Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Ollivier?« rief Herr Rouher, indem er fast einen Sprung auf seinem Stuhle machte, »dieser Träumer, dieser eitle Geck, dessen Kopf voll Phrasen und Widersprüchen und dessen Herz voll kraftlosen Ehrgeizes ist? – Ich kenne ihn,« fuhr er mit höhnischem Lächeln fort, »ich weiß, was dieser Spartaner wert ist, aber wie hängt er mit der Kriegsfrage zusammen?«

      »Sehr einfach,« sagte die Kaiserin mit einem scharfen Blick, der schnell unter den leicht gesenkten Augenlidern hervorblitzte, »man sagt dem Kaiser, daß nun, nachdem das Kaiserreich fast zwanzig Jahre besteht, das System der straffen Konzentrierung der Gewalt nicht mehr nötig sei, es erbittere die Gemüter, entfremde sie der Dynastie und lasse den Thron vor den Augen Europas als unsicher erscheinen, man müsse jetzt ein neues parlamentarisches System inaugurieren und die Kräfte der Opposition in die Regierungssphäre hineinziehen, um für den kaiserlichen Prinzen eine Institution zu schaffen, welche unabhängig von der persönlichen Überlegenheit des Souveräns die Dynastie zu tragen und zu stützen geeignet sei.«

      Herr Rouher zuckte die Achseln.

      »Um aber das System des persönlichen Regiments aufzugeben,« fuhr die Kaiserin in fast gleichgültigem Tone fort, »muß – so sagt man dem Kaiser – dies System auf der Höhe seines Prestige stehen, weil sonst das Volk nicht an ein freies Geschenk glauben und dafür danken, sondern glauben würde, einen Tribut der Schwäche zu empfangen.«

      »Solche Konzessionen sind immer Schwäche!« rief der Staatsminister, indem eine zornige Röte sein Gesicht überflog.

      »Nun ist aber das Prestige des persönlichen Regiments schwer erschüttert,« fuhr die Kaiserin immer in demselben Tone fort, »durch die Zurückhaltung Frankreichs der deutschen Katastrophe gegenüber –«

      »Schon vorher durch den kläglichen Ausgang der mexikanischen Expedition!« rief Herr Rouher in brüskem Tone.

      Ein jäher Blitz sprühte aus dem Auge der Kaiserin, sie drückte das Metallstäbchen, das sie in der Hand hielt, so heftig, daß ein roter Streif ihre weißen Finger färbte, aber kein Zug ihres Gesichts änderte sich, in noch ruhigerem Tone als bisher fuhr sie fort:

      »Man hat zum ersten Male gesehen, daß eine solche Erschütterung der europäischen Verhältnisse sich vollzieht, ohne daß Frankreich gefragt oder gehört wird, dieser Eindruck muß beseitigt werden, wenn aber Frankreich das Prestige wiederhergestellt hat, wenn der Kaiser die Kompensationen, welche wir bedürfen, dem französischen Volk und seinem Selbstgefühl geboten, wenn er dasteht an der Spitze siegreicher Heere, wenn sein Wort wieder gehört wird in Europa, dann – so sagt man – sei der Augenblick gekommen, um die neuen Institutionen zu begründen, welche einst den Thron unseres Sohnes sichern sollen. – Ich,« fuhr sie seufzend fort, »kann in diesen Institutionen kein Heil erblicken, ich finde, daß das Kaiserreich der ernsten, festen, konzentrierten Gewalt bedarf, um diese unruhigen Franzosen zu beherrschen, ich habe deshalb nach allen Kräften gegen diese Ideen angekämpft – und auch aus diesem Grunde alles getan, um den Kaiser vom Kriege abzuhalten, indes,« sagte sie achselzuckend, »vielleicht täusche ich mich, ich bereue schon, daß ich meinem Prinzip untreu geworden bin, mich jemals, auch in der besten Absicht, in die Politik zu mischen –«

      »Und der Kaiser?« fragte Herr Nouher, welcher mit immer steigender Aufmerksamkeit den Worten der Kaiserin gefolgt war, »der Kaiser? – was sagt er zu diesen Träumereien?«

      »Der Kaiser?« sagte die Kaiserin, »mein Gott, Sie kennen ihn ja, er sagt nichts, er hört zu, indes bemerke ich, daß er lange und aufmerksam zuhört – Sie wissen ja, welchen Einfluß auf ihn große liberale und zivilisatorische Ideen stets haben, ich glaube – soll ich sagen, ich fürchte – daß er im Herzen zu jenen Leuten hinneigt, welche das Kaiserreich zu einer großen parlamentarischen Apotheose führen möchten, doch,« unterbrach sie sich, »lassen wir das, ich überschreite den Kreis, den ich mir mit bestimmten Grenzen vorgezeichnet habe, außerdem habe ich einen peinlichen Gegenstand berührt,« fügte sie mit dem Ausdruck der Verlegenheit hinzu, »denn bei allen diesen Erörterungen kommt ja auch Ihre Person sehr wesentlich in Frage! – Also, mein lieber Minister,« sagte sie mit einem reizenden Lächeln, »vergessen Sie, daß ich mit Ihnen Politik gesprochen, nehmen Sie meine Äußerungen für nichts anderes, als für die ängstlichen Aufwallungen einer Frau, die,« sagte sie mit leichter Neigung des Hauptes, »einen so starken Geist wie den Ihrigen, der so lange gewohnt ist, die Politik zu übersehen und zu beherrschen – nicht einen Augenblick irremachen sollen. – Ich fürchte und verabscheue diesen drohenden Krieg, deswegen spreche und handle ich dagegen, so viel ich kann, Sie sehen ihn anders an, der Kaiser wird entscheiden und der Stern Frankreichs wird alles zum Guten führen.«

