Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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»welche gewaltigen, tiefen Erschütterungen und Veränderungen hat sie gebracht – einen unberechenbaren Schritt hat die Weltgeschichte gemacht in der kurzen Spanne weniger Wochen! – Und – sonderbar,« fuhr er fort, »wenn sonst gewaltige Umwälzungen sich vollzogen, so war es der Arm der Jugend, welchen die Vorsehung sich zum Werkzeug ausersah, jetzt aber bin ich, ein alter Mann, dazu bestimmt, so Mächtiges und Außergewöhnliches auszuführen.«

      »Majestät,« rief der Hofrat, »der König von Preußen wird niemals alt – denn im umgekehrten Sinne wie Ludwig XIV. kann er von sich sagen: le roi c'est l'état, und der preußische Staat ist immer jung, denn er verkörpert sich in der stets frischen Jugendblüte der Armee!«

      »Ihre Königliche Hoheit die Frau Herzogin Wilhelm von Mecklenburg!« meldete der diensttuende Kammerdiener und öffnete auf einen Wink des Königs den Flügel der Türe.

      Die frische, jugendliche Herzogin, Prinzeß Alexandrine von Preußen, trat ein.

      Rasch eilte sie auf den König zu und küßte ihm in kindlicher Ehrerbietung die Hand, dann nickte sie freundlich dem Geheimen Hofrat zu, der sich tief verneigte.

      »Ich bringe Eurer Majestät einige der Photographien von den Damen, welche am Reiterfeste mitgewirkt haben,« sagte die Herzogin, indem sie eine kleine Mappe öffnete, die sie in der Hand trug, während der König freundlich sein Auge auf der schönen, lieblichen Erscheinung ruhen ließ.

      »Schneider hat mir soeben die Kostümbilder vorgelegt,« sagte der König, »und wird,« fügte er lächelnd hinzu, »mit seiner gewohnten Gewandtheit und Genauigkeit eine Beschreibung der Sache aufsetzen zum Gedächtnis dieses schönen Festes, für dessen Arrangement ich auch dir, liebe Alexandrine, nochmals herzlich danke.«

      Die Herzogin verneigte sich und warf dann einen Blick auf die Zeichnungen.

      »Vortrefflich!« rief sie, »da werden wir nur die Köpfe nach den Photographien hineinfügen dürfen, und wir werden herrliche Bilder haben.«

      Sie zog eine Anzahl Photographien aus ihrer kleinen Mappe und reichte sie dem Geheimen Hofrat.

      Eine behielt sie in der Hand und betrachtete sie sinnend.

      »Da habe ich auch,« sagte sie mit etwas unsicherer Stimme, indem sie einen schüchternen Blick auf den König warf, »eine Photographie der Königin von Hannover erhalten, Eure Majestät wissen, wie sehr ich die hannoversche Familie liebe, die Königin ist ganz weiß geworden.«

      Stumm streckte König Wilhelm die Hand aus und ergriff die Photographie, welche die Herzogin ihm reichte.

      Der Geheime Hofrat blickte mit bewegtem Ausdruck forschend auf den König.

      Der König betrachtete lange schweigend das Bild. Seine Züge nahmen eine unendliche Weichheit und Milde an.

      »Arme, arme Königin!« sagte er leise, »sie hat Schweres zu tragen! – O wie traurig ist es, daß jeder große Fortschritt in der Geschichte so viel Leiden mit sich bringen muß! – Wie gerne würde ich dieser königlichen Familie ihr Los erleichtern und ihr eine Existenz schaffen, die ihrer würdig ist und ihr eine große und schöne Zukunft bietet, leider, leider wird mir dies durch die unversöhnliche Haltung des Königs Georg so sehr erschwert. – Verbietet er doch der Königin noch immer, die Marienburg zu verlassen, wo sie sich in einer so falschen Position befindet und ihr Schicksal schmerzlicher empfindet als irgendwo!«

      Große Tränen fielen aus den Augen der Herzogin.

      »Mein Gott!« rief sie, »ich kann Eurer Majestät nicht sagen, wie schmerzlich es mir ist, an die arme Königin auf der Marienburg zu denken, wenn ich mich erinnere, wie ich vor zwei Jahren mit meinem Bruder dort war, als wir von Norderney zurückkamen, wie schöne Stunden wir dort in dem glücklichen Familienkreise verlebten – mit welchen Wünschen und Hoffnungen ich von dort abreiste,« fügte sie seufzend hinzu, »und nun! – Man wird doch nichts Unangenehmes gegen die Königin tun?« fragte sie mit bittendem Tone.

