Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
Скачать книгу
suchte Julia hier,« sagte sie kalt und scharf, »ich habe mit ihr zu sprechen und glaubte sie hier zu finden. Mr. Mireport wird in einer halben Stunde hier sein, um sie singen zu hören.«

      Der Maler stand auf. Der trostlos apatische Ausdruck seines bleichen Gesichts machte einer unwilligen Erregung Platz, eine feine Röte erschien auf den eingesunkenen Wangen, ein krankhafter Glanz entzündete sich in seinen dunkeln, tiefliegenden Augen.

      »Du hast also die Idee nicht aufgegeben, sie auf das Theater zu bringen?« fragte er.

      »Wie sollte ich?« sagte sie kurz und scharf. »Ich muß an die Zukunft denken, an die Existenz des Kindes und an die unserige; bis jetzt habe ich dafür gesorgt, wenn ich alt werde, muß ich diese Sorge auf meine Tochter übertragen.«

      »Unsere Existenz?« fragte er, »ich habe dich für die meinige nie in Anspruch genommen!« fügte er mit einer Aufwallung edlen Stolzes hinzu, »meine Arbeit hat mir stets meine Existenz verschafft!«

      »Die Arbeit eines Zeichners für die illustrierten Journale,« sagte sie, spöttisch die Achseln zuckend, »eine Existenz wie diese!«

      Und sie ließ ihren Blick verächtlich über die ärmliche Ausstattung des Zimmers gleiten.

      »Ich ziehe sie der deinigen vor,« sagte er ruhig, »mein einziger Trost in der Pein meiner Gewissensangst ist diese Einfachheit und Armut, an welcher wenigstens die Sünde keinen Anteil hat, und die Schande nicht haftet.«

      Ein Lächeln voll kalten Hohnes zuckte um ihre Lippen.

      »Das sind Phrasen, die ich nicht verstehe,« sagte sie in gleichgültigem Tone, »und die keinen Eindruck auf mich machen, ich meinerseits lege an die Forderungen und Bedürfnisse meines Lebens einen andern Maßstab und werde auch in meiner Weise für die Zukunft meiner Tochter sorgen. – Hättest du,« fuhr sie in schneidendem Tone fort, »dein reiches Talent angewendet, um Bilder zu schaffen, aus dem vollen, heitern Leben gegriffen, voll Lust, Kraft und Wahrheit, du hättest deine Leinwand und deine Farben in Gold verwandeln können, genügend, um uns allen eine frohe und sorgenfreie Existenz zu schaffen, statt dessen brütest du träumend über idealen Heiligenbildern, die dir nicht gelingen, und zeichnest, du, der du unter den Ersten der Kunst stehen könntest, elende Holzschnitte für die blöde Menge.«

      Er seufzte tief.

      »Du hast die Schlange gerufen in den blühenden Garten meines Daseins,« sagte er mit schmerzlichem Lächeln, »du hast mir die berauschende Frucht der Sünde gereicht, verhöhne jetzt den vom Fluche Getroffenen! – Doch,« sagte er nach einem kurzen Schweigen, »du weißt, daß Julia das Auftreten auf diesen Bühnen verabscheut, welche nichts weiter sind als eine Ausstellung der Schönheit, eine Konkurrenz um den höchsten Preis für dieselbe; sie will den Weg nicht gehen, zu welchem diese Bühnen der erste Schritt sind, und ich werde mich widersetzen, daß man sie zu diesem ersten Schritt überredet!«

      »Du?« rief sie höhnisch, »mit welchem Recht? – Wer gibt dir die Befugnis, in das einzugreifen, was ich über die Zukunft meiner Tochter bestimme? – Den ersten Schritt?« fuhr sie mit einer verächtlichen Handbewegung fort, »hat sie ihn vielleicht nicht getan, – ist sie nicht, wie das ganze Quartier weiß, die Geliebte dieses kleinen, langweiligen Deutschen, der mich mit seiner Sentimentalität zur Verzweiflung bringt?«

      »Schlimm genug, daß es so ist!« rief er seufzend, »ich konnte es nicht hindern, da du ihr alle Freiheit und Gelegenheit gabst, aber sie ist nicht innerlich gefallen, es ist die Liebe, die wahre, reine Liebe ihres jungen Herzens, der sie gefolgt ist, die Welt mag urteilen wie sie will, das Verhältnis der beiden Kinder ist ein gutes – ein reines – und vielleicht –« sagte er leise und sinnend.

