Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Eure Majestät werden eine Revolution proklamieren, wenn Sie den weiten Roben das Todesurteil sprechen und den Damen plötzlich enge Kleider auferlegen,« sagte die Herzogin, »das wird auch eine neue Chaussure notwendig machen, ich sehe eine allgemeine Bewegung kommen, wie gesagt eine Revolution, denn an Opposition wird es nicht fehlen – so mächtig und unumschränkt auch der Zepter Eurer Majestät in dem Reich der Mode gebietet.«

      »Um so besser,« antwortete die Kaiserin sinnend, »diese kleinen Revolutionen leiten die Gedanken von der großen Revolution ab, die,« fügte sie seufzend hinzu, »immer in dem Busen dieser französischen Nation schlummert und leicht erwacht, wenn nichts die Ideen nach anderer Richtung lenkt. Und ich fürchte, diese Revolution dehnt schon in leisem Erwachen ihre Glieder! – Doch,« fuhr sie abbrechend fort, indem sie einen goldenen Crayon ergriff und einige Linien auf den weißen Raum eines der vor ihr liegenden Bilder zeichnete, »wo nehmen wir eine passende Mode her?«

      Und sie überfuhr ihren Versuch mehrmals mit schwarzen Strichen. »Es ist nicht leicht, ein geschmackvolles und tragbares Kostüm zu finden! –

      Apropos,« sagte sie nach einigen Augenblicken, »ich werde heute jenen römischen Grafen Rivero empfangen, welcher sich hier aufhält und von welchem ich dir gesprochen. Er muß eine sehr interessante Person sein, der Abbé Bonaparte hat ihn mir dringend empfohlen, sowie die Prinzessin Constanze, du weißt, die Äbtissin vom Sacré Coeur in Rom, auch die Gräfin Rasponi hat mir seinetwegen aus Ravenna geschrieben, alle rühmen ihn als einen Mann von hohem Geist und voll tiefer Devotion für den heiligen Stuhl, voll unermüdlichem Eifer für die Sache der Kirche. Solche Männer sind selten heutzutage. Hast du ihn gesehen oder von ihm gehört?«

      »Ich habe ihn nicht gesehen,« antwortete die Herzogin, »aber ich habe meinen Bruder Joachim von ihm sprechen hören, der ihn als einen vortrefflichen Kavalier rühmte, und seine schönen Pferde lobte!«

      »Ich habe den Namen nie vorher gehört,« sagte die Kaiserin, »er ist vom Papste zum römischen Grafen gemacht, der Nuntius hat ihn dem Kaiser und mir beim letzten Empfange vorgestellt, mir aber ist er von jenen Personen ganz besonders empfohlen, und sie alle sagen mir, daß es mir gewiß von ganz besonderem Interesse sein werde, ihn näher kennen zu lernen, und daß er der Sache der Kirche in vieler Beziehung nützlich sein könne. Ich bin sehr neugierig, ihn zu sehen.«

      »Der Herr Baron de Pierres,« meldete der Kammerdiener der Kaiserin. Sie neigte leicht den Kopf, und der Baron de Pierres, der erste Stallmeister Ihrer Majestät, ein eleganter, schlanker Mann in schwarzem Morgenüberrock, trat ein.

      »Ich wollte um Eurer Majestät Befehle für die Ausfahrt bitten,« sagte der Baron, sich mit tiefer Verbeugung der Kaiserin nähernd.

      »Das Wetter ist schön,« sagte Eugenie, indem sie Herrn de Pierres mit anmutigem Lächeln begrüßte und dann einen Blick nach dem Fenster warf, durch welches helle Sonnenstrahlen hereinfielen, »ich will in offener Kalesche ausfahren, ins Bois de Boulogne, zwei Stunden vor dem Diner – werden Sie mich begleiten, lieber Baron?«

      »Zu Eurer Majestät Befehl,« sagte der Baron.

      »Ich denke eine lange Tour zu machen,« sagte die Kaiserin, »und wenn es Sie ermüdet, neben dem Schlage zu reiten, so –«

      »Ein Ritt bei diesem schönen Wetter ist mir ein großes Vergnügen,« unterbrach sie Herr de Pierres rasch, »und eine hohe Ehre,« fuhr er sich verbeugend fort, »wenn ich ihn in Begleitung meiner Souveränin machen darf.«

      »Und du, liebe Anna, fährst mit mir?« fragte Eugenie, sich zur Herzogin von Mouchy wendend.

      »Wenn Eure Majestät mir erlauben wollen, vorher nach Hause zu eilen, um meine Toilette zu machen.« –

      »Aber,« rief die Kaiserin, »lieber Baron, was bringen Sie denn da so sorgfältig in Papier gewickelt,« und sie deutete auf ein Paket in seinem weißen Velinpapier mit roten Seidenbändern umwunden, welches der Baron in der Hand hielt, »etwa das Modell eines neuen Sattels oder gar eine Miniaturequipage Ihrer Erfindung?«

      »Nichts von alledem,« erwiderte der Baron lächelnd, »was ich Eurer Majestät bringen will, gehört nicht zu meinem Ressort, aber ich weiß,« fügte er hinzu, »daß es Ihr Interesse erregen wird.«

      Er löste die Seidenbänder und entfernte die Papierumhüllung. Dann stellte er auf den Tisch vor die Kaiserin eine Art Kassette mit schwarzem Samt überzogen.

