Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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      Herr von Beust neigte leicht den Kopf zur Seite, ein fast unmerklicher Schimmer feiner Ironie glitt über seine lächelnden Lippen, und indem er sich vor seinen Schreibtisch setzte, lud er den Botschafter ein, ihm gegenüber Platz zu nehmen.

      »Den Stürmen zu trotzen,« sagte er, »ist kühn – und klug, wenn es keinen anderen Weg gibt, um ein großes, vorgestecktes Ziel zu erreichen, aber gegen den Sturm zu kämpfen, wenn dadurch das Ziel nicht erreicht – ja seine spätere Erreichung für immer gefährdet werden kann, das möchte ich nicht als die Aufgabe der Staatskunst anerkennen können. – Doch,« fuhr er fort, »sprechen wir ohne Metapher, »Sie sehen mich erstaunt, lieber Herzog, und – ich muß es sagen – bekümmert über die Nachrichten, welche ich soeben von Berlin und Paris zugleich in betreff einer Abtretung Luxemburgs erhalte, man scheint in Berlin nicht geneigt, dieselbe ruhig geschehen zu lassen –«

      »Dann muß man Ernst zeigen!« sagte der Herzog, das Haupt emporwerfend, »man muß die gebieterische Stimme Frankreichs vernehmen lassen, welche schon zu lange geschwiegen hat.«

      Herr von Beust schüttelte leicht den Kopf.

      »Sie wissen, mein lieber Minister,« fuhr der Herzog von Gramont fort, »wie sehr ich es persönlich beklagt habe, daß der Kaiser sich nicht hat entschließen wollen im vorigen Jahre, im Augenblick der großen Bedrängnis Österreichs, ein energisches Veto einzulegen und mit fester Hand in die Ereignisse einzugreifen; Sie wissen, wie sehr ich zu solcher Politik geraten habe, indes,« fuhr er fort, indem er leicht die Achseln zuckte, »sie ist nicht beliebt worden, und mir als Vertreter des Kaisers steht es nicht zu, bedauernde kritische Rückblicke auf das zu werfen, was geschehen ist. Nachdem dies aber geschehen, muß Frankreich tun, was es sich selbst, seiner Sicherheit und Machtstellung und dem europäischen Gleichgewicht schuldig ist. Das vergrößerte Preußen, an der Spitze der deutschen konzentrierten Militärmacht, hat kein Recht, Positionen zu behalten, welche dem inoffensiven deutschen Bunde zugestanden waren, und Frankreich muß zur Sicherheit seiner Grenzen neue militärische Positionen als Garantie verlangen. Eine solche Position ist Luxemburg, und wenn man sie uns verweigert,« sagte der Herzog mit stolzem Ton, »so werden wir sie nehmen!«

      Herr von Beust wiegte den Kopf hin und her und blickte unter den leicht gesenkten Augenlidern zu dem Herzog, welcher rasch und lebhaft gesprochen hatte, hinüber.

      »Sie haben soeben,« sagte er dann mit ruhiger Stimme, »die Passivität Frankreichs gegenüber der deutschen Katastrophe als einen Fehler bezeichnet, Herr Herzog, ich darf also keinen Anstand nehmen, diesen von Ihnen selbst gegebenen Ausgangspunkt zu akzeptieren. – Glauben Sie aber,« fuhr er mit leichtem Lächeln fort, »daß es den Fehler verbessern hieße, wenn Frankreich, das im rechten Augenblick nicht schlug, nun im unrechten Augenblick schlagen würde?«

      Der Herzog blickte ihn ein wenig betroffen an.

      »Warum wäre es ein unrechter Augenblick?« fragte er. »Wenn Preußen diese wahrlich bescheidene und höchst berechtigte Kompensation uns verweigert, so wird das französische Nationalgefühl mächtig entflammen, und in seiner zornigen Erregung wird Frankreich unbesiegbar sein, außerdem ist jetzt die Unifikation Deutschlands noch sehr wenig vorgeschritten, die neuerworbenen Länder sind voll Erbitterung, in Süddeutschland regt sich gewaltig der antipreußische Geist, die Wunden, welche der Krieg Preußen selbst geschlagen, sind noch nicht geheilt, kann es eine bessere Gelegenheit geben, dieser neuen preußischen Großmacht eine Lektion zu geben und uns die so berechtigte Genugtuung zu nehmen?«

      Herr von Beust schüttelte abermals, immer lächelnd, den Kopf.

