Und ihrerseits ergriff sie die Hand der Madame Musard und drückte sie herzlich.
»Die Pferde gehören Ihnen,« sagte diese, »aber ich mache eine Bedingung –«
Die Marchesa neigte verbindlich das Haupt.
»Daß wir,« sagte Madame Musard mit anmutigem Lächeln, »uns nicht zum letzten Male gesehen haben, daß es mir erlaubt sei, zu versuchen, auch meinerseits Ihnen ein wenig von den sympathischen Gefühlen einzuflößen, welche ich für Sie empfinde.«
»Es wird mir stets eine Freude sein,« erwiderte die Marchesa mit leichter Zurückhaltung, »Sie bei mir zu sehen.«
Madame Musard schien die Nuance abwehrenden Stolzes, welche in dieser Antwort lag, nicht bemerken zu wollen und sagte mit verbindlichem Lächeln:
»So werde ich unendlich mehr gewinnen, als ich an meinen Pferden verliere!«
»Doch, Madame,« sagte die Marchesa aufstehend, »es bleibt noch eine Frage zu erledigen – der Preis –«
»Unsere Freundschaft ist noch zu jung,« unterbrach sie Madame Musard, »als daß ich wagen dürfte, Ihnen das Gespann als einen Beweis derselben anzubieten, ich glaube, daß ich zehntausend Franken für jedes Pferd bezahlt habe, mein Intendant wird die Rechnung aufstellen und ich werde die Ehre haben, sie Ihnen zu präsentieren.«
»Also, das Geschäft ist abgemacht,« sagte die Marchesa mit freundlichem Lachen, »o wie freue ich mich, endlich eine anständige Equipage zu haben!«
Und sie klatsche in kindlicher Freude in die Hände.
»Ich habe nicht wagen dürfen,« sagte Madame Musard, »Ihnen meine Pferde anzubieten, aber ein kleines Andenken an unsere erste Bekanntschaft müssen Sie mir erlauben, Ihnen zu überreichen.«
Und sie pflückte von der Jardiniere, welche hinter dem Sofa stand, auf welchem die Marchesa gesessen, eine prachtvolle halberblühte Moosrose und reichte sie der jungen Frau.
»Die Königin der Blumen der Königin der Schönheit,« sagte sie lächelnd.
»Wie reizend!« rief die Marchesa, indem sie leicht den Duft der Rose einsog und die Blume dann unter ihrer Mantille an die Brust steckte.
»Ich bin beschämt,« sagte sie, »ich habe nur gebeten und Sie geben mir mit vollen Händen. – Auf Wiedersehen, Madame, – auf Wiedersehen!« Sie drückte abermals Madame Musard herzlich die Hand und wendete sich zur Tür.
Madame Musard begleitete sie bis zur Schwelle und verabschiedete sich mit dem liebenswürdigsten Lächeln.
Der Kammerdiener schritt der Marchesa voran bis an ihren Wagen.
»Ins Bois de Boulogne!« rief sie dem Lakaien zu – und rasch rollte der Wagen davon.
»Ich glaube, ich habe reüssiert,« sagte Frau Antonie, mit zufriedenem Lächeln sich in die weichen Kissen zurücklehnend, »zehntausend Franken,« flüsterte sie mit zufriedenem Blick, »das macht dreißigtausend Franken Überschuß, das Geschäft war gut, es ist immer nützlich, etwas eigenes für alle Fälle zu haben!«
Madame Musard aber blieb nachdenklich in ihrem Salon stehen, als die Marchesa sie verlassen. Der lächelnde Ausdruck verschwand von ihren Zügen, in tiefem Ernst ging sie mehrmals auf und nieder.
»Der Himmel hat mir diese naive, plauderhafte Marquise gesendet!« rief sie, »welch ein gefährliches Beginnen, welches Glück, daß ich zur rechten Zeit Kenntnis von den drohenden Gefahren erhielt! – Wenn es noch zur rechten Zeit ist?« sagte sie, düster vor sich hinblickend.
Schnell trat sie an ihren Schreibtisch, setzte sich nieder und in fliegender Hast schrieb sie, zuweilen anhaltend und nachdenkend, bis die vier Seiten eines großen englischen Briefbogens voll waren. Dann schloß sie den Brief in eine doppelte Enveloppe, verschloß dieselbe mit einem kleinen Siegel, das sie aus einem geheimen Fach ihres Sekretärs nahm, und schrieb die Adresse darauf: Herrn Mansfeldt, im Haag.
