Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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diese mir ferner liegenden Fragen, welche ja in keiner Weise einen akuten Charakter haben, zu verfolgen. – Ich lese,« fuhr er mit einem fast unmerklichen Zucken der Augenwinkel fort, »niemals die Korrespondenz des Gesandten in Konstantinopel.«

      Ein Zug von Überraschung und Erstaunen fuhr über das glatte Gesicht Benedettis und ein augenblickliches, schnell unterdrücktes Lächeln spielte um seine Lippen.

      »Sollten Sie den Auftrag haben,« fuhr Graf Bismarck fort, »über irgendeine spezielle Frage des Orients meine Ansicht zu erfahren, so müßte ich Sie bitten, diese Frage zu präzisieren und mir die Zeit zu lassen, mich damit zu beschäftigen.«

      »Einen solchen Auftrag habe ich durchaus nicht,« sagte der Botschafter, »indes das Interesse, welches alle Mächte an diesen Fragen haben müssen –«

      »Wenn Rußland übrigens wirklich irgendwelche Schritte im Orient beabsichtigte oder vorbereitete,« sagte Graf Bismarck, »so würden doch die Interessen anderer Mächte vorzugsweise und in erster Linie engagiert sein, und,« fügte er hinzu, indem er sich emporrichtete und einen scharfen und festen Blick auf den Botschafter richtete, »daß schließlich nichts ohne Deutschlands Wissen und Zustimmung geschehen würde, versteht sich von selbst.«

      Benedetti schwieg.

      »Es ist mir lieb, daß Sie gekommen sind,« sagte Graf Bismarck nach einer kurzen Pause im ruhigsten Tone, »Sie können mir vielleicht ein Rätsel lösen, das ich nicht recht durchschaue.«

      Benedetti verneigte sich leicht und blickte den Ministerpräsidenten erwartungsvoll an. »Graf Bylandt,« fuhr Graf Bismarck fort, indem er das Auge voll aufschlug und den französischen Diplomaten mit unbeweglichem Blick ansah, »Graf Bylandt hat uns die guten Dienste des holländischen Kabinetts angeboten für die dort vorausgesetzten Verhandlungen, welche wir mit Frankreich über das Großherzogtum Luxemburg zu führen haben würden.«

      Das farblose Gesicht des Botschafters wurde um eine Nuance blässer, ein jäher Blitz zuckte aus seinem Auge – schnell senkte er den Blick zu Boden und sprach mit leichtem Beben der Lippen:

      »Graf Bylandt, – die niederländische Regierung, – Luxemburg – ich weiß in der Tat nicht –«

      »Auch der König von Holland,« fuhr Graf Bismarck fort, »hat unserem Gesandten Konfidenzen über ähnliche Verhandlungen gemacht.«

      »Der König von Holland!« rief Benedetti in einem von Unwillen und Erstaunen gemischten Ton.

      »Vielleicht können Sie mir den Schlüssel zu diesen Mitteilungen geben,« sagte Graf Bismarck immer in gleich ruhigem Ton, »die mir nicht vollkommen klar sind, da mir von irgendwelchen Verhandlungen über Luxemburg nichts bekannt ist.«

      Herr Benedetti hatte seine vollkommene Ruhe und Fassung wieder gewonnen und erwiderte, ohne eine Muskel seines Gesichts zu bewegen, den fest auf ihm haftenden Blick des Grafen Bismarck.

      »Ich bin in der Tat,« sagte er, »in diesem Augenblick außer stande, eine genügende Aufklärung zu geben, ich werde indes sogleich nach Paris schreiben und Ihnen die Antwort mitteilen.«

      »Ich bin gespannt, sie zu hören,« sagte Graf Bismarck ruhig und kalt.

      »Es möchte vielleicht,« fuhr der Botschafter fort, »sehr zweckmäßig sein, wenn ich imstande wäre, sogleich Ihre Ansicht über den Fall dort mitzuteilen.«

      »Meine Ansicht?« fragte Graf Bismarck langsam, »es wird mir kaum möglich sein, dieselbe festzustellen, da mir die Basis dazu fehlt, jedenfalls aber steht es bei mir schon heute fest, daß der König von Holland, oder vielmehr der Großherzog von Luxemburg, da man ja im Haag diese beiden Personen so scharf von einander scheidet,« fügte er lächelnd hinzu, »daß der Großherzog von Luxemburg kein Recht hat, über die Souveränitätsrechte im Großherzogtum zu disponieren ohne Kenntnis und Mitwirkung der Mächte, welche die Stellung dieses Landes in den Verträgen von 1839 geregelt und garantiert haben.«

      Benedetti konnte einen Ausdruck peinlicher Betroffenheit nicht verbergen.

