Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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leuchtete nicht in dem warmen Schimmer der Begeisterung, sondern im klaren, scharfen Licht des durchdringenden, analysierenden Geistes, seine Worte reihten sich aneinander regelrecht und zusammenhängend, wie die Steine eines Baues, oder drangen scharf und schneidend im dialektischen Kampf gegen die Gegner vor, niemals gewann er das Herz der Hörer, er unterwarf ihren Verstand.

      Die Kaiserin streckte, ohne aufzustehen, Herrn Rouher ihre schlanke, weiße Hand entgegen, welche dieser ehrerbietig an die Lippen zog. Dann setzte er sich auf einen Wink der Kaiserin ihr gegenüber.

      »Eure Majestät haben mich wissen lassen,« sagte er, »daß Sie mir erlauben wollen, vor meinem Vortrag bei dem Kaiser Ihnen meine Ehrfurcht zu bezeigen, ich danke aufrichtigst für diese Gnade.«

      Die Kaiserin sah ihn lächelnd an.

      »Einem andern Manne gegenüber,« sagte sie, »würde ich einen Vorwand suchen, um zu dem zu kommen, was ich eigentlich sagen wollte, Ihnen gegenüber, mein lieber Herr Rouher, nützt das nichts, Sie würden mich doch sogleich durchschauen, also will ich Ihnen ohne Umschweife sagen, weshalb ich Sie habe rufen lassen!«

      »Eure Majestät sehen mich glücklich,« sagte Herr Rouher, »daß ich Ihnen in irgendetwas nützlich sein kann.«

      »Sie wissen, mein lieber Minister,« fuhr die Kaiserin fort, »daß die ganze politische Welt wieder in Unruhe versetzt ist. Diese unglückliche luxemburgische Sache, ich höre es mit Entsetzen, droht eine böse Wendung zu nehmen und uns in einen furchtbaren Krieg zu stürzen. – Ich habe eine große Scheu, mich in die Politik zu mischen, das ist nicht die Sphäre, in welcher mir die Pflicht bestimmt ist Frankreich zu nützen, aber es ist gewiß die allgemeine Politik der Frauen, für die Erhaltung des Friedens zu arbeiten, und ich möchte meine Stimme erheben so laut ich kann, um diese Kriegsgefahr zu beschwören. – Ich habe den Kaiser inständigst gebeten, die Sache nicht auf die Spitze zu treiben, und,« fügte sie mit einem graziösen Lächeln hinzu, indem sie die rosigen Spitzen ihrer Finger aneinanderlegte, »ich möchte nun auch Sie noch besonders bitten, Sie, die festeste Stütze des Kaisers, seinen treuesten Ratgeber, helfen Sie mir den Frieden erhalten, werfen Sie Ihr gewichtiges Wort in die Wagschale, damit Frankreich, das noch aus den alten Wunden blutet, nicht von neuem einem so grausamen Kampf entgegengeführt werde.«

      Der Staatsminister hatte die Kaiserin bei ihren ersten Worten ein wenig betroffen angesehen, dann hatte er mit dem unbeweglichsten Ausdruck ehrerbietigster Aufmerksamkeit sie bis zu Ende angehört.

      »Es ist natürlich,« sagte er in verbindlichstem Tone, »daß Eurer Majestät edles Herz vor den Schrecknissen eines Krieges zurückbebt, obgleich ich weiß, daß Sie auch mit tapferen und stolzen Wünschen die Fahnen Frankreichs begleiten, wenn sie für den Ruhm des Vaterlandes in die Ferne getragen werden –«

      Die Kaiserin drückte die Zähne leicht in die Unterlippe, sie senkte einen Augenblick das Auge zu Boden.

      »Auch ich,« fuhr Herr Rouher ohne Unterbrechung fort, »gehöre gewiß nicht zu denen, welche in chauvinistischer Überreizung das Heil Frankreichs nur in ewigen Kriegen, in einer unendlichen Aufhäufung blutiger Ruhmestrophäen erblicken, aber,« sagte er mit festem Tone, »ich habe es niemals verhehlt, weder vor dem Kaiser, noch vor den Vertretern des Landes, daß dieser alle Dämme des europäischen Vertragsrechts niederreißende Sieg Preußens bei Sadowa mir patriotische Beklemmungen verursacht hat. – Ich habe lebhaft davon abgeraten,« fuhr er fort, »daß der Kaiser sich damals zwischen die erhitzten Gegner stürzen möge, wie viele verlangten, man muß die Finger nicht in siedendes Wasser tun, ich finde auch nicht, daß die Form Deutschlands, welche als Endresultat des Krieges von 1866 übriggeblieben ist, für Frankreich absolut nachteilig ist, es lassen sich vielmehr aus den jetzigen Zuständen noch manche Vorteile für unsere Politik ziehen, allein die Gleichgewichtsverhältnisse in Mitteleuropa sind so wesentlich gestört, dieser preußische Degen, dessen Spitze, wie Herr Thiers früher schon sagte, gegen die Brust Frankreichs gerichtet wurde, ist so viel stärker und scharfer geworden, daß in der Tat eine Notwendigkeit da ist, die Spitze etwas abzustumpfen, um das Gleichgewicht durch eine entsprechende Kompensation wiederherzustellen. Beides wird durch die Abtretung Luxemburgs erreicht. Luxemburg in preußischen Händen ist die Spitze des Degens, in den unsrigen ist es ein starker Schild. – Ich fürchte übrigens nicht.« sagte er nach einem augenblicklichen Schweigen, »daß es zum Kriege kommt, man scheut in Berlin vor dem äußersten zurück, und wenn wir nur fest auftreten und nicht Zurückweichen –«

