Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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endlich ein trauriges Ende in selbstgeschaffener Sackgasse, bei welchem den einzigen, schmerzlichen Ruhm die Opfer haben werden. – Sieh, mein Sohn,« fuhr der alte Herr fort, »das Unternehmen eines Fürsten, welcher allein mit seinem Recht und mit wenigen Getreuen dasteht, und welcher so gegen eine Macht, vor welcher die Großstaaten Europas zittern, in den Kampf tritt für sein Recht, das er nicht aufgeben will – hat etwas so Heldenhaftes, mächtig Ergreifendes, daß ich, der alte Mann, welcher gelernt hat, seine Gefühle durch Vorsicht und Erfahrung leiten zu lassen, davon hingerissen werden könnte. Allein – ich müßte die Möglichkeit eines Sieges, eines ehrenvollen Friedens, oder eines großen, ruhmvollen Untergangs sehen. Eine solche Möglichkeit aber sehe ich nicht. – Um zu siegen, oder um durch ehrenvollen Friedensschluß das verlorene Recht ganz oder teilweise wieder zur Geltung zu bringen – müßte der König sich furchtbar und mächtig machen, er müßte sich an die Spitze aller Ideen stellen, welche in Deutschland der preußischen Herrschaft widerstreben, damit, wenn sich je eine Bewegung gegen dieselbe erhebt, er von dieser Bewegung emporgetragen werde, er müßte die Möglichkeit schaffen, auch den Kern einer von mächtigem Gedanken durchströmten Armee bilden zu können, wenn es Not tut, um dann, wenn irgendeine Erschütterung Europas die Gelegenheit bietet, sein Recht zu reklamieren und es durch Kampf oder Vertrag geltend zu machen. Dazu fehlt aber in den bisherigen Manövern, soweit ich sie sehe, alles! Überall dasselbe schwächliche, zweideutige Spiel, man protestiert gegen die Annexion und möchte doch die Domänen unter der preußischen Herrschaft behalten, man will kämpfen und sieht ruhig zu, wie die nach London geretteten Papiere, zu deren Verkauf man so lange Zeit hatte, amortisiert werden, überall Negation statt der Handlungen, der König weiß zu befehlen, aber er versteht nicht zu herrschen! Ich habe hier manches gelernt und gesehen,« fuhr der alte Herr nach einigen Schritten durch das Zimmer fort, »das mir in der ruhigen und zurückgezogenen Tätigkeit in Blechow verborgen geblieben war, und ich muß sagen, was ich von dem Treiben in Hietzing höre – gefällt mir nicht und flößt mir wenig Vertrauen ein. Der General von Knesebeck hat mir Trauriges mitgeteilt. Ihn hat der König unglaublich schnöde behandelt, ebenso ist der alte General von Brandis fortgeschickt, und die Personen, welche sich hier als Vertreter des welfischen Patriotismus gerieren, in wohlfeilen Demonstrationen durch gelbweiße Kravatten und gelegentliche gelbweiße Fähnchen, glaubst du, daß sie die Leute sind, um im großen, geistigen und politischen Kampf Erfolge zu erringen? Mit einem Wort – ich sehe nichts vorher, als ruhmlose Gefahren, verfehltes Streben – und ein klägliches Ende. Dies ist meine Ansicht. – Doch,« fuhr er fort, »deinen Entschluß mußt du selbst fassen, – und,« fügte er mit warmem Blick hinzu, »welchen Weg du auch erwählen magst, du wirst ihn mit Ehren gehen, und mein Segen wird mit dir sein.«

      Lange stand der junge Mann in schweigendem Nachdenken.

      »Ich bleibe hier!« sagte er dann, seinem Vater die Hand reichend, welche dieser herzlich schüttelte. – »Ich werde meinen Kameraden meinen Entschluß mitteilen, ich will mich nicht heimlich zurückziehen, sollte jemals ein Augenblick kommen, in welchem der König mit Aussicht auf Erfolg und unter günstigen und ehrenvollen Umständen sein Recht im Felde wiederzuerobern versteht, so bin ich da und werde dann bei einem Aufruf nicht fehlen. Für jetzt werde ich meinen Abschied nehmen.«

      Und erleichtert durch diesen Entschluß seufzte der junge Mann auf, ein heiteres Lächeln erleuchtete sein Gesicht.

      »Hast du Bergenhof genau geprüft?« fragte sein Vater nach einer Pause, »Haus und Hofgebäude haben mir wohl gefallen –«

      »Ich habe alles auf das Genaueste angesehen, Boden und Kultur sind gut, ich glaube, daß der Preis angemessen ist,« erwiderte der junge Mann.

      »So laß uns in diesen Tagen noch einmal hingehen,« sagte der Oberamtmann, »und dann wollen wir abschließen, mich drängt es, wieder eine wahre, wirkliche Heimat zu haben, und dann – kannst du ja bald deine junge Hausfrau heimführen,« fügte er freundlich hinzu und nahm den Arm seines Sohnes, um seinen vom Podagra etwas schwerfällig gewordenen Gang zu unterstützen.

