Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Stein an die richtige Stelle für die große Kombination zu bringen!«

      »Ich muß,« sagte Herr von Beust lächelnd, »die Studien und Beobachtungen, welche ich gemacht und als sächsischer Minister nicht verwerten konnte, jetzt für Österreich nutzbar machen. – Dem Kaiser Napoleon traue ich nicht ganz,« fuhr er fort, »ich fürchte, er spielt ein doppeltes Spiel und möchte, wenn er einige Kompensationen zur Beruhigung des französischen Nationalgefühls erlangen kann, sich mit Preußen und Rußland vereinigen und diese Trias als europäischen Areopag konstituieren, mit Preußen allein wird er sich nicht zu eng verbinden. Auch aus diesem Grunde ist die Trennung Rußlands von dem Berliner Kabinett nötig, und wir bewerkstelligen sie am besten durch die geschickte Benutzung des Punktes, welcher sie gebildet, die orientalische Frage. Dies ist eine Giftpflanze für Österreich,« fügte er lächelnd hinzu, »machen wir sie nicht nur unschädlich – sondern ziehen wir aus ihr Honig, wie die geschickte Biene.«

      Ein Kanzleidiener trat ein und stellte vor den Minister eine große, schwarze Mappe auf den Schreibtisch.

      Herr von Beust öffnete dieselbe mit einem kleinen Schlüssel und zog einige Papiere daraus hervor, welche er eifrig durchflog. Ein Ausdruck von Erstaunen und Schreck überflog sein Gesicht.

      »Da sehen Sie,« rief er, »wie recht ich hatte, der französischen Politik zu mißtrauen! – Graf Wimpffen berichtet, man sei in Berlin plötzlich über eine projektierte Abtretung Luxemburgs an Frankreich unterrichtet, die öffentliche Meinung sei aufs äußerste erregt, eine Interpellation im Reichstage werde morgen stattfinden, und trotz der äußeren, fast gleichgültigen Ruhe des Grafen Bismarck müsse die Situation als eine äußerst gespannte und bedenkliche angesehen werden. – Da haben wir,« fuhr er fort, indem er den Bericht, den er soeben gelesen, Herrn von Hofmann reichte, »da haben wir den Schlüssel zur französischen Politik! – Für die Abtretung Luxemburgs – demnächst vielleicht die Erwerbung Belgiens – will er die ernste Anerkennung der preußischen Herrschaft in Deutschland, die Allianz mit Preußen und Rußland geben, Österreichs Zukunft preisgeben! – Glücklicherweise,« fuhr er fort, »täuscht sich dieser schlaue Spieler in seiner Kombination, Graf Bismarck ist kein Faktor, mit dem er zu rechnen versteht, er wird ihm den Preis nicht zahlen – dieser Mann,« fügte er mit unmutigem Tone hinzu, »mit welchem eine regelmäßige vorberechnende Politik gar nicht möglich ist! – Aber,« sagte er nach einer Pause, während Herr von Hofmann aufmerksam den Bericht des Grafen Wimpffen durchlas, »wenn dieser Konflikt zu einem kriegerischen Zusammenstoß führte, vielleicht wäre das in Berlin gar nicht so unerwünscht, was würde die Folge sein? – Jedenfalls eine definitive Konstituierung der europäischen Zustände, und ohne Österreichs Mitwirkung, denn wir sind im Chaos der Übergänge, wir können nicht handeln! Damit wäre,« fuhr er sinnend fort, »Österreich verurteilt, für immer unter den Folgen des Schlages vom vorigen Jahre zu bleiben, das große Ziel, welches nur durch eine wohlvorbereitete, kunstvoll und vorsichtig eingeleitete Aktion der Zukunft erreicht werden kann, wäre für immer verloren. Die große Aufgabe der österreichischen Politik ist es, ohne den Anschein davon zu haben, jede definitive Konstituierung und Konsolidierung der europäischen, insbesondere der deutschen Zustände zu verhindern, durch das Spiel der entgegengesetzten Interessen Zeit zur inneren Kräftigung und zu richtigen Allianzkombinationen zu gewinnen, damit dann,« fuhr er fort, indem sein Auge mit lichtem Blick sich weit öffnete, »dann, wenn die Kraft des neuen Blutes die habsburgische Monarchie durchströmt, wenn der Bann der Isolierung Österreichs gebrochen ist, dann das Verlorene wieder eingebracht und neue, glänzende und feste Macht gewonnen werden könne!«

      Er schwieg einen Augenblick, das Auge wie auf eine innere Vision gerichtet.

      »Doch,« sagte er dann, »bis dahin ist noch ein weiter Weg zu machen, für jetzt gilt es, die dunklen Wege Napoleons zu durchkreuzen, er darf Luxemburg nicht erhalten, darf auf dieser Basis nicht zur Verständigung mit Deutschland kommen, aber es darf auch kein Krieg aus dieser Frage entstehen, der Österreichs Neugestaltung hemmen und die Politik der Zukunft abschneiden würde.«

      »Glauben Eure Exzellenz, daß man in Frankreich bis zum äußersten vorgehen würde?« fragte Herr von Hofmann.

