Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
Скачать книгу
er mit freundlichem Lächeln den Blick auf dem ernsten Antlitz des Generals ruhen ließ.

      »Es ist nicht Vermessenheit oder übergroßes Selbstbewußtsein, Majestät,« erwiderte General von Moltke ruhig, »die französische Armee ist mitten in einer Umformung begriffen – und das ist der schlimmste Zustand für die Schlagfertigkeit einer Truppe, außerdem aber sind sie dort, wie ich meine, so vollständig unfähig, sich der Taktik der heutigen Kriegführung anzupassen, daß ich hoffe, meines Erfolges sicher zu sein, und muß es einmal zum Kriege kommen, wie ich es auch fast glaube, so wünsche ich ihn lieber heute wie morgen, denn je länger es dauert, je mehr Zeit hat der Marschall Niel, der einzige wirklich organisatorische Feldherr, den sie dort haben, seine Gedanken und Pläne auszuführen.«

      »Sie machen große Anstrengungen in Frankreich,« sagte der König nachdenklich, »um ihre Armee zu reformieren, und unsere Erfahrungen für sich zu benutzen.«

      »Mögen sie machen, was sie wollen, Majestät!« rief Graf Bismarck lebhaft, »eines können sie uns nicht nachmachen – das ist der preußische Sekondeleutnant!«

      »Graf Bismarck hat vollkommen recht,« sagte General Moltke mit feinem Lächeln, »um solche Offizierkorps zu schaffen, wie die unsrigen, dazu gehören Jahrhunderte – eine Reihe von Regenten, wie wir sie gehabt –«

      »Und,« unterbrach der König lächelnd, »eine Reihe von Generalen, wie mein Haus sie fand – Winterfeldt – Scharnhorst – Moltke –«

      »Und auch ein wenig, Majestät,« sagte Graf Bismarck, »das Material der vielverschrienen preußischen Junker –«

      »Welche den Gehorsam lernen und die Treue nie vergessen!« sagte der König freundlich nickend.

      »Ich freue mich ungemein, Majestät,« sprach Graf Bismarck nach einer augenblicklichen Pause, »daß General von Moltke so klar und sicher die Chancen des Krieges ins Auge faßt, denn je weniger wir den Konflikt zu scheuen haben, um so sicherer werden wir ihn vermeiden. – Doch,« fuhr er fort, »ich möchte, mit Eurer Majestät Erlaubnis, die Gelegenheit zur sofortigen und vorläufigen Erörterung einer weiteren Frage benutzen. Eure Majestät wissen, daß Holland schon seit dem vorigen Jahre das deutsche Besatzungsrecht von Luxemburg beseitigt wünscht, man fingiert dort Besorgnisse, welche man wohl in der Tat nicht hat, welche indes auch jetzt wieder den Prätext zu dem vorliegenden Handel geben, und welche vielleicht auf die Kabinette nicht ohne Einfluß bleiben, um so mehr, als die staatsrechtliche Stellung der Festung Luxemburg nach der Auflösung des deutschen Bundes verändert und diskutabel ist, auch Frankreich wird nicht verfehlen, unsere Besatzung von Luxemburg als eine Bedrohung darzustellen. – Da ich es nun,« fuhr er fort, »für einen richtigen und notwendigen Grundsatz halte, bei dem Beginn einer Negoziation sich darüber klarzuwerden, welche Konzessionen man etwa im Laufe der Verhandlungen machen wolle und könne, und da es in diesem Falle sehr wesentlich ist, auch den Schein einer Bedrohung des europäischen Friedens, den Frankreich so gern auf uns werfen möchte – abzuweisen, so möchte ich die Frage aufwerfen, ob Luxemburg als Festung für das Verteidigungssystem Deutschlands notwendig sei? – Wäre dies nicht der Fall, so würde es uns noch leichter werden, die Kabinette vollständig auf unsere Seite zu bringen und Frankreich zu isolieren.«

      Der König warf ernst einen fragenden Blick auf den General.

      »Die Festung Luxemburg,« sagte dieser ruhig und bestimmt, »darf niemals in französischen Händen sein, sie würde uns sehr hinderlich werden, wir unsererseits aber bedürfen ihrer nicht, nötigenfalls könnte man sie durch ein festes Lager bei Trier ersetzen, aber auch das ist nicht nötig, unsere Festungen genügen vollkommen.«

      »So daß also die vollständige Beseitigung Luxemburgs als Festung kein Bedenken hätte?« fragte Graf Bismarck.

      »Keines!« sagte der General.

      »Das müßte aber doch noch sehr genau erwogen werden,« sagte der König bedenklich und zögernd.