Sie rührte leicht die Glocke.
Der Kammerdiener trat ein.
»Sie müssen mit dem nächsten Zug nach dem Haag reisen!«
»Zu Befehl, Madame.«
»Diesen Brief persönlich an seine Adresse!«
Der Kammerdiener empfing schweigend den Brief, verneigte sich und verließ den Salon.
»Nun gebe Gott, daß es nicht zu spät ist!« rief Madame Musard. Und sie ging in ihr Ankleidezimmer, um ihre Toilette für die Fahrt ins Bois de Boulogne zu machen.
Fünftes Kapitel.
Am Morgen des 27. März saß Graf Bismarck vor dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers. Vor ihm lagen eine Reihe eingegangener Berichte, welche er teils flüchtig durchblätterte und schnell beiseite legte, teils aufmerksam durchlas, von Zeit zu Zeit den Blick nachdenklich vor sich hin richtend.
»Weltausstellung, Versicherungen der freundlichen Gesinnungen des Kaisers und seiner Regierung, Redensarten über die Auffassung der Lage der Dinge im Orient, indirekte Warnungen vor Rußland,« rief er unmutig, indem er ein Papier in großem Quartformat, welches er durchflogen, auf den Tisch warf, »das ist alles, was von Paris kommt! – Es ist wahrlich traurig,« sagte er seufzend, »daß man nicht überall mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören kann! – Ich bin fest überzeugt,« fuhr er fort, »daß von Paris anderes und ernsteres zu berichten wäre, daß dort irgend etwas vorgeht. – Napoleon hat im vorigen Jahre nichts von allem erreicht, was er bei der unerwarteten Katastrophe gewinnen wollte, er hatte seine Karten falsch gemischt,« fügte er mit einem leichten Lächeln hinzu, »und das vergißt er nicht, er ist nicht der Mann, der ein Spiel so schnell verloren gibt, er sinnt auf irgend etwas, um seine moralische Niederlage wieder gut zu machen und wenigstens scheinbar vor Frankreich sein Prestige wiederherzustellen. – Und Moustier – man sagt, er sei wegen seiner Kenntnis der orientalischen Angelegenheiten berufen, das sind leere Worte, was man im Orient treibt, hat nichts zu bedeuten, man zeigt Rußland eine reizende Fata Morgana, voilà tout, das Spiel Napoleons mit Alexander I. – Es geht etwas anderes vor,« fuhr er nach kurzem Nachdenken sinnend fort, »diese Annäherungen, diese Freundschaftsversicherungen, diese Allianzprojekte, das alles muß seinen Preis haben, und dieser Preis wird eines Tages hervortreten, plötzlich und unerwartet, das alles müßte man dort doch sehen, mich davon benachrichtigen, freilich,« sagte er achselzuckend, »wenn man die Augen fortwährend hierher richtet –
»O,« rief er, die mächtige Brust weit ausdehnend und mit tiefem Atemzug die Augen aufschlagend, »wie schwer ist es, den Mut und die Ausdauer zu behalten bei der gewaltigen Aufgabe, die mir vorschwebt, seit ich mein Amt antrat, die in immer klareren Linien, in immer schärferen Umrissen und immer mächtigeren Dimensionen vor meinem Geist sich entwickelt, und die ich doch nicht aussprechen kann, die ich tief in mich verschließen muß, wenn sie zu Ende geführt werden soll! – Sie haben gejubelt über den Sieg,« fuhr er fort, »während sie doch vorher alles taten, um die Wege dazu zu verschließen, und kaum ist er errungen, so beginnen sie in dem parlamentarischen Leben schon wieder Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten zu häufen, sie bemängeln die Heeresorganisation des norddeutschen Bundes, die dreijährige Dienstzeit, die Verfassung und der alte circulus vitiosus unfruchtbaren und ermüdenden Streits der Parteidoktrinen beginnt wieder an das traurige Ende den traurigen Anfang zu knüpfen.«
Er senkte einen Augenblick das Haupt. Trüber Ernst lag auf seinen Zügen.
»Doch,« rief er dann, das Auge stolz und frei aufschlagend, »es wäre kleinmütig und undankbar gegen die Vorsehung, wollte ich jetzt ermüden, nachdem eine so mächtige Strecke meines Weges zurückgelegt ist. – Wäre Gott meinem Werke entgegen, ich wäre nicht bis hierher gekommen, also vorwärts mit Gott, und sollte auch einer anderen