nur meine Gedanken ausgesprochen und meinen Rat gegeben, wie ich ihn nicht anders geben kann! – Jedenfalls aber hoffe ich,« fuhr er fort, »daß das Fräulein nicht die Bitte abschlagen wird, wenigstens in einem privaten Kreise vor einigen Kunstfreunden und Kennern eine Probe ihres merkwürdigen Talentes abzulegen. Ich werde Sie um die Erlaubnis bitten, Madame,« sagte er zu Frau Lukretia gewendet, »Sie und Ihre Tochter in einigen Tagen in die Salons einer Freundin von mir, einer sehr distinguierten Dame, der Marquise de l'Estrada, einzuführen, dort wird Ihre Tochter Gelegenheit haben, einen kleinen und gewählten Kreis zu entzücken.«

      Julia hatte die Augen niedergeschlagen und die Lippen zusammengepreßt.

      Als er geendet, erhob sie den Blick mit kaltem, ablehnendem Ausdruck zu ihm und schien eine Antwort geben zu wollen.

      Da öffnete sich die Türe, die Dienerin des jungen Mädchens blickte hinein und sagte mit einem bedeutungsvollen Wink:

      »Man erwartet Mademoiselle in ihrem Salon.«

      Ein helles Rot flog über das Gesicht Julias.

      »Du erlaubst,« sagte sie zu ihrer Mutter, »daß ich sehe, was es ist« – und mit einer leichten, kalten Verbeugung gegen Herrn Mireport, der ihr überrascht und mit einem forschenden Blick aus seinen stechenden Augen nachsah, verließ sie das Zimmer, eilte schnell über den Korridor nach der andern Seite der Etage und trat in ihren Salon.

      Herr von Grabenow blickte ihr mit strahlenden Augen entgegen und breitete die Arme nach ihr aus.

      Sie eilte zu ihm hin, warf sich an seine Brust, lehnte den Kopf an seine Schulter und brach in lautes Weinen aus.

      Erschrocken rief der junge Mann: »Um Gotteswillen, was fehlt dir, mein geliebtes Leben?«

      »O nichts,« flüsterte sie, »wenn ich hier bei dir bin, hier an deiner Brust habe ich wenigstens für den Augenblick das Gefühl der Sicherheit, des Schutzes! – Eine schöne Täuschung,« sagte sie noch leiser, »denn für mich gibt es keine Sicherheit – und niemand kann mich schützen!«

      »Mein Gott, was ist geschehen?« rief er angstvoll, »ich bitte dich – sage mir –«

      »Jetzt nicht,« rief sie, sich aufrichtend und den Kopf schüttelnd, als wollte sie die Nebelschleier finsterer Gedanken von ihrem Scheitel entfernen, »du weißt, ich habe oft trübe Stimmungen, es ist nichts Unmittelbares, vielleicht kommt der Augenblick, wo ich dir sagen kann, was mich quält, wenn der Schatten der Zukunft zum Körper sich verdichten sollte, jetzt laß uns dem Augenblick leben, der Augenblick ist schön, verlieren wir ihn nicht, wer weiß, wie kurz er ist!«

      Leicht hauchte sie in ihr Spitzentuch und drückte es auf die Augen. Dann sah sie mit einem reizenden Lächeln zu ihrem Geliebten empor, den Blick leicht befeuchtet vom Duft der Tränen.

      »Hast du deinen Wagen hier?« fragte sie, »laß uns ins Freie – ich sehne mich nach Luft, nach den Blumen des Frühlings, nach dem frischen Grün der treibenden Blätter!«

      »Wohin willst du, nach dem Bois de Boulogne, nach den Kaskaden?«

      »Nein,« sagte sie, ihn groß anblickend, »laß uns nach dem Bois de Vincennes fahren, dort werden wir niemand begegnen, wir können die Welt vergessen, wir werden allein sein mit der erwachenden Natur!«

      »Süße Julia!« rief er, sie in seine Arme schließend.

      Sanft machte sie sich los, warf einen dunkeln Mantel von schwarzem Samt um und setzte einen kleinen Hut auf, dessen dichter, fast undurchsichtiger Schleier das ganze Gesicht verhüllte.