      »Glauben Sie das nicht!« rief die Kaiserin lebhaft, »die preußische Zurückhaltung und Mäßigung ist nur Schein, man bereitet eine mächtige und allgemeine Aufwallung des deutschen Nationalgefühls vor, die Interpellation in der Versammlung des Reichstags ist das Losungswort gewesen, und wenn dies gelungen ist – so wird man anders sprechen. Ich bin sicher, daß man zum Kriege entschlossen ist. – Haben Sie den Grafen Goltz gesprochen?« fragte sie.

      »Nein,« sagte der Staatsminister.

      »Nun,« rief die Kaiserin, »ich habe ihn gestern gesehen, Sie wissen, wie tief er es beklagt, daß im vorigen Jahre keine endliche volle Verständigung zwischen Frankreich und Preußen hergestellt ist, wie sehr er die Erhaltung der guten Beziehungen wünscht, welche gesichert waren,« fügte sie nachdenklich mit leiserer Stimme hinzu, »wenn er die preußische Politik leiten könnte, er ist überzeugt, daß man in Berlin zum äußersten entschlossen ist, und hat mich beschworen, dahin zu wirken, daß man hier den Konflikt nicht auf die Spitze treiben möge.«

      »Nun,« sagte Herr Rouher mit ruhigem Tone, »und wenn es zum Kriege käme? – wir würden schnell Luxemburg besetzen, die widerstrebenden Elemente in Deutschland würden Preußen große Verlegenheiten bereiten, und man würde zuletzt in Berlin froh sein, nachdem die Degen gekreuzt sind, um den mäßigen Preis von Luxemburg die unbestrittene Führung in Deutschland, die definitive Anerkennung der Erfolge von 1866 erkaufen zu können.«

      »Aber wir haben keine Allianzen!« rief die Kaiserin, »während Preußen Italien hat, Rußland, das heimliche Wohlwollen dieser materiellen englischen Politik –«

      »Die Geschichte zeigt,« sagte der Staatsminister, »daß das ängstliche Suchen nach Allianzen Frankreich niemals weder Stärke noch Vorteil gebracht hat, Napoleon I. hatte keine Allianzen, seine Allianzen waren die Folge seiner Siege –«

      »Napoleon I.!« rief die Kaiserin mit einem unbeschreiblichen Ausdruck. – »O ich sehe es wohl,« sagte sie dann traurig mit tiefem Seufzer, »mein Wort findet nirgends Gehör, und doch,« fuhr sie fort, das Auge emporrichtend und die Hände faltend, »doch habe ich nie tiefer und sehnlicher gewünscht, die Schrecken des Krieges beschwören zu können, die Gefahr, welche das Leben des kaiserlichen Prinzen bedrohte und welche noch immer nicht vorüber ist – läßt mich tiefer als je empfinden, was es heißt, seine Söhne der Todesgefahr auf den Schlachtfeldern entgegenzuschicken, und mehr als je fühle ich mich als Vertreterin der Angst und der Besorgnisse aller Mütter Frankreichs. – Außerdem,« fuhr sie mit einem langen Blick auf das ruhig unbewegliche Gesicht des Staatsministers fort, »außerdem sehe ich weiter, und die Konsequenzen dieses Krieges würden gefährlich zurückwirken auf unsere inneren Zustände.«

      »Ich glaube, ein festes Auftreten nach außen würde nur zur Befestigung der inneren Verhältnisse beitragen und alle widerstrebenden Elemente zum Schweigen bringen,« sagte der Staatsminister ruhig.

      »Wenn man im Innern ebenfalls fest bleibt,« erwiderte die Kaiserin, »aber leider haben diejenigen, welche dem Kaiser zum Kriege raten, ganz besondere Absichten, die ich genau sehe – und die,« fügte sie seufzend hinzu, »vielleicht nicht ohne Aussicht auf Erfolg sein möchten.«

      »Welche Absichten könnte man haben, die man durch einen Krieg zu erreichen hoffte?« fragte Herr Rouher, indem ein leichter Strahl von erhöhter Aufmerksamkeit in seinem Auge erglänzte.

      »Mein Gott,« sagte die Kaiserin, indem sie leicht mit dem einen Stäbchen der question romaine spielte, welches vor ihr auf dem Tische lag, »Sie wissen, ich sehe so manches und muß manches sehen, weil die Interessen von allen Seiten sich an mich drängen und meine Feinde durch ihre Bosheit, meine Freunde durch ihren Eifer dafür sorgen, daß mir nichts entgeht, so sehe ich denn auch jetzt eine starke Pression, die man gegen