Der Graf näherte sich schnell der Chaiselongue und ließ sich auf einen der daneben stehenden Fauteuils nieder.
Die Dame reichte ihm die Hand, er ergriff sie leicht, und wie unwillkürlich von dem Zauber des vornehmen und distinguierten Hauchs ergriffen, welcher diese ganze Erscheinung umfloß, zog er diese Hand an seine Lippen.
Ein Blitz des Triumphes leuchtete in ihrem Auge.
»Ich muß Ihnen mein Kompliment machen,« sagte der Graf mit kaltem Tone, der nicht mit dem Inhalt seiner Worte harmonierte, »Sie werden täglich schöner und eleganter.«
Ein halb stolzes, halb ironisches Lächeln umspielte den Mund der Dame, indem sie erwiderte:
»Ich muß mich bestreben, um eben so viel schöner und eleganter zu werden, als die Marchesa Pallanzoni über Madame Balzer steht. – Apropos, Herr Graf,« fuhr sie mit demselben Lächeln auf den Lippen fort, – »haben Sie mir Nachrichten von meinem würdigen Gemahl, dem Marchese Pallanzoni, zu bringen?«
Und mit kurzem Lachen lehnte sie den schönen Kopf an die Rücklehne des Sofas.
»Er lebt ruhig unter der Aufsicht eines alten Dieners in dem kleinen Hause bei Florenz, das ich ihm eingerichtet, und bringt den Rest seines Lebens damit zu, das selbstverschuldete Elend zu bereuen, aus welchem ich ihn gezogen habe. – Hüten Sie sich übrigens,« fuhr er mit ernstem Tone fort, »jemals vor anderen in diesem Tone über ihn zu sprechen; wenn auch der Mann, der Ihnen seinen Namen gegeben hat, tief gesunken und verkommen war, so ist doch dieser Name einer der ältesten und edelsten, und kein neuer Flecken soll, vor der Welt wenigstens, auf ihn fallen!«
Eine schnelle Röte flammte auf ihrer Stirn empor, ein jäher Blitz zuckte aus ihrem Blick, die Lippen öffneten sich mit stolzer Bewegung, aber sie sprach kein Wort, ihre Augenlider senkten sich, wie um den Ausdruck ihres Blickes vor dem klar und ernst auf sie gerichteten Auge des Grafen zu verhüllen, und schnell nahmen ihre Züge wieder ihre unbefangene, lächelnde Ruhe an.
»Wissen Sie, Her Graf,« sagte sie dann, »daß ich anfange, mich zu langweilen? Ich kenne jetzt dies Paris mit seinen bunten, wechselnden Bildern, die doch eigentlich nur ein ewiges Einerlei verhüllen – ich finde diese jungen Herren mit ihrer forcierten Blasiertheit höchst widerwärtig und abgeschmackt – und,« fügte sie mir einem leichten Seufzer und einem scharfen, forschenden Blick hinzu, »die eigentliche Gesellschaft bleibt mir ja doch verschlossen, trotz des stolzen Namens, den – Sie mir gegeben haben.«
»In dieser Beziehung müssen Sie Geduld haben,« sagte der Graf, »man darf den Eintritt in die Gesellschaft nicht übereilen, wenn man in Ihrer Lage ist. – Seien Sie übrigens ruhig,« fuhr er fort, »wenn Sie ernste und nützliche Dienste leisten, so werden Sie in die erste Gesellschaft nicht langsam und allmählich von unten, sondern mit einem Male und von oben eintreten – sobald ich es für nötig halte,« setzte er im Tone kalter Überlegenheit hinzu.
Wieder zitterte jenes zornige Aufflammen in ihrem Auge und wieder verhüllte sie dasselbe schnell unter den gesenkten Lidern.
»Ernste und nützliche Dienste –?« sagte sie dann mit ruhiger Stimme, – »Sie hatten mir allerdings gesagt, daß Sie meine Dienste in ernsten Dingen in Anspruch nehmen würden und daß es mir vergönnt sein würde, durch den Dienst einer heiligen Sache,« fügte sie mit niedergeschlagenen Augen hinzu, indem ein leichtes Zittern um ihre Lippen spielte, »frühere Schuld zu sühnen, bis jetzt aber habe ich nichts getan, als was – jede wahre Marquise auch tun könnte.«
Ein verächtliches Lächeln glitt über ihre Züge.
