Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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werden, es scheint mir überhaupt zweifelhaft, ob wir einen Vertreter in Berlin lassen können, der so unter dem persönlichen Einfluß dieses Grafen Bismarck steht –«

      »Lassen Sie die Sache auf sich beruhen,« sagte der Kaiser, »Benedetti hat vielleicht Frankreich einen großen Dienst geleistet,« fügte er sinnend hinzu.

      Der Marquis verneigte sich schweigend mit unzufriedener Miene, welche deutlich ausdrückte, daß er die Auffassung seines Souveräns nicht teile.

      »Es ist ein böses Spiel,« sagte der Kaiser nach einer kleinen Pause in dumpfem Ton, »das uns diese Indiskretion des Königs von Holland da gemischt hat, eine so einfache, natürliche Sache, die so leicht zu ordnen schien, bei der ich so wenig ernsten Widerstand voraussetzen durfte, ist da hinaufgeschraubt worden zu einem gewaltigen Konflikt, zu einer europäischen Frage – bis an die Grenzen des Krieges, o wenn ich das gewußt hätte,« rief er seufzend, »ich hätte die ganze Sache nicht angerührt, wenigstens jetzt nicht!«

      »Aber glaubten denn Eure Majestät wirklich,« fragte der Marquis verwundert, »daß die Erwerbung von Luxemburg ganz ohne Widerspruch von seiten des Berliner Kabinetts vor sich gehen könne?«

      »Ich glaubte es,« sagte der Kaiser, »oft habe ich früher Andeutungen über diese Sache machen lassen, ich habe nie eine bestimmte Antwort erhalten, aber eben dies ließ mich glauben, daß man in Berlin geneigt sei, diese Konzession zu machen, um eine definitive Verständigung zu erreichen, ich habe angenommen, man wolle nicht ausdrücklich zustimmen, aber man würde zufrieden sein, das fait accompli akzeptieren zu können – und nun –?«

      »Aber halten denn Eure Majestät,« fragte der Marquis, »diesen jetzigen Widerstand für ernst? – ich glaube,« sagte er lächelnd, »man will durch einiges Sträuben, durch einige Schwierigkeiten den Wert der Konzession nur größer machen!«

      Der Kaiser schüttelte langsam den Kopf.

      »Sie täuschen sich,«, sagte er dann, »dieser Widerstand ist ernst. Die Interpellation im Reichstag würde nicht stattgefunden haben, wenn Graf Bismarck sie ernstlich nicht gewollt hätte, und daß er die Frage auf diesen Weg bringt, beweist mir unwiderleglich, daß er fest entschlossen ist, nicht nachzugeben, denn das deutsche Nationalgefühl wird sich mehr und mehr erhitzen, und das deutsche Nationalgefühl, wenn es einmal aufgeregt wird, ist eine furchtbare Waffe in der Hand eines Mannes, wie dieser preußische Minister. – Wissen Sie, mein lieber Marquis,« sagte er nach einer kleinen Pause, indem er sich etwas emporrichtete und mit großem, starrem Blick den Minister ansah, »wissen Sie, was mich an dieser ganzen Sache so peinlich, ich möchte sagen, unheimlich berührt, das ist nicht die fehlgeschlagene Kombination, nicht die Hindernisse, welchen ich in dieser speziellen Frage begegne, man könnte ja leicht eine andere Kombination, ein anderes Arrangement finden, aber,« fuhr er mit dumpfem Tone fort, »ich begegne hier abermals jenem festen, kalten, trotz der ruhigsten Form so rücksichtslos abweisenden Widerstand, den dieser preußische Minister allen meinen Schritten entgegensetzt, um zwischen dem neuen Deutschland und Frankreich ein festes, freundliches Verhältnis herzustellen, eine Allianz zu knüpfen, welche nach meiner Überzeugung die Welt beherrschen müßte! – Er betont stets seinen Wunsch, mit mir in den besten Beziehungen zu leben, aber jedesmal, wenn ich die Basis dazu schaffen will, weist er mein Entgegenkommen zurück. – Wohin soll das führen? Kann Frankreich ruhig, ohne seinerseits sich zu stärken, dieses übermächtige Anwachsen der deutschen Macht ansehen? – Das muß endlich zu einem harten, furchtbaren Kampfe führen, zu einem Kampf der Rassen, in welchem nicht nur die politische Macht Deutschlands und Frankreichs gegeneinander streiten werden, sondern in welchem gerungen werden wird zwischen der germanischen und der lateinischen Rasse um den ersten Platz in Europa!«

      »Wenn Eure Majestät überzeugt sind, daß dieser Kampf endlich mit unvermeidlicher Notwendigkeit kommen muß,« sagte der Marquis de Moustier, wahrend der Kaiser düster vor sich hinstarrte, »dann ist es doch in der Tat richtiger, die Ereignisse zu beherrschen, wozu sich jetzt die beste Gelegenheit bietet, statt sie später vielleicht über uns hereinfluten zu lassen. – Halten Eure Majestät fest, zeigen Sie jetzt, bevor die deutsche Macht sich konsolidiert hat, dem preußischen Kabinett einen ernsten Willen und einen unbeugsamen Entschluß, ich bin überzeugt, daß man dort zurückgehen wird –«

      Der Kaiser schüttelte langsam den Kopf.

