Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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von Beust begleitete den Herzog zur Tür und verabschiedete sich von ihm mit herzlichem Händedruck.

      »Wie schwer wird es sein,« rief er seufzend, »die Ruhe zu erhalten, bis das Werk der Wiedergeburt Österreichs vollendet ist, bis alle diese so heterogenen Elemente in eine dem gemeinsamen lenkenden Willen gehorchende Maschinerie vereinigt sind!«

      Er stand einen Augenblick sinnend still.

      »Doch es wird gelingen!« rief er dann lächelnd, indem der Ausdruck freudiger Zuversicht auf seinem Gesicht aufleuchtete, »alle diese Faktoren, aus denen sich die politische Welt zusammensetzt, sind lenkbar durch den Geist, durch die Kombination, durch die geschickte Leitung des Widerspiels der Kräfte, es gilt nur, den vorzeitigen Ausbruch der rohen Gewalt zu verhüten. Versuchen wir mutig, was der Geist und die geschickte Staatskunst vermögen!«

      Er trat zu seinem Schreibtisch und bewegte den Glockenzug.

      »Lassen Sie den Herrn eintreten, der mir vorhin die Karte gesendet,« sagte er dem Bureaudiener, und erwartungsvoll blickte er dem Eintretenden entgegen.

      Reverend Mr. Douglas, wie er sich durch seine Karte angemeldet, ein breitschulteriger, kleiner, untersetzter Mann von etwa fünfzig Jahren, war eine jener Erscheinungen, welche man schwer wieder vergißt, sobald man sie einmal gesehen.

      Sein großes, stark markiertes Gesicht mit hoher, breiter Stirn, von glatt herabhängendem Haar umgeben, von einzelnen Narben zerrissen, trug einen aus Energie und Schwärmerei gemischten Ausdruck; die Augen, so stark schielend, daß es unmöglich war, jemals ihren Blick zu erfassen, bildeten im Verein mit dem großen, breiten Mund, den starken Kinnbacken und der mächtig hervortretenden, etwas schief im Gesicht stehenden Nase ein Bild von so ungemeiner Häßlichkeit, wie es schwer zum zweiten Male zu finden gewesen wäre. Dennoch entbehrte dies auf den ersten Anblick fast erschreckende Ensemble nicht einer gewissen Anziehungskraft durch das Licht geistigen Lebens, welches diese so absonderlich gebildeten Züge durchschimmerte.

      Mr. Douglas, in einfachem schwarzen Rock, trat in ruhiger Haltung herein, verneigte sich und blieb mit jener den englischen Geistlichen eigentümlichen würdevollen Zurückhaltung vor dem Minister stehen.

      Herr von Beust blickte ihn erstaunt und betroffen von der eigentümlichen Erscheinung an.

      Er deutete artig auf den Stuhl, welchen der Herzog von Gramont soeben verlassen, und setzte sich vor seinen Schreibtisch.

      »Graf Platen schreibt mir,« sagte er, als Mr. Douglas ihm gegenüber Platz genommen, im reinsten Englisch, »daß Sie von England kommen und mir manches Interessante mitzuteilen haben.«

      Mit einer sonoren Stimme, deren Ton ein wenig an die Gewohnheit kirchlicher Vorträge erinnerte, erwiderte Mr. Douglas:

      »Ich bin beglückt, den großen Staatsmann zu sehen, dessen Name uns Engländern sympathisch ist, dessen Geist ich lange bewundert habe und von dem ich überzeugt bin, daß er die Ideen, welche mich bewegen, verstehen und würdigen wird.«

      Herr von Beust neigte lächelnd den Kopf. »Es freut mich sehr,« sagte er, »wenn mein Name in England einen guten Klang hat, ich bin meinerseits stets ein aufrichtiger Bewunderer des Geistes der englischen Nation gewesen.«

      »Wir verfolgen in England,« sagte Mr. Douglas, »mit gespanntem Interesse alles, was Eure Exzellenz tun, um die große Aufgabe zu erfüllen, welche Ihnen übertragen ist, und,« fügte er hinzu, »welcher niemand in dem Grade gewachsen wäre als Sie. – Ich insbesondere,« fuhr er fort, »habe meine Blicke voll Aufmerksamkeit auf Ihr Werk gerichtet, weil ich dasselbe in Verbindung bringe mit einem großen Gedanken, der mich erfüllt und mächtig bewegt, so mächtig, daß ich mich aufgemacht habe aus meiner Heimat, um auszuziehen zur Ausführung dessen, was mit der leuchtenden Gewalt der Wahrheit mein Inneres durchdringt.«

      Herrn von Beusts erstaunte Blicke drückten die Spannung aus, mit welcher er den Mitteilungen entgegensah, die dieser eigentümlichen Einleitung folgen sollten.