      »Und wenn Sie nun siegen, wenn Frankreich eine entscheidende Schlacht gewinnt,« fragte er, »was haben Sie dann erreicht?«

      »Wir haben das erreicht, was wir forderten!« rief der Herzog in etwas erstauntem Tone, »vielleicht noch ein wenig mehr, wir haben Preußen gezeigt, daß der Augenblick noch nicht gekommen ist, um Frankreich von oben herab zu behandeln und seine Stimme zu überhören, wir haben feste Garantien für die Sicherheit unserer Grenzen.«

      »Wollen Sie, lieber Herzog,« sagte Herr von Beust mit ruhiger Stimme, »mir eine Frage beantworten, – aufrichtig nach Ihrer Überzeugung?«

      »Gewiß,« sagte der Herzog. »Sie wissen, daß ich mit meiner persönlichen Ansicht nicht zurückhalte, auch wenn sie nicht vollständig mit dem übereinstimmt, was ich als Vertreter meiner Regierung aufrecht halten muß.«

      »Nun wohl,« sagte Herr von Beust, »meine Frage betrifft Italien. Sie haben Savoyen und Nizza erworben, um Ihre Grenzen zu sichern der militärischen Konzentration Italiens gegenüber, glauben Sie, daß diese Sicherung dauernder und fester sei, als wenn Sie an der Ausführung des Vertrages von Zürich festgehalten und ein föderatives Italien hergestellt hätten, welches in der Ruhe seines inneren Gleichgewichts niemals hätte daran denken können, Ihnen durch eine offensive Expansion gefährlich zu werden?«

      Der Herzog von Gramont sagte nach einem augenblicklichen Schweigen: »Ich habe stets die Grundsätze des Vertrages von Zürich für die beste und weiseste Politik gegenüber Italien gehalten und bedaure, daß es unmöglich war, sie durchzuführen.«

      »Nun,« sagte Herr von Beust, »in ähnlicher Lage sind Sie heute Deutschland gegenüber – nur mit dem Unterschiede, daß die physische Kraft Deutschlands mächtiger ist als diejenige Italiens, daß Deutschland, in preußischer Militäreinheit konzentriert, Ihnen viel gefährlicher werden kann als jemals Italien. Machen Sie es mit dem Prager Frieden nicht wie mit dem Vertrage von Zürich.«

      Der Herzog blickte nachdenklich zu Boden.

      »Erlauben Sie mir, ausführlicher zu sein,« sagte Herr von Beust, »und Ihnen meinen ganzen Gedanken auszusprechen, denn wir stehen vielleicht an einem ernsten Wendepunkt, von dem die künftige Gestaltung Europas und,« fügte er mit einem scharfen Blick auf den Herzog hinzu, »die künftigen Beziehungen zwischen Frankreich und Österreich abhängen.«

      »Frankreich und Österreich sind durch gemeinsame Interessen verbunden,« sagte der Herzog mit verbindlichem Kopfneigen.

      »Zunächst durch einen gemeinsamen Gegner,« bemerkte Herr von Beust ruhig, »das ist viel, aber es ist ein negativer Boden – und,« fuhr er fort, »politische Gegnerschaften können zuweilen wechseln. – Ich sehe indes,« sagte er nach einer augenblicklichen Pause, »eine große Anzahl positiver Verbindungspunkte, welche, richtig klargestellt und formuliert, die Grundlage einer festen und dauernden Verbindung werden können, einer Verbindung, welche für beide Länder vom bedeutendsten und glücklichsten Einfluß zu werden bestimmt zu sein scheint.«

      Die Züge des Herzogs drückten die gespannteste Aufmerksamkeit aus.

      »Wenn Sie jetzt Kompensationen fordern,« fuhr Herr von Beust fort, »wenn Sie dieselben mit den Waffen in der Hand erzwingen wollen, so beginnen Sie einen Krieg – verzeihen Sie, daß meine Ansicht der vorhin von Ihnen geäußerten diametral entgegensteht – einen Krieg unter den ungünstigsten Chancen im allerschlechtest gewählten Moment. – Denn Sie greifen Preußen wegen einer Sache an, welche vollkommen geeignet ist, das deutsche Nationalgefühl zu entflammen, wegen der Abtretung deutschen Gebietes, und wenn die süddeutschen Regierungen auch keine Neigung haben, preußische Interessen zu verfechten, so wird diese deutschnationale Erregung der Bevölkerungen sie um so mehr auf die Seite Preußens treiben, als sie nirgends einen Halt sehen und die traurigen Schicksale der entthronten Fürsten ihnen noch lebendig vor Augen stehen. – Wir unsererseits,« fuhr Herr von Beust achselzuckend fort, »sind vollständig außer Stande, uns auch nur zu regen, und wollten wir trotz unserer unfertigen, im Werden begriffenen Zustände wirklich eine Aktion wagen, so würde Rußland und Italien es uns unmöglich machen. Sie würden sich also ohne alle Bundesgenossen der deutschen Nationalaufregung und der mehr oder minder aktiven Gegnerschaft Rußlands und Italiens gegenüber befinden. Was Italien betrifft, so werden Sie selbst ermessen, welche Folgen ein isoliertes Engagement Frankreichs gegen Deutschland auf die römische Frage haben müßte –«

      »Ich verkenne das alles nicht,« sagte der Herzog ein wenig zögernd, »aber,« rief er dann in heftigem Tone, »soll man denn diesem unersättlichen, rücksichtslosen