      »Immer dieser Schleier,« sagte er lächelnd, »undurchsichtig wie die Maske einer Venetianerin, soll ich auf dem ganzen Wege dein liebes Gesicht nicht sehen?«

      »Wirst du so schnell vergessen, wie es aussieht?« sagte sie in schalkhaftem Tone, »draußen, wo uns niemand mehr sieht, will ich den Schleier ablegen.«

      Sie legte ihren Arm in den seinen und beide stiegen die Treppe hinab und in das unten wartende Coupé des Herrn von Grabenow. Julia lehnte sich in die Ecke und in raschem Trabe eilte der Wagen die Rue Notredame de Lorette hinab.

      An der Ecke der Rue Lafayette hatte ein großer Lastwagen eine augenblickliche Stockung der Kommunikation verursacht, die hin und her fahrenden Equipagen waren gezwungen, einen Augenblick zu halten. Herr von Grabenow sah plötzlich neben sich die leichte offene Viktoria des Grafen Rivero, dessen großes, feuriges Pferd ungeduldig über die Verzögerung schnaubte und zitterte.

      Der Graf warf einen kurzen, forschenden Blick in das Coupé und grüßte dann lächelnd Herrn von Grabenow mit der Hand.

      Dieser beugte sich etwas vor und verdeckte das in die Ecke zurückgelehnte junge Mädchen.

      »Ich danke diesem ungeschickten Frachtfuhrmann,« sagte der Graf, »das Vergnügen, Sie einen Augenblick begrüßen zu können,« und abermals lächelnd legte er den Finger auf den Mund.

      Ehe noch Herr von Grabenow, welcher mit einiger Verlegenheit den Gruß des Grafen erwiedert hatte, Zeit zu einer Antwort gefunden, war das Hindernis des Verkehrs beseitigt, das ungeduldige Pferd legte sich mächtig ins Geschirr und mit dem Ruf »auf Wiedersehen!« rollte der Graf Rivero pfeilschnell davon, während das Coupé des Herrn von Grabenow in die Rue Lafayette einbog.

      »Wer war das?« fragte Julia mit tiefem Atemzug.

      »Ein Landsmann von dir, meine Freundin,« sagte Herr von Grabenow, »ein italienischer Graf Rivero.«

      »Eine eigentümliche Erscheinung,« sagte das junge Mädchen nach einem augenblicklichen Schweigen, »der Blick, welchen er hier in den Wagen warf, fiel wie ein Lichtstrahl auf mich und der Ton seiner Stimme berührte mich wie ein elektrischer Schlag! Es ist töricht,« rief sie, »aber es war, als ob eine Stimme in meinem Herzen rief, daß dieses Mannes Hand tief in mein Leben einzugreifen bestimmt sei, den Blick seines Auges, obgleich ich ihn nur durch meinen Schleier gesehen, werde ich nie vergessen!«

      »Der Graf hat einen wunderbaren Einfluß auf alle, die ihm begegnen,« sagte Herr von Grabenow, »auch ich habe den sympathischen Strom empfunden, der von ihm ausgeht, aber,« sagte er lächelnd, »ich möchte nicht, daß er mit dir zu viel in Berührung käme, das könnte mich eifersüchtig machen.«

      »Eifersüchtig?« fragte sie, »welche Torheit! – das ist es nicht, aber ich kann den Eindruck nicht los werden, dieser Mann wird in mein Leben greifen!«

      Sie legte ihre Hand in die des jungen Mannes und lehnte schweigend den Kopf in die Kissen der Rücklehne.

      Bald waren sie aus der innern Stadt und in einer halben Stunde empfingen sie die schönen, vom ersten, leichten Grün überschimmerten, einsamen Alleen des Bois de Vincennes.

      Julia schlug den Schleier zurück, der Wagen hielt und die jungen Leute stiegen aus, um sich Arm in Arm in die Wege des Parks zu vertiefen. Sonnenhelle Freude strahlte vom Gesicht Julias, wie ein fröhliches Kind lief sie hierhin und dorthin, um ein duftiges Veilchen, eine gelbe Schlüsselblume ober eine kleine Marguerite zu pflücken; mit strahlendem Blick folgte der junge Mann den anmutigen Bewegungen des schönen Mädchens, hell und lieblich ertönte ihr glockenreines Lachen durch die Gebüsche und hin und wieder ließ sie im fröhlichen Jauchzen einen langgehaltenen Triller erschallen, wie die Nachtigall in der Fülle ihres frühlingssüßen Liebesglücks.

      Zwölftes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Kaiserin Eugenie saß in ihrem Salon in den Tuilerieen, ein halbgeöffneter Fensterflügel ließ die frische Luft eindringen, welche über die großen, im ersten Grün leuchtenden Bäume des Tuileriengartens hingestrichen