Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
Скачать книгу
Papier aus seiner Tasche hervorziehend.

      »Erlauben Sie,« unterbrach ihn Graf Bismarck mit leicht abwehrender Handbewegung, »Ihnen zu sagen, was ich auf diese Interpellation antworten werde.«

      Erwartungsvoll blickte Benedetti zu dem Grafen empor.

      »Ich werde sagen,« fuhr der Ministerpräsident fort, jedes Wort scharf betonend, »daß die preußische Regierung die Empfindlichkeit der französischen Nation, soweit dies mit ihrer eigenen Ehre vereinbar, auf das Äußerste zu schonen bestrebt sei, und daß auch in dieser Frage die gerechte Würdigung des Einflusses maßgebend sei, welchen die friedlichen und freundlichen Beziehungen zu einem mächtigen und ebenbürtigen Nachbarvolke auf die Entwickelung der deutschen Angelegenheiten ausüben muß.«

      Benedetti neigte leicht den Kopf. Sein Gesicht zeigte den Ausdruck erwartungsvoller Spannung.

      »Ich werde ferner erklären,« fuhr Graf Bismarck in demselben ruhigen und festen Tone fort, »die Staatsregierung habe keinen Anlaß, anzunehmen, daß ein Abschluß über das künftige Schicksal des Großherzogtums bereits erfolgt sei, ich werde erklären, die verbündeten Regierungen glauben, daß keine fremde Macht zweifellose Rechte deutscher Staaten und deutscher Bevölkerungen zu beeinträchtigen gesonnen sein könne, ich werde mich daher enthalten, auf die bestimmte Frage der Interpellation mit Ja ober Nein zu antworten, und die feste Zuversicht aussprechen, daß die Rechte Deutschlands werden gewahrt werden auf dem Wege friedlicher Verhandlungen und ohne Gefährdung der freundschaftlichen Beziehungen, in denen sich Deutschland bisher mit seinen Nachbarn befunden.«

      Benedetti hatte, während der Ministerpräsident sprach, mehrmals nachdenklich auf das Papier in seiner Hand geblickt.

      »Herr Graf –« sagte er.

      »Sie begreifen,« fuhr Graf Bismarck, ihn abermals in höflichstem Tone unterbrechend, fort, »daß nach dieser Erklärung, wie ich sie abgeben will, die freundschaftlichste Verständigung über die ganze Frage nach allen Seiten offen bleibt, der Kaiser wird Gelegenheit haben, über die Angelegenheit – und ihre Konsequenzen,« fügte er mit Betonung hinzu – »nachzudenken, ohne durch die aufgeregte öffentliche Meinung Frankreichs beunruhigt zu werden, und ich zweifle nicht, daß bei den Gesinnungen, welche für Ihre Regierung ebenso maßgebend sein müssen, wie sie mich beseelen, dieser ganze Zwischenfall sich ebenso leicht als freundlich erledigen lassen wird.«

      »Gewiß, gewiß, lieber Graf,« sagte Herr Benedetti, »aber – mein Gott – diese Depesche, welche über den Abschluß des Vertrages –«

      Sie waren an das Ende des Durchganges gekommen.

      Graf Bismarck blieb stehen und sah den Botschafter, der das Papier in seiner Hand hin und her drehte, starr an.

      »Sie werden aber auch begreifen,« sagte er mit metallisch klingender Stimme, »daß ich jene Erklärung nicht abgeben kann, wenn ich eine Depesche empfangen habe, welche mir nicht erlaubt, mit gutem Gewissen zu versichern, daß ich über den Abschluß eines Vertrages nichts wisse –«

      »Mein Gott, Herr Graf,« rief Benedetti, »diese Depesche, lesen Sie wenigstens« und er hielt dem Grafen das Papier hin.

      Abermals streckte der Ministerpräsident abwehrend die Hand aus.

      »Sie begreifen,« sagte er kalt und ruhig, »daß wenn ich von dem Abschluß eines solchen Vertrages etwas weiß, ich dies nicht verschweigen kann, und dann,« fuhr er fort, sich hoch aufrichtend und den schneidigen Blick seines klaren Auges auf den Botschafter herabsenkend, »dann muß ich und werde ich hinzusetzen, daß die Ausführung eines solchen Vertrages nicht zugelassen werden wird, so lange das deutsche Volk in Waffen gegürtet an den nationalen Grenzen auf der Wacht steht!«

      Die schmächtige Gestalt des Botschafters bog sich in sich zusammen. Die sonst so gleichgültigen Züge seines Gesichts arbeiteten in heftiger Erregung – schlaff hing sein Arm mit dem verhängnisvollen Papier herab.