      Beide verließen das Zimmer des Oberamtmanns, um sich in den Salon der Damen zu begeben.

      Fast ähnlich waren die Zimmer der Frau von Wendenstein in dem gemieteten Hause zu Hannover den Räumen im alten Hause zu Blechow. Es waren zum Teil dieselben alten Möbel, es war überall dieselbe stille, einfache, saubere Traulichkeit, welche die sanft waltende Hand der alten Dame um sich her geschaffen hatte.

      Helene war gekommen, um Einkäufe für ihre Ausstattung zu machen, und in diesem stillen Familienkreise blühte inmitten der großen Katastrophe, welche die Welt aus den Fugen riß, ein friedliches, selbstgenügendes Glück auf, das nur leicht beschattet wurde von den Wolken der Zeit.

      Frau von Wendenstein saß in ihrem Lehnstuhl, freundlich lächelnd blickte sie auf die jungen Mädchen, welche verschiedene vor ihnen liegende Stoffe musterten.

      Mit innigem Ausdruck blickte Frau von Wendenstein auf ihre künftige Schwiegertochter, deren sinnende Augen mehr inneren Bildern zu folgen schienen, als die vor ihr ausgebreiteten Muster zu betrachten. Das junge Mädchen war schöner als früher, ein Licht reinen Glücks verklärte ihre zarten Züge mit duftigem Hauch, aber es war nicht das lachende Glück des frischen, fröhlichen Augenblicks, es war ein träumender Ausdruck sinnigen Seelenlebens, der in wunderbarem Glanz aus den klaren Tiefen ihres Auges heraufschimmerte.

      Der Oberamtmann mit seinem Sohne trat ein.

      Ein flüchtiges Rot überzog Helenens Wangen. Der Leutnant führte seinen Vater zu einem Lehnstuhl neben seiner Mutter und küßte dann zärtlich und innig die Hand seiner Braut, welche mit strahlendem Blick zu ihm aufschaute.

      »Nun,« sagte der Oberamtmann mit heiterem Lächeln, »ich hoffe, wir werden bald mit unseren Vorbereitungen fertig sein, beeilt also die euren, ich stehe in Unterhandlung wegen des Gutes Bergenhof, nicht zu weit von unserer alten Heimat in Blechow und von unserem Freund Berger, sobald ich abgeschlossen, wollen wir den Kindern da ihr Nest bauen.«

      Errötend senkte Helene das Haupt.

      »Wir werden fertig sein,« sagte Frau von Wendenstein mit einem leichten Anklang milden Selbstbewußtseins, »du weißt ja, daß ich gewöhnt bin, meinen pünktlichen Herrn Gemahl niemals warten zu lassen,« fügte sie lächelnd hinzu.

      »Zuweilen auch ihn zu übertreffen und mit ihm zu schmollen, wenn er nicht zur rechten Zeit fertig ist,« lachte der Oberamtmann.

      Der alte Diener öffnete die Tür und meldete:

      »Der Herr Kandidat Behrmann.«

      Der Oberamtmann stand auf und streckte dem eintretenden Kandidaten die Hand entgegen, der sie mit tiefer Verneigung ehrerbietig ergriff und dann die Damen und den Leutnant begrüßte.

      Nichts war verändert in dem Äußern des jungen Geistlichen Sein einfacher schwarzer Anzug war ebenso sauber und glatt als die Züge seines ruhigen Gesichts, die niedergesenkten Augenlider und die würdevolle Bescheidenheit seiner Haltung vereinigten sich zu einem Ausdruck geistlicher Ruhe und Zurückhaltung.

      »Ich komme nach Hannover,« sagte er mit leiser, salbungsvoller Stimme, »um mir meine Ernennung zum Adjunkten meines Oheims bestätigen zu lassen, welche in der Unruhe des vorigen Jahres noch nicht definitiv ausgefertigt wurde und bis jetzt immer im Zustande des Provisoriums erhalten ist. – Es ist traurig für mich,« fuhr er fort, »mit den Behörden der neuen Herrschaft verhandeln zu müssen, aber der Wunsch meines Oheims, diese Sache reguliert zu sehen –«

      »Und wie geht es dem lieben Freunde?« rief der Oberamtmann.

      »Seine Gesundheit ist vortrefflich,« antwortete der Kandidat, »aber sein Herz ist schwer bedrückt, er unterwirft sich, wie es christliche Pflicht ist, der Obrigkeit, die da Gewalt über uns hat, aber sein Herz und seine Liebe gehören dem verbannten Könige – und schwer trauert er über das Schicksal des Landes.«

      Der Oberamtmann blickte schweigend und düster zu Boden.

      »Der Oheim hat mir die herzlichsten Grüße für den Herrn Oberamtmann und seine Familie aufgetragen,« sprach der Kandidat, »und mir diesen Brief für Helene mitgegeben.«

      Er zog aus der