      »Das ist alles sehr schön und gut,« rief sie, ihn rauh unterbrechend, »aber wie lange soll das dauern, wohin soll das führen? Dieser junge Mann wird abreisen, zurückkehren in seine ferne Heimat, ist er unabhängig, um ihr eine sichere Existenz für das Leben zu schaffen? – Nein, – er wird sie vergessen, und sie wird darauf angewiesen sein, für sich zu sorgen. Dazu muß ich ihr den Weg öffnen – einen Weg, den so viele gehen, welche die Welt bewundert, einen Weg, auf welchem Ruhm, Gold und Diamanten spielend zu gewinnen sind, und welcher sie zur Unabhängigkeit und zu sorgenfreiem Alter führt.«

      »Und wenn er eines Tages wiederkäme,« rief der Maler mit glühendem Blick, »wenn mein Bruder vor dich hinträte und fragte: ›Lukretia, was hast du aus meiner Tochter gemacht?‹ – glaubst du ihm dann diesen Ruhm, dies Gold und diese Diamanten zeigen und ihm sagen zu können: ›so habe ich für dein Kind gesorgt?‹«

      Ein leichtes Zittern lief durch die Glieder der Frau. Sie schlug die Augen nieder und schwieg.

      »Ich aber,« fuhr er fort, »will nicht ablassen in der Mühe, sein Kind vor dem unrettbaren Fall in den Abgrund zu bewahren, so viel ich kann. Du weißt,« sagte er düster, »daß nur diese Pflicht, die ich mir vorgesteckt habe als die heiligste Aufgabe meines Lebens, mich bisher an deine Wege gefesselt hat, wie an das Leben,« fügte er mit dumpfer Stimme hinzu, »ich werde suchen, sie zu erfüllen bis zum letzten Augenblick, und sollte ich dazu nicht mehr allein imstande sein, so werde ich meine Scham, meine Angst überwinden, ich werde ihn suchen, ihn zu Hilfe rufen – und er wird die Macht haben, sein Kind zu retten!«

      Ein feindlicher, scharfer Blick schoß aus ihrem Auge zu ihm herüber. Schnell verbarg sie diesen Blick unter den gesenkten Lidern, ein gezwungenes Lächeln erschien auf ihren Lippen und mit ruhigem, fast sanftem Tone sprach sie:

      »Du weißt, daß ich meine Tochter liebe und für ihr Glück und ihre Zukunft sorgen will, in meiner Weise freilich, die nach meiner Überzeugung die beste ist. – Übrigens,« fuhr sie fort, »ist sie frei – und ich kann sie nicht zwingen, sie muß ihren endlichen Entschluß selbst fassen.«

      Bevor er antworten konnte, hörte man die Türe des ersten Salons sich öffnen, mit leichtem, elastischem Schritt schwebte die schlanke Gestalt Julias über den weichen Teppich und erschien hinter ihrer Mutter in dem Rahmen der Türe.

      Das junge Mädchen trug einen einfachen Anzug von leichter violetter Seide, in dem einfach geordneten, glänzenden Haar eine Schleife von gleicher Farbe, ein kleines goldenes Kreuz an schwarzem Bande um den von einer leicht gekräuselten Spitze eingefaßten Hals.

      Es war ein eigentümliches Bild, diese beiden sich so ähnlichen und doch so verschiedenen Frauengestalten da neben einander zu sehen. Trauer und Wehmut mußte es erregen, zu denken, daß die Mutter einst gewesen, wie die Tochter jetzt war; bange Furcht mußte der Gedanke erwecken, daß die Tochter einst der Mutter gleichen könne.

      Julia blieb in der Tür stehen, ein wenig erstaunt, wie es schien, ihre Mutter hier zu finden, welcher sie sonst nicht gewohnt war, häufig in dem einfachen Wohnzimmer des Malers zu begegnen. Sie ging auf ihre Mutter zu und küßte ihr in ehrerbietiger Weise die Hand, wobei der Blick der älteren Dame wohlgefällig über die schlanke, biegsame Gestalt des jungen Mädchens hinglitt. Dann aber eilte diese schnell zu dem Maler hin und bot ihm mit reizendem Lächeln die Stirn, auf welche er mit inniger Zärtlichkeit seine Lippen drückte.

      »Wie geht es meinem teuren Vater heute?« fragte Julia mit ihrer, reinen, weichen Stimme.

      Der Maler senkte den Blick vor dieser einfachen Frage und antwortete, ohne das junge Mädchen anzusehen:

      »Mir ist stets wohl, wenn ich die liebe Stimme meiner teuren Julietta höre.«

      »Noch immer hast du keinen weiteren Strich an diesem ewigen Bilde gemalt,« sagte Julia, einen Blick auf die Staffelei werfend, »ich kenne das nun schon seit Jahren, warum ist der Kopf des Heilands da immer in einer Wolke von Grau verborgen? Du würdest ihn doch so schön malen können, lieber Vater, oh, ich wollte, ich könnte dir das Bild zeigen, das in mir lebt, ich weiß ganz genau,« sagte sie, den tiefen Blick mit treuherziger Kindlichkeit auf den Maler richtend, »wie er aussehen müßte, der gütige Heiland, als er nach der Erlösung der Menschheit zum Himmel zurückkehrte, um dem Vater zu sagen: ›Ich habe der Welt Sünde auf mich genommen, ich habe die vergangenen und kommenden Geschlechter der Menschen in meinem Blute rein gewaschen von ihrer Schuld, ich habe dem Tode seinen Schrecken, der Hölle ihren Stachel