      Mit einem Blick voll Adel und Hoheit erwiderte König Wilhelm:

      »Ich war Prinz und Offizier, bevor ich König wurde, und niemals werden die Rücksichten vergessen werden, welche man einer Dame, einer verwandten – und unglücklichen Fürstin schuldig ist,« fügte er mit Betonung hinzu. – »Die Königin wird sich eben darein finden müssen,« fuhr er ernst fort, »daß sie mein Gast ist, und die Sicherheit des Staates erfordert es, Vorkehrungen zu treffen, daß ihre Anwesenheit von der welfischen Agitation nicht als Vorwand oder Stützpunkt benutzt werde. – Könnte man doch,« fuhr er fort, »auf den König Georg wirken, daß er die Königin abreisen läßt, direkt kann ich nichts dazu tun –«

      Die Herzogin sann nach. – »Ich wußte,« rief sie, »daß Eure Majestät stets groß und edel handeln würden, möchte es doch möglich sein, ein wenig versöhnend auf den König Georg einzuwirken, vielleicht –«

      »Doch nun,« sagte der König, »stelle ich Schneider für das Arrangement der Bilder zu deiner Disposition, nimm ihn mit – und führt alles recht hübsch und präzise aus!«

      Das Gesicht der Herzogin hatte seine ganze frische Heiterkeit wiedergefunden. Mit schalkhaftem Lächeln blickte sie auf den alten Vertrauten des Königlichen Hauses.

      »Ich weiß nicht,« fugte sie, »ob der Herr Geheime Hofrat gern mit mir zu tun hat, ich habe ihm viel zu schaffen gemacht – früher im Garten von Sanssouci, wenn er zum König kam, nicht wahr,« sagte sie mit scherzender Frage, »ich war zuweilen eine recht unartige kleine Prinzeß?«

      Der Hofrat verneigte sich gegen den König und sagte mit einer feierlichen Stimme:

      »Eure Majestät würden es vermessen finden, wenn ich wagte, Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Herzogin vor Allerhöchstdenselben ein Dementi zu geben!«

      »Immer der Alte!« rief die Herzogin, »›mit ihm muß man nicht anbinden,‹« sagte schon der hochselige König –«

      »Adieu!« rief König Wilhelm lachend.

      Die Herzogin küßte ihm die Hand und verließ das Kabinett; mit tiefer Verneigung gegen den König folgte der Geheime Hofrat.

      »Minister von Schleinitz steht zu Befehl,« meldete der Kammerdiener.

      Der König neigte zustimmend das Haupt, der Minister des Königlichen Hauses trat ein, eine schlanke, jugendlich elastische Gestalt mit vollem dunkelschwarzen Haar und Schnurrbart, weder in seinem Aussehen noch in seiner Haltung das Alter von fast sechzig Jahren verratend, in welchem er damals stand. Er trug den blauen Interimsfrack der Minister mit dem schwarzen Samtkragen, auf der Brust den goldenen Stern der Großkreuze vom roten Adler.

      »Guten Morgen, lieber Schleinitz!« sagte der König freundlich, »wie geht es Ihnen, was macht Ihre Frau? – und die Fürstin Hatzfeld?«

      »Ich danke Eurer Majestät untertänigst,« erwiderte Herr von Schleinitz, »für die gnädige Frage, es geht alles bei mir nach Wunsch –«

      »Machen Sie den Damen mein Kompliment,« sagte der König verbindlich, »und nun, haben Sie den Vertrag festgestellt?«

      Herr von Schleinitz zog ein Papier aus seinem Portefeuille.

      »Zu Befehl, Majestät!« sagte er, »der Heiratsvertrag zwischen Seiner Königlichen Hoheit dem Grafen von Flandern und Ihrer Hoheit der Prinzessin Marie von Hohenzollern ist nunmehr ganz nach der letzten Fassung, die ich Eurer Majestät vorgelegt habe, von Seiner Hoheit dem Fürsten und dem Baron Nothomb genehmigt, und wenn Eure Majestät demselben nun die Allerhöchste Approbation geben, so kann ich ihn morgen mit Nothomb unterzeichnen – die Vermählung ist auf den 25. April angesetzt, am 23. will des Königs der Belgier Majestät mit dem Grafen von Flandern hier eintreffen, wie Eure Majestät dann noch spezieller durch das Auswärtige Amt erfahren werden.«

      »Wenn der Fürst von Hohenzollern einverstanden ist, und Belgien ebenfalls,« sagte der König, indem er den Vertrag leicht durchflog, »so ist ja alles in Ordnung – das ist ja eine Fürstlich Hohenzollernsche Familienangelegenheit, in die ich mich nur, soweit das die Form erfordert, als Chef des Gesamthauses