      »Wer weiß?« sagte der Minister, »bei Napoleon muß man immer mit der Möglichkeit eines coup de tête rechnen.«

      Und er durchblätterte die Papiere, welche er vorher aus der Mappe genommen hatte.

      »Da ist ein Bericht von Metternich!« sagte er, lebhaft einen Bogen ergreifend, »wir werden sehen, was in Paris vorgeht.«

      Er durchflog das Papier.

      »Man ist in Paris sehr aufgeregt,« fuhr er fort, »der Kaiser ist entrüstet über die plötzliche Enthüllung seiner Pläne, Moustier drängt zu festem Vorgehen, eine starke, chauvinistische Bewegung umgibt den Kaiser – das ist schlimm – um jeden Preis muß ein Bruch vermieden werden, doch,« sagte er erleichtert aufatmend, indem er den Schluß des Berichts las und denselben dann Herrn von Hofmann reichte, »die Kaiserin arbeitet auf das lebhafteste für den Frieden – das ist ein Stützpunkt, den man benutzen muß – wir müssen alle Tätigkeit aufbieten, um diesen Schlag zu parieren, – Telegraphieren Sie sogleich an Metternich,« sagte er nach einem augenblicklichen Nachdenken, »daß er auf das lebhafteste unseren Wunsch, den Frieden zu erhalten, betonen und unsere bons offices nach jeder Richtung anbieten solle, ich werde ihm selbst sogleich persönlich schreiben, damit er seinen ganzen Einfluß aufbiete, die Gefahr zu beschwören. Eine gleiche Instruktion muß an Wimpffen abgehen. – Dann,« fuhr er fort, »müssen wir mit England eine gemeinsame Vermittlung vorbereiten, eine Konferenz vorschlagen, das wird man von beiden Seiten kaum ablehnen können, und,« sagte er lächelnd, »haben wir die Sache erst am grünen Tisch, so wird sich das Echauffement abkühlen; wollen Sie eine Instruktion an den Grafen Apponyi aufsetzen und mir vorlegen!«

      Herr von Hofmann verbeugte sich.

      »Ich müßte die Sachen wohl mit dem Unterstaatssekretär von Meysenburg verabreden?« sagte er.

      »Gewiß,« erwiderte Herr von Beust mit leichtem Lächeln, »ich wünsche nicht, daß er übergangen oder verletzt werde, es ist gut, bei dem neuen Bau einige alte Stützen stehen zu lassen – bis wir weiter vorgeschritten sind, sprechen Sie sogleich mit ihm, er wird übrigens in diesem Falle ganz einverstanden sein.«

      Herr von Hofmann stand auf. Der Minister zog einen über seinem Schreibtisch hängenden Glockenzug.

      »Wer ist im Vorzimmer?« fragte er den eintretenden Bureaudiener.

      »Der Herzog von Gramont,« antwortete dieser.

      »Das ist gut,« sagte Herr von Beust, »da kann ich sogleich den Anfang machen!« –

      »Und dann,« sagte der Diener, »ein Herr, welcher mir diese Karte und diesen Brief für Eure Exzellenz gegeben hat.«

      Herr von Beust ergriff die Karte.

      »Reverend Mr. Douglas,« las er mit dem Ausdruck des Erstaunens – »kennen Sie den Namen?«

      Herr von Hofmann zuckte die Achseln.

      Der Minister öffnete das Billett.

      »Graf Platen empfiehlt mir Mr. Douglas,« sagte er, »es würde mir von Interesse sein, ihn zu sprechen, er kenne die englischen Verhältnisse genau, und der König von Hannover interessiere sich besonders für ihn – ich begreife nicht recht, aber hören will ich ihn. – Bitten Sie den Herren, einen Augenblick zu warten,« sagte er zu dem wartenden Diener, »und führen Sie den Herzog herein!«

      Herr von Hofmann verließ das Kabinett, in der Tür den französischen Botschafter begrüßend, welchem der Minister entgegentrat.

      »Guten Morgen, mein lieber Herzog,« sagte er, ihm die Hand reichend, in französischer Sprache, »es ist mir sehr lieb, daß Sie kommen, ich hatte Sie um eine Unterredung gebeten, ich sehe Sturm auf dem Barometer Europas, und wir müssen uns vereinigen, um ihn zu beschwören.«

      Der Herzog, im schwarzen Überrock, die große Rosette der Ehrenlegion im Knopfloch, richtete seine hohe, militärische Gestalt gerade empor, sein fein geschnittenes Gesicht mit dem leicht gekräuselten Haar, dem kurzen, aufwärts