Die Kaiserin trug ein dunkles Seidenkleid, dessen reiche, schwere Falten, der Mode der Zeit gemäß, in weiter Ausdehnung über jene schwellenden tulles d´illusion hinabflossen, welche man in den untern Kreisen der Gesellschaft durch die häßlichen und geschmacklosen Krinolines nachahmte, eine Brosche, von einem großen Smaragd, mit Perlen umrahmt, bildete ihren einzigen Schmuck.
Sie blieb erstaunt stehen, als sie das Zimmer leer sah, der Blick ihres großen Auges suchte den Kaiser.
Indem dieser Blick die dunkle Portiere streifte, welche zu dem Kabinett Pietris führte, erschien ein Ausdruck des Verständnisses auf ihren Zügen, und zu dem Tisch in der Mitte hinschreitend, setzte sie sich langsam in den Fauteuil, welchen der Kaiser vor Kurzem verlassen hatte.
Ihr Blick lief über den Tisch hin, wie um etwas zu suchen, womit sie sich die Zeit vertreiben könne, während sie ihren Gemahl erwartete.
Da fiel ihr Auge auf den Brief, welchen der Kaiser dorthin aus der Hand gelegt hatte, und ihre Blicke hafteten auf den Schriftzügen mit einem leichten Ausdruck von unmutigem Verdruß.
Sie streckte die schöne Hand aus und indem sie das Blatt mit den Spitzen ihrer zarten, rosigen Finger ergriff, begann sie zu lesen.
»Welche Freundschaftsversicherungen!« rief sie mit kaum merklich zitternder Stimme.
Plötzlich aber öffnete sich ihr Auge weiter, und ihre Züge nahmen den Ausdruck höchster Spannung an. Mit fliegendem Blick las sie den Brief zu Ende, warf ihn dann auf den Tisch zurück und erhob sich, um mit raschen Schlitten einige Male im Zimmer auf und nieder zu gehen.
»Das also ist im Werk!« rief sie dann, indem sie wieder stehen blieb, und die weißen Finger fest auf die Lehne des Fauteuils drückte, »ich habe es gefürchtet, daß der Geist des Kaisers sich nicht frei machen kann von dem Gedanken, mit diesem Deutschland, dieser Schöpfung des preußischen Ehrgeizes, Frieden zu machen und den Gedanken an Revanche, an Rache aufzugeben. – Mit dieser armseligen Kompensation, diesem nichtsbedeutenden Großherzogtum Luxemburg soll Frankreich sich abkaufen lassen, um ruhig zuzusehen, wie Deutschland heranwächst, wie Italien sich immer mehr stärkt zum Verderben und zum Untergang der Kirche?«
Sie tat wieder einige Schritte durch das Zimmer.
»Wenn dies Arangement ausgeführt wird,« rief sie lebhaft, »so ist die Zukunft dahingegeben, das darf nicht sein, wir müssen warten und uns stärken, um dann mit der ganzen Macht Frankreichs auftreten zu können und mehr zu erreichen, als dies Luxemburg.«
Sie machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand.
»Aber wie verhindern,« sagte sie leise, das Haupt neigend, »was schon abgemacht zu sein scheint!« –
Ein Geräusch wurde hörbar, Napoleon erschien unter der Portiere.
Die Kaiserin wendete anmutig den Kopf und lächelte ihrem Gemahl entgegen.
Rasch trat der Kaiser zu ihr hin, ein freundlicher Schimmer belebte sein Gesicht.
Sie reichte ihm die Hand; mit einer fast jugendlichen Bewegung voll anmutiger Eleganz drückte er die Lippen darauf.
»Sie haben lange gewartet?« fragte er.
»Einen Augenblick,« erwiderte die Kaiserin, »ich kam, um mit Ihnen zu Louis zu gehen, der arme Kleine muß bald nach Saint Cloud, hat mir Conneau gesagt.«
»Ja,« sagte der Kaiser, »er bedarf der frischen Luft und der Ruhe, um vollständig zu genesen. Beides hat er hier nicht, um so weniger, als die Besuche der Ausstellung schon bald beginnen, und uns sehr in Anspruch nehmen werden, die Souveräne werden fast alle kommen –«
»Also der europäische Horizont zeigt keine Wolken,« fragte die Kaiserin lächelnd.
»So wenig als die schöne Stirn meiner an jedem Morgen neuverjüngten Gemahlin,« erwiderte der Kaiser, dann bewegte er die Glocke.
»Die Frau Admiralin Bruat!« befahl er dem Kammerdiener.
»Sie wartet bereits im Vorzimmer,« sagte die Kaiserin.
»Also gehen wir zu unserem Louis,« sprach Napoleon und reichte seiner Gemahlin den Arm.