      »Eure Majestät werden gewiß nicht glauben,« rief Graf Bismarck, »daß ich Konzessionen entgegentragen werde, man muß nur klar darüber sein, ob Zugeständnisse überhaupt möglich sind, welche hier unter Umständen unsere politische Stellung sehr verbessern können, und das dürfen wir nicht außer acht lassen, schon wegen der Süddeutschen.«

      »Sollten sie zweifeln können,« rief der König, »ob hier der casus foederis vorliege?«

      »Bei der Besatzungsfrage der Festung,« sagte Graf Bismarck achselzuckend, »möchte ich nicht gewiß nein sagen, eine Frage der Abtretung nationalen Gebietes – das ist etwas anderes, das ist eine deutsche Ehrensache, und daß sie als solche von der Nation erkannt und erfaßt werde, dafür kann gesorgt werden!«

      »So gehen Sie denn ans Werk, mein lieber Graf,« sagte der König, »ich billige den von Ihnen genommenen Standpunkt, behalte mir aber für die weiteren Phasen – namentlich für Konzessionen – meine Entschließungen vor. – Sie, General von Moltke, bitte ich, die einschlagenden militärischen Fragen zu ausführlichem Vortrag vorzubereiten, den Sie mir morgen in Gegenwart des Kronprinzen halten sollen. – Und lassen Sie Goeben kommen!« fügte er hinzu.

      »Zu Befehl, Majestät!« sagte der General.

      Der König grüßte freundlich, und beide Herren verließen das Kabinett.

      Siebentes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Empfangssalons des Auswärtigen Amtes in Berlin waren hell erleuchtet – es war einer jener Abende, an welchen der Kanzler des Norddeutschen Bundes die Mitglieder des Reichstages, die Herren der Diplomatie und alles empfing, was es in der Berliner Gesellschaft, im Zivil- und Militärdienst, in der Finanzwelt, in Kunst und Wissenschaft Hervorragendes gab.

      Eine zahlreiche Gesellschaft bewegte sich in den mit einfacher Gediegenheit ausgestatteten Räumen. – Hohe Offiziere aller Waffen belebten durch ihre glänzenden Uniformen die Eintönigkeit des schwarzen Fracks der Herren vom Zivil, die Diplomaten mit bunten Bändern und funkelnden Sternen standen teils in flüsternden Gruppen zusammen, teils durcheilten sie die Säle, hier und da einen bekannten Deputierten anredend und aus einem Gespräch über die innere Lage Notizen sammelnd für ihre Berichte, welche dann je nach der mehr oder minder scharfen Auffassungs- und Kombinationsgabe den fremden Höfen ein mehr oder minder treues Bild von den Verhältnissen des politischen Lebens in Berlin übermittelten.

      Trotz der zahlreichen Menge, welche bereits die Säle füllte, rollten immer noch neue Equipagen vor das große Tor des Hotels und zwischen ihnen traten noch immer neue Fußgänger ein, denn niemand von denen, welche eine Einladung erhalten, wollte fehlen bei diesen Soireen, bei denen man die politischen und parlamentarischen Größen sehen und sprechen konnte in leichter und ungezwungener Unterhaltung, und wo man hoffen durfte, vielleicht einen Blick in das geheime Weben und Treiben der großen politischen Maschine zu tun, welche die Welt bewegte.

      In dem ersten Salon stand Graf Bismarck, die Eintretenden begrüßend, bald mit würdevoller Artigkeit einige Worte mit einem Mitgliede des Corps diplomatique wechselnd, bald in kordialer Herzlichkeit einem Deputierten des Reichstages die Hand drückend – er trug die Kürassieruniform, ungetrübte Heiterkeit lag auf seinem charaktervollen, ausdrucksreichen Gesicht.

      Eben hatte er einen kleinen Mann von unscheinbarer, schwächlicher Gestalt mit scharfem, intelligentem Gesicht begrüßt, aus dessen lebhaften, dunklen Augen jener feine jüdische Verstand leuchtete, welcher bei den Nachkommen des auserwählten Volkes mit so überraschender Schärfe sich in der Beurteilung der Fragen der Wissenschaft und Politik zeigt, nachdem er, jahrhundertelang gezwungen, sich ausschließlich dem Handelsleben zuzuwenden, dieses seiner Herrschaft unterworfen.

      »Ich freue mich, Sie zu sehen, Herr Doktor Lasker,« sagte der Graf mit verbindlicher Artigkeit, »hoffentlich finden wir später noch Gelegenheit, einige Worte zu wechseln, ich möchte Sie gern von Ihrer Opposition bekehren,« fügte er lächelnd und mit dem Finger drohend hinzu.

      Doktor