      »Es wird also,« fuhr Graf Bismarck fort, »wenn jene Verhandlungen wirklich bestehn sollten, eine Konferenz jener Mächte erforderlich sein, was ja auch gewiß ganz den Ansichten des Kaisers, Ihres Herrn, entsprechen muß, der stets dazu neigt, die schwebenden Fragen der Entscheidung des europäischen Areopags zu unterbreiten.«

      Der Botschafter preßte die Lippen zusammen.

      »Also würden Sie eine Konferenz vorschlagen?« fragte er lebhaft.

      »Ich?« rief Graf Bismarck verwundert, »wie sollte ich dazu kommen? Will denn ich etwas an dem status quo des Großherzogtums ändern? Ich bin ja zufrieden, wenn alles bleibt, wie es ist!«

      »Aber Ihre Stellung zu der Frage, die Stellung Preußens?« rief Benedetti mit einer schwer unterdrückten Nüance von Ungeduld in der Stimme.

      »Preußen?« fragte Graf Bismarck, »Preußen hat kaum eine Stellung zu derselben, im jetzigen Stadium, Deutschland – der norddeutsche Bund,« fügte er langsam hinzu, »das ist etwas anderes.«

      »Herr Graf,« sagte Benedetti wie einem raschen Entschluß folgend, »sprechen wir offen; wenn jene Verhandlungen bestünden, worüber ich ja wohl bald Nachricht haben werde, wenn der König von Holland entschlossen sein sollte, Luxemburg an Frankreich abzutreten, wie würden Sie diese Arrondierung der französischen Grenzen auffassen, welche doch,« fügte er lächelnd hinzu, »verschwindend klein erscheint gegen die Ausdehnung, welche die preußische Macht im vorigen Jahre gewonnen hat?«

      Graf Bismarck drückte die Fingerspitzen aneinander und sprach nach einem kurzen Nachdenken:

      »Sie vergessen, mein lieber Botschafter, daß ich nicht mehr auswärtiger Minister Preußens bin, sondern Kanzler des norddeutschen Bundes, und daß ich also in einer Frage, welche Deutschland angeht,« sagte er mit Betonung, »keine Ansicht aussprechen kann, ohne die Mitglieder des Bundes befragt zu haben. Außerdem –«

      »Außerdem?« fragte Benedetti.

      »Die staatsrechtliche Stellung Luxemburgs zu Deutschland,« sagte Graf Bismarck, »ist durch die Auflösung des deutschen Bundes wesentlich alteriert, sie ist zweifelhaft, Limburg geht uns nichts mehr an, in Luxemburg ist das Besatzungsrecht der Festung der status qou, der jedenfalls nicht ohne weiteres geändert werden darf, aber anstelle der staatsrechtlichen Beziehungen Luxemburgs zu Deutschland sind die nationalen Beziehungen wesentlich in den Vordergrund getreten.«

      Benedetti sah den Ministerpräsidenten mit großen Augen an.

      »Sehen Sie, mein lieber Botschafter,« fuhr jener fort, »die Ereignisse des letzten Jahres haben den nationalen Stolz und die nationale Empfindlichkeit der Deutschen sehr lebhaft erregt, ich bin, wie ich schon bemerkte, nicht mehr preußischer Minister, sondern Kanzler des norddeutschen Bundes, ich habe daher die Verpflichtung, das deutsche Nationalgefühl in Rechnung zu ziehen, und ich weiß nicht, ob die öffentliche Meinung in Deutschland über diese luxemburger Frage, wenn sie ernstlich auftauchen sollte, ebenso zweifelhaft sein wird, als es das Staatsrecht vielleicht sein könnte.«

      »Aber diese öffentliche Meinung weiß nichts davon!« warf Benedetti ein.

      »Was wollen Sie!« sagte Graf Bismarck in leichtem Tone, »da man im Haag einmal angefangen hat, davon zu sprechen, so werden morgen alle öffentlichen Blätter davon voll sein. Ich selbst weiß nicht, ob ich es jetzt verantworten kann, die Sache der öffentlichen Meinung vorzuenthalten, der Reichstag ist versammelt – und wenn er sich der Frage bemächtigt –«

      Benedetti rieb sich mit einiger Ungeduld die Hände.

      »Wenn ich Sie recht verstehe,« sagte er, »so müssen Sie die Feststellung Ihrer Meinung abhängig machen –«

      »Von der Ansicht der Mächte, welche die Verträge von 1839 unterzeichnet haben,« sagte Graf Bismarck ruhig, indem er bei jedem Satz einen Finger seiner linken Hand mit der rechten berührte, »von den Entschlüssen unserer deutschen Bundesgenossen, von der öffentlichen Meinung, und,« fügte er hinzu, »von den Beschlüssen des Reichstags, wenn derselbe die Frage