      »Und wenn nicht,« rief der Marquis, »nun so werden wir schlagen, so werden wir endlich diesen übermütigen Soldaten von Sadowa zeigen, daß Frankreich nicht Österreich ist –«

      »Wir stehen allein,« sagte der Kaiser zögernd.

      »Nicht ganz, Sire,« erwiderte der Marquis, »wir haben wirksamere Bundesgenossen, als die Kabinette es vielleicht sein würden, wir haben alle die widerwillig unterworfenen Elemente in Deutschland, die katholischen Parteien Süddeutschlands, welche auf ihre Regierungen drücken werden, wir haben Hannover, das unter dem preußischen Zügel schäumt, wir haben die Bevölkerung von Luxemburg selbst, welche nicht ermangeln wird, vor ganz Europa eine Demonstration zu machen.«

      »Sind Sie dessen gewiß?« fragte der Kaiser.

      Der Marquis ergriff ein kleines Heft, welches vor ihm auf dem Tische lag.

      »Hier ist,« sagte er, »ein sehr ausführlicher und interessanter Bericht von Herrn Jaquinot über die Zustände im Großherzogtum –«

      »Herr Jaquinot?« unterbrach der Kaiser mit fragendem Ton.

      »Er ist Präfekt von Verdun, Sire,« erwiderte der Marquis, »Sohn des Generals Jaquinot, er hat ein Fräulein Collart aus Luxemburg geheiratet und die Familie seiner Frau dort oft besucht, viel beobachtet und seine Beobachtungen mit großem Geschick zusammengestellt; er konstatiert, daß die ganze Bevölkerung des Großherzogtums französisch gesinnt ist, die Bemühungen, welche früher zwei Männer besonders« – der Marquis blätterte suchend in dem Bericht, den er in der Hand hielt – »zwei Männer, namens Friedemann und Stammer, zur Verbreitung der deutschen Sprache und Literatur gemacht, sind erfolglos geblieben, die Handels- und Verkehrsbeziehungen ziehen die Bevölkerung ebensosehr als Sprache und Sitten zu uns, man wird uns bei lauten Kundgebungen in diesem Sinne nicht vorwerfen können, daß wir deutsches Gebiet beanspruchen.«

      »Wollen Sie mir den Bericht hier lassen,« sagte der Kaiser, nahm das Heft aus der Hand seines Ministers und legte es auf den Tisch neben sich. – »Sie sprachen von Hannover?« fragte er dann, »glauben Sie, daß dort auf etwas Ernstes zu rechnen sei? – das wäre besonders wichtig!«

      »Alle Berichte lauten übereinstimmend dahin,« erwiderte der Marquis, »daß die Bevölkerung Hannovers im höchsten Grade widerwillig die preußische Herrschaft erträgt, auch habe ich heute die Nachricht erhalten, daß eine starke Anzahl früherer hannoverischer Offiziere und Soldaten sich in Arnheim in militärischer Ordnung sammeln –«

      »In der Tat?« fragte der Kaiser, »das wäre ein wichtiger Punkt, ein deutsches Volk auf unserer Seite, die Nachkommen der Soldaten von Waterloo, man muß sogleich Kundschafter dorthin schicken und Baudin instruieren –«

      »Zu Befehl, Sire,« sagte der Marquis, »übrigens schreibt der Herzog von Gramont, daß der König von Hannover einen persönlichen Vertreter hierher senden wolle, man wird dann eine nähere Verbindung anknüpfen können –«

      »Ich habe davon gehört,« sagte der Kaiser, »der König Georg ist trotz seiner Entthronung einer der vornehmsten Herren Europas, und ich kann trotz der völkerrechtlichen Stellung zu Preußen persönliche Beziehungen zu ihm fortsetzen, man wird seinen Vertreter mit den äußersten égards umgeben; diese hannoverische Frage ist eine Sache,« sagte er lächelnd, »die wir in einem Schubfach unseres politischen Archivs sorgfältig bewahren müssen, ohne uns zu engagieren, es kann ein Augenblick kommen, wo wir sie daraus hervorziehen werden, – Ich habe,« sprach er langsam, »die Veränderungen in Deutschland, die Annexionen der souveränen Staaten akzeptiert, nicht anerkannt, das ist eine Nüance,« fügte er mit sarkastischem Lächeln hinzu, »die ich von den legitimen Kabinetten bei der Ausrichtung des Kaiserreiches gelernt habe, sollte aus irgendeinem Grunde ein Konflikt ausbrechen, so habe ich das volle Recht, die ganze deutsche Frage als eine offene zu betrachten und zu behandeln.«