      »Ich habe,« fuhr Mr. Douglas fort, »die Geschichte Europas, wie sie sich in den letzten Jahren gestaltet und entwickelt hat, genau und aufmerksam verfolgt – und ich habe zugleich infolge meines geistlichen Amtes die heiligen Schriften eingehend studiert, und aus dieser doppelten Beobachtung habe ich die Überzeugung gewonnen, daß die Offenbarungen des großen Evangelisten sich erfüllen und daß der Streit mit dem großen Drachen geführt werden muß, welcher gegen den Himmel anstürmt, damit die endliche Herrschaft des Reiches Gottes vorbereitet werde!«

      Mit großen Augen sah Herr von Beust diesen Mann an, der da vor ihm saß, das scharf markierte Gesicht durchzittert von dem Ausdruck fanatischer Überzeugung, die rechte Hand erhoben mit zwei ausgestreckten Fingern, die linke auf die Brust gelegt. – Er wußte in der Tat nicht, was er mit dieser merkwürdigen Persönlichkeit anfangen sollte.

      »Der Drache,« sprach Mr. Douglas weiter, »ist Preußen, das die Grundsätze des Rechts zerstört, das die Heiligkeit des Glaubens, des Christentums mit Füßen tritt, Thron und Altar zu Boden wirft und dem Unglauben, dem Heidentum die Welt überantworten möchte. Die aber von ihm niedergeworfen und erwürgt sind, die Männer in den weißen Kleidern, das sind diejenigen, die am Recht am Glauben, an der Religion festhalten, das sind diejenigen, die sich vereinigen müssen, um dem Erzengel Michael beizustehen in dem großen Kampfe gegen den Drachen der Finsternis.«

      Ein eigentümliches Lächeln zuckte um die Lippen des Herrn von Beust. Schweigend und mit immer wachsender Verwunderung betrachtete er den sonderbaren Interpreten der Apokalypse.

      Mr. Douglas ließ die Hand sinken, der Ausdruck der begeisterten Erregung schwand von seinem Gesicht und im Tone ruhiger Konversation fuhr er fort: »Das alles habe ich gefunden in der sorgsamen Verfolgung der Geschichte und dem Studium der Offenbarungen, es ist mir immer klarer geworden, seit ich eingedrungen bin in die Geheimnisse des Spiritismus, ich habe Verkehr gehabt mit den hervorragendsten Geistern der Vergangenheit, und alle ihre Mitteilungen haben mir bestätigt, daß der Augenblick gekommen sei, um den gemeinsamen Kampf gegen den großen Drachen zu beginnen.«

      Herr von Beust schwieg immerfort.

      »Diejenigen aber, welche berufen sind, diesen Kampf aufzunehmen, sich zu demselben in engem Bunde zu vereinigen, das sind diejenigen Mächte in Europa, welche jede in ihrer Weise am positiven Christentum festhalten, welche das weiße Kleid der Auserwählten tragen: das ist England, die Vertreterin der reinen Hochkirche, das ist Österreich und Frankreich, die katholischen Mächte, das ist Rußland, welches in seiner Hand das griechische Kreuz trägt, dem der Osten huldigt. Was bedeutet,« fuhr er fort, »der Unterschied, welcher die englische Hochkirche, den Katholizismus und den griechischen Kultus voneinander trennt, im Vergleich zu dem Abgrunde, welcher alle diese Vertreter des christlichen Glaubens von jener Macht trennt, welche das Recht mit Füßen tritt, die Fürsten von den Thronen wirft und die Kirche zu einer Institution der Staatsräson macht? Die großen christlichen Mächte müssen sich also vereinigen, um Preußen und seinen Satelliten Italien niederzuwerfen, das Recht, die Autorität und den Glauben auf Erden wiederherzustellen.«

      Herr von Beust machte eine leichte ungeduldige Bewegung.

      »Ich glaube nicht recht,« sagte er mit einem kaum merkbaren Lächeln, »daß diese der geistlich-kirchlichen Anschauungsweise entnommenen Gesichtspunkte geeignet sein möchten, die Politik der Kabinette Europas zu bestimmen, welche sehr weltlich gesinnt sind,« fügte er mit leichtem Achselzucken hinzu.

      Mr. Douglas lächelte mit überlegener Würde.

      »Die weltlichen Interessen stimmen vollkommen mit den Bedingungen der vorbezeichneten Entwicklung der christlichen Neuordnung überein, wie es ja überhaupt das Wesen der Religion ist, daß ihre Wahrheiten auch diejenigen beherrschen und lenken, welche sie nicht erkennen. Betrachten Exzellenz,« fuhr er fort, »die Stellung und die notwendigen Aufgaben der europäischen Mächte, Sie werden finden, daß sie in ihrem eigenen, rein politischen, rein weltlichen Interesse handeln müssen, wie sie nach meiner Auffassung der Weltlage handeln sollen. Sie, Exzellenz, stehen an der Spitze des österreichischen Staates, welcher niedergeworfen ist von dem gemeinsamen Feinde, beraubt seiner heiligsten und unantastbarsten Rechte, dem Verfall und Untergang preisgegeben, wenn er