      »Nach einer solchen Erklärung aber,« sagte Graf Bismarck, »würden die zornig entflammten Gefühle beider Nationen sich gegenüber stehen, und welche Möglichkeit bliebe dann der Diplomatie, den Gang der Ereignisse zu beherrschen? – Eine solche Erklärung,« fuhr er fort, »wäre fast der Krieg – den ich nicht will, ebensowenig wie nach meiner Überzeugung der Kaiser!«

      »Wahr – wahr!« rief Benedetti, indem er in heftiger Bewegung einige Schritte hin und her tat, während der Blick des Grafen Bismarck stolz und fest auf ihm ruhte. – »O mein Gott, mein Gott, welche Verantwortung, welche entsetzliche Verantwortung! Kann ich eine Depesche, die ich offiziell erhalten, um sie zu übergeben, unterdrücken? – Können Sie mir raten –«

      »Ihnen einen Rat zu geben, habe ich nicht das Recht,« sagte Graf Bismarck, »ich habe Ihnen einfach gesagt, was ich erklären werde bei dem mir jetzt bekannten Stande der Sache – und, was ich erklären müßte, wenn ich auf offiziellem Wege anders als bisher über das Sachverhältnis unterrichtet würde. An Ihnen ist es, zu tun, was Sie für die höhere Pflicht gegen Ihren Kaiser und Ihr Land halten!«

      Benedetti ging unruhig hin und her. In tiefen Atemzügen arbeitete seine Brust– er zerknitterte fast das Papier in seinen Händen.

      »Es ist eine furchtbare Lage!« rief er, »ich wage meine Stellung – meine Zukunft!« lief er, »eine Depesche zu unterdrücken – das ist beinahe unmöglich – wenn der Kaiser –«

      »Mein lieber Botschafter,« sagte Graf Bismarck in ruhigem Tone, indem er einen Blick auf seine Uhr warf, »ich habe in der Tat keinen Augenblick mehr zu verlieren, die Sitzung muß schon begonnen haben – und ich möchte Sie bitten, mich nicht länger zu begleiten, denn ich bedarf der Augenblicke, welche mir die wenigen Schritte bis zum Reichstag noch übrig lassen, um mich zu sammeln. – Erlauben Sie mir daher nun die bestimmte Frage: »übergeben Sie mir eine Depesche? Ja oder Nein?«

      Benedetti stand einige Augenblicke schweigend in mächtigem, innerem Kampf, die Augen zu Boden gesenkt, mit zitternden Lippen. Graf Bismarck machte eine leichte Wendung zum Ausgang des Durchganges.

      »Ich nehme sie zurück,« sagte Benedetti tonlos und steckte das zerknitterte Papier wieder in seine Tasche.

      Ein heller Strahl erleuchtete das Auge des Grafen Bismarck. »Es ist gesagt!« sprach er ernst, »ein Wort bleibt ein Wort!«

      »Ich muß die Verantwortung tragen,« flüsterte Benedetti mit zitternder Stimme, und rasch die artig dargebotene Hand des Ministerpräsidenten drückend, wendete er sich und eilte gedankenvoll mit fast schwankenden Schritten die Leipzigerstraße hinab.

      Graf Bismarck aber ging langsam in militärisch fester Haltung dem Reichstagsgebäude zu, freundlich die Grüße der Vorübergehenden erwiedernd, denn jetzt blieben sie stehen und blickten ihm nach voll Bewunderung und sympathischer Teilnahme, diese guten Berliner, die früher für ihn nur Blicke voll Zorn und Unmut hatten. Der feudale Junker, der Anstifter aller Unruhe und alles Unheils, der Preußen herausgeführt hatte an die Spitze Deutschlands, begann vor ihren Augen emporzuwachsen zu dem mächtigen Erbauer des neu sich einenden Reichs, und der Hauch der Zukunft begann die Herzen zu erfüllen mit seinem mächtigen Wehen.

      »Vielleicht habe ich in diesem Augenblick den Frieden der Welt erhalten,« sprach Graf Bismarck leise und sinnend vor sich hin, als er die wenigen Stufen zum Eingang des damaligen Sitzungsgebäudes des Reichstags emporstieg. – »Ruhm und schnelle Vollendung meiner Lebensaufgabe konnte der Krieg bringen, aber die Erhaltung von tausend und abertausend Menschenleben ist wohl des Wartens wert. Gott möge die Eiche der deutschen Macht und Herrlichkeit erwachsen lassen, wenn es möglich ist, ohne daß sie gedüngt werden darf mit neuen Strömen von Blut und Tränen!«

      Neuntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      In einem freundlichen und geräumigen Hause am Friedrichswall, jener breiten Avenue, welche, vom alten Schlosse in Hannover ausgehend, an den schönen, sogenannten Maschwiesen hinführt, an einer Seite nur