»Der Augenblick ist gekommen, wo Sie Ihre Tätigkeit beginnen können,« sagte der Graf, »Sie können einen Dienst leisten, von dessen geschickter Ausführung das Schicksal Europas abhängen kann!«
Mit funkelnden Augen richtete sie sich schnell auf.
»Sprechen Sie, Herr Graf,« rief sie, »sprechen Sie. Ich höre mit allen meinen Sinnen und allen meinen Gedanken.«
Der Graf ließ seinen klaren, ruhigen Blick einige Sekunden auf ihren erregten Zügen ruhen.
»Wenn Sie gut ausführen sollen, um was es sich handelt, so müssen Sie genau wissen, worauf es ankommt und was erreicht werden soll. – Ich erinnere Sie nochmals daran,« sagte er mit fester, kalter Stimme, »daß die erste Vorschrift bei allen Diensten, zu denen Sie berufen sein werden, die unbedingteste Verschwiegenheit ist, ein Bruch derselben zieht die Strafe des moralischen Todes nach sich.«
Eine helle Röte flammte auf ihrer Stirn auf, ihre Augen sprühten Blitze – aber schnell bezwang sie sich und fragte mit ruhiger Stimme:
»Haben Sie Grund, mir zu mißtrauen?«
»Nein,« sagte der Graf, »aber die Angelegenheiten, um welche es sich handelt, sind nicht die meinigen, es ist notwendig, die Bedingungen zu wiederholen, über welche wir übereingekommen sind.«
»Sie sind fest in mein Gedächtnis geschrieben,« sagte sie.
»So hören Sie!« sprach der Graf, indem er sich etwas vorneigte und die Stimme dämpfte.
»Wollen wir nicht die Türe schließen?« fragte sie, auf die offen gebliebene Schiebetür zum Salon deutend, indem sie eine Bewegung machte, um aufzustehen.
Der Graf legte leicht die Hand auf ihren Arm.
»Lassen Sie,« sagte er, »ich ziehe die offenen Türen vor, wenn man geheime Dinge bespricht, hinter ihnen kann niemand horchen. – Es finden Verhandlungen statt,« fuhr er dann fort, »zwischen dem Kaiser Napoleon und dem Könige von Holland über die Abtretung von Luxemburg an Frankreich.«
Sie stützte den Kopf auf die Hand und hing mit durchdringendem Blick an seinen Lippen.
»Diese Verhandlungen dürfen zu keinem Resultat führen,« sprach der Graf weiter, »es ist notwendig, daß so schnell als möglich das Berliner Kabinett, hinter dessen Rücken die ganze Sache betrieben wird, davon unterrichtet werde, und zwar in einer Weise, welche nicht den mindesten Verdacht zuläßt, daß diese Information von hier aus angeregt sei.«
»Aber wie kann ich –?« rief sie erstaunt.
»Ich glaube,« fuhr der Graf fort, »daß man sowohl hier als namentlich auch in Holland sehr fern von dem Gedanken ist, diese Verhandlungen könnten zu ernsten Verwicklungen und zu einem Kriege führen, der vielleicht ganz Europa in Flammen setzen würde. Ganz insbesondere würde der König von Holland, der den Krieg nicht liebt, und der Verwicklungen mit Preußen auf das äußerste fürchtet, weil sie sein Land zwischen den Zusammenstoß zweier gewaltiger Kolosse stürzen würden, – der König von Holland würde ganz insbesondere vor dieser geheimen Negoziation zurückschrecken, wenn er ihre Folgen klar übersähe.«
»Aber ich begreife noch immer nicht,« rief sie, »wie ich –«
»Ich finde,« sagte der Graf mit leichtem Lächeln, »daß Ihre Equipage noch immer nicht auf der Höhe der übrigen Montierung Ihres Hauses ist, Ihre Pferde sind nicht schön genug, auch gefällt mir ihre Farbe nicht.«
Sie sah ihn in stummem Erstaunen an und schüttelte leicht den Kopf.
»Sie müssen die schönsten Pferde in Paris haben,« fuhr er ruhig fort, »freilich wird das nicht ganz leicht sein, denn das schönste Gespann, das ich kenne und das vollständig für Sie passen