      Und sie lächelte mit einer Miene, welche deutlich sagte, daß dies Gespräch nunmehr zu Ende sein solle.

      »Haben Sie schon gesehen,« fragte sie, die beiden kleinen Stäbe emporhebend, »auf welche Weise die guten Pariser jetzt die römische Frage lösen? – Sehen Sie, dies kleine Spielzeug hat man die question romaine getauft, es kommt darauf an –«

      »Ich bitte Sie, Madame,« sagte der Staatsminister, ohne die question romaine der Kaiserin zu beachten, »ich bitte Sie, meine Äußerungen vorhin nicht so aufzufassen, als ob ich den Kaiser wegen dieser luxemburgischen Frage zum Kriege drängen wolle, der Krieg ist das Äußerste und Letzte, und wenn Frankreich sich selbst auch eine feste Haltung schuldig ist, so darf man die Dinge darum doch noch nicht bis zur Grenze des blutigen Konflikts treiben. – Eure Majestät können überzeugt sein –«

      »O ich bitte Sie, mein lieber Herr Rouher,« rief die Kaiserin, »lassen wir das, Sie dürfen Ihre Ansichten in keiner Weise durch meine vielleicht recht törichten Befürchtungen beeinflussen lassen, vergessen Sie das alles, ich bitte darum! – Sehen Sie,« sagte sie, die Stäbchen ungeduldig hinwerfend, »auf diese Weise durch geschmeidiges Ineinanderfügen kann ich die römische Frage nicht lösen. – Niemals, niemals, niemals!« rief sie, mit feinem Lächeln in das erregte Gesicht des Staatsministers blickend.

      »Madame,« rief Herr Rouher aufstehend, »Eure Majestät mögen überzeugt sein, daß, wenn immer die Lage der Dinge eine friedliche Lösung möglich macht, ich alles tun werde, was in meinen Kräften steht, um Ihre so natürlichen und edlen Wünsche zu unterstützen und den Frieden nach außen zu erhalten.«

      »Der Friede nach außen,« sagte die Kaiserin mit anmutigem Lächeln, »das ist die starke Regierung im Innern – dann sind wir ja Alliierte, mein lieber Minister, ich hatte das kaum gehofft, aber ich bitte Sie nochmals, nur nach Ihrer Überzeugung zu handeln, nichts um meinetwillen –«

      »Eure Majestät haben die Gnade gehabt, mich als Ihren Alliierten zu bezeichnen,« sagte der Staatsminister, »ich hoffe, daß meine erhabene Alliierte auch hier im Innern mir zur Seite stehen wird gegen die Feinde, welche die starken und festen Institutionen des Kaiserreichs zerbröckeln möchten –«

      »Wenn die Zweige des Ölbaumes Europa beschatten,« sagte die Kaiserin mit seinem Lächeln, »so bedürfen wir keinen Ollivier im heimischen Garten Frankreichs!«

      Und mit anmutigem Lächeln sich erhebend, reichte sie dem Staatsminister die Hand; dieser führte sie an die Lippen und verließ, sich tief verneigend, den Salon.

      Die Kaiserin blickte ihm lächelnd nach.

      »Die einen lenkt man mit der Hoffnung,« fügte sie leise, »die anderen mit der Furcht. – Dieser hat nichts mehr zu wünschen, man muß ihn fürchten lassen!«

      Während dies im Salon der Kaiserin vorging, saß Napoleon III. in seinem Kabinett, ihm gegenüber der Marquis de Moustier, welcher verschiedene Papiere auf den Schreibtisch des Kaisers gelegt hatte.

      Napoleon sah finster und erregt aus, in sich zusammengesunken saß er da, sein Schnurrbart, den er immer von neuem in ungeduldiger Bewegung durch die Finger gleiten ließ, hing weniger sorgfältig geordnet als sonst über die Lippen herab, er hielt eine Zigarette in der Hand, aber sie war ausgegangen, das Auge des Kaisers blickte trübe und verschleiert zu Boden.

      »Benedetti hat eine große Verantwortung auf sich geladen,« sagte der Marquis de Moustier mit leicht erregter Stimme, »indem er die Depesche, welche ich ihm über den Vertrag