Die Flügeltüren öffneten sich, mit freundlichem Lächeln begrüßte der Kaiser die ihm entgegentretende Gouvernante der Kinder von Frankreich, die Wittwe des Admirals Bruat.
Sie schritt voran; lächelnd mit einander plaudernd, begab sich das kaiserliche Paar nach den Gemächern des Prinzen.
Zweites Kapitel.
Vor dem großen Palais am Boulevard des Italiens, dessen weite Parterreräume von dem Grand Café eingenommen werden, und in dessen Beletage der weltbekannte Jockeyklub seine glänzenden Salons etabliert hat, hielt um die Mittagsstunde eines sonnigen Märztages in rascher Anfahrt ein kleines blaues Coupé von jener äußersten, einfachen Eleganz in dem Bau des Wagens und in dem Geschirr, welche man vorzugsweise in Paris, und in Paris wieder in höchster Vollkommenheit bei den Mitgliedern jenes berühmten Klubs findet, der den Sport auf die Höhe der anmutigsten Vollendung gebracht hat. Eine einfache, dunkle Chiffre, überragt von einer Grafenkrone, befand sich auf dem Schlage, und dem leichten Zügeldruck des in tadelloser dunkelblauer Livree unbeweglich auf dem Bock sitzenden Kutschers gehorchend, hielt das edle, hochelegante Pferd mit ruhiger Sicherheit vor dem großen Eingangstore den schnellen Trab ab und stand bewegungslos da, nur den schönen Kopf leicht erhebend und aus den weit geöffneten Nüstern den heißen Atem in die frische Märzluft ausstoßend.
Aus dem Coupé stieg ein großer, schlanker Mann, mit der höchsten Eleganz in dunkle Farben gekleidet. Große tiefdunkle Augen blickten ruhig, aber mit traurig sinnendem Ausdruck, aus dem edlen, scharfgeschnittenen Gesicht, dessen gleichförmige, matte Blässe nur durch einen kleinen, schwarzen Schnurrbart auf der Oberlippe unterbrochen wurde. Seine kurzen, schwarzen Haare bedeckte, in die Stirne gedrückt, einer jener niedrigen, graziösen Hüte aus den Magazinen von Pinaud und Amour, seine Hand, in elegantem, dunkelgrauem Handschuh, drückte leicht ein weißes Batisttuch gegen die Lippen, um sich gegen die rauhe Märzluft zu schützen.
Er warf einen prüfenden Blick auf das Pferd und befahl dem Kutscher, nach Hause zu fahren. Dann nahm er aus einem Körbchen, welches eine kleine Bouquetiere ihm präsentierte, einen kleinen Strauß duftender Veilchen, legte dafür ein Frankenstück in den Korb und stieg leichten, elastischen Schrittes die breite, mit dichten, weichen Teppichen belegte Treppe hinauf. Oben angelangt, wendete er sich zu dem mit mächtigen, geschnitzten Büffets und reichen silbernen Aufsätzen ausgestatteten Frühstückszimmer; die auf dem Korridor wartenden Lakaien des Klubs in ihren eleganten Livreen öffneten die Türe und ein junger Mann von etwa einundzwanzig Jahren, mit hochblondem, offenem und frischem Gesicht von norddeutschem Typus, welcher allein in dem großen Gemach an einem kleinen, zierlich gedeckten Tische saß, rief dem Eintretenden mit einem lächelnden Blick seiner großen, lichtblauen Augen entgegen:
»Guten Morgen, Graf Rivero – Gott sei Dank, daß Sie kommen, um diese langweilige Einsamkeit zu beleben, in welcher ich mich hier wie ein Einsiedler befinde. Ich weiß nicht, wo alle Welt heute noch steckt, ich bin früh geritten und habe einen ungeheuren Appetit, ich habe mir da ein sehr gutes, kleines Dejeuner komponiert, wollen Sie meinem Geschmack vertrauen und ein Kuvert nehmen?«
»Mit Vergnügen, Herr von Grabenow,« erwiderte der Graf, indem er seinen Hut einem Lakaien reichte.
Der Haushofmeister des Klubs war herangetreten und winkte bei der Antwort des Grafen den zum Dienst bereit stehenden Dienern, welche mit jener Geschwindigkeit und Unhörbarkeit, die der Bedienung in den guten Häusern eigentümlich ist, dem jungen Herrn von Grabenow gegenüber ein Kuvert auf den Tisch legten. »Nehmen Sie inzwischen ein Glas von diesem Sherry,« sagte der junge Mann, indem er dem Grafen, welcher sich ihm gegenübergesetzt hatte, aus dem vor ihm stehenden Karaffon von geschliffenem Kristall