      Gespannt folgte die Kaiserin und die Herzogin seinen Bewegungen.

      Der Baron öffnete den Deckel der Kassette und stellte vor die Kaiserin eine Tasse und einen Milchtopf von weißem Porzellan.

      »Es ist ein kleines Service,« sagte er dann, »dessen sich die Königin Marie Antoinette bei ihrem einfachen Milchfrühstück in Trianon bediente, hier sehen Eure Majestät von einer Blumengirlande gebildet die Chiffre der Königin. – Der damalige Kastellan von Trianon hat die Sachen an sich genommen und in seiner Familie sind sie bis jetzt aufbewahrt, es ist kein Zweifel an ihrer Echtheit. – Ich hörte davon, und da ich weiß, wie sehr Eure Majestät sich für alles interessiert, was an die Königin Marie Antoinette erinnert, so wollte ich nicht verfehlen, dies Andenken Ihnen zu bringen.«

      Die Kaiserin hatte die Tasse ergriffen und betrachtete sie mit tiefem Ernst. Ein Ausdruck von Trauer und Wehmut lag auf ihrem Gesicht. »Aus Rosengirlanden ließ sie ihre Chiffre malen,« sagte sie dann leise und sinnend, »und volle Rosen bekränzten damals ihr Leben! – Arme, unglückliche Königin, wer dir damals gesagt hätte, wie bald diese Blumen welken würden, und in welcher blütenleeren Einöde brennender, einsamer Schmerzen dein warmes Herz seine letzten Schläge tun würde! – An den Rand dieser Tasse setzte sie die lächelnden frischen Lippen,« fuhr die Kaiserin immer träumerischer fort, »wie bald sollten sie sich in herbem Gram zusammenziehen, um den entsetzlichen Kelch so furchtbarer Leiden zu leeren!«

      Und lange betrachtete sie die kleine, einfache Tasse, eine Träne zitterte an ihren Augenwimpern.

      Die Herzogin von Mouchy ergriff die Hand der Kaiserin und drückte ihre Lippen darauf.

      »Wie schön – und wie groß ist es von Eurer Majestät,« rief sie, »daß Sie so gern und mit so warmem Gefühl auf der Höhe der Wacht und des Glückes sich jener unglücklichen Fürstin erinnern, welche vor Ihnen einst auf dem Throne Frankreichs saß!«

      »Auf dem Throne Frankreichs!« sagte die Kaiserin leise, immer die Augen auf die Tasse gerichtet, »er ist schön, dieser Thron – aber verhängnisvoll, ihr brachte er den frühen, martervollen Tod, aber sie war groß in ihrem Fall, sie war Königin auf dem Schafott, sollte dieser Thron einst unter uns zusammenbrechen« – flüsterten ihre Lippen fast unhörbar, und ihre Gedanken schienen finsteren Bildern zu folgen; düster senkten sich ihre Blicke zu Boden.

      Schnell dann erhob sie das Haupt mit der ihr eigentümlichen anmutigen Bewegung des schlanken Halses.

      »Ich danke Ihnen, Baron de Pierres,« sagte sie mit freundlichem Lächeln, »daß Sie mir diese Reliquie der armen Märtyrerkönigin gebracht haben. Ich hoffe, sie wird zu erwerben sein, damit ich ihr einen Platz geben kann in dem Tempel der Erinnerung an die königliche Dulderin, den ich mir im stillen aufrichte.«

      »Das kleine Service, Madame, gehört einem alten Manne, der aus seinem kleinen Geschäfte ein mäßiges Vermögen erworben hat,« antwortete der Baron, »er lebt mit seiner Frau ohne Kinder, verkaufen will er das Andenken, welches er von seinen Eltern ererbt hat, nicht, aber er macht sich eine Freude daraus, dasselbe seiner Kaiserin zu schenken, wie er mir gesagt hat.«

      Die Augen der Kaiserin glänzten.

      »Wie schön wäre es, Kaiserin von Frankreich zu sein,« rief sie, »wenn diese Gesinnungen allgemein wären! – Wollen Sie, lieber Baron,« fuhr sie dann fort, »sogleich dem Kaiser diese kleine Geschichte erzählen und ihn bitten, dem Manne die Ehrenlegion zu geben? – Ich werde ihm selbst heute noch davon sprechen, und dann – lassen Sie ein vollständiges Teeservice von Silber anfertigen mit meiner Chiffre, ich muß doch das Geschenk der braven Leute erwidern, ich will es ihnen selbst geben, sobald es fertig ist, Sie sollen sie dann zu mir führen.«

      Der