Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Band mit Deutschland zu lösen, sind vergeblich gewesen, und der König ist vollkommen bereit, das Großherzogtum an Frankreich abzutreten. Es müsse dann aber – was ich schon Ende des vorigen Monats in Aussicht gestellt habe – die ganze Negoziation mit Preußen hier übernommen werden. – Der Gesandte fügt hinzu,« fuhr der Marquis fort, »daß die Bevölkerung im Großherzogtum der Annexion an Frankreich durchaus geneigt sei und mit Freuden den Augenblick begrüßen werde, wo es ihr vergönnt sein möchte, einen Teil der großen französischen Nation zu bilden.«

      Ein zufriedenes Lächeln umspielte die Lippen des Kaisers. Indem er leicht die Spitze seines Schnurrbarts drehte, fragte er:

      »Hat man über den Preis des Verkaufs gesprochen?«

      »Nicht eingehend,« erwiderte der Minister, »es ist das besonderen Verhandlungen vorbehalten.«

      »Die Frage ist auch gleichgültig,« sagte der Kaiser, »man darf darauf kein besonderes Gewicht legen. Jedenfalls wird man in Holland wissen, daß der wesentlichste und wichtigste Teil des Preises in der Zukunft liegt. – Das flämische Sprachgebiet –«

      »Man ist vollkommen von der gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutung der Frage unterrichtet,« sprach der Marquis schnell, indem er in den Bericht blickte, den er in der Hand hielt, »und der Gesandte ist erstaunt, ein so eingehendes Verständnis gefunden zu haben.«

      Mit leichtem Lächeln neigte der Kaiser das Haupt.

      »Die allgemeine Volksabstimmung hat man als Bedingung gestellt,« fuhr der Minister fort.

      »Das versteht sich von selbst,« sagte der Kaiser, indem er einen langen Zug aus seiner Zigarre tat und eine große, blaue Rauchwolke vor sich in die Luft blies, – »Doch nun, mein lieber Marquis,« fuhr er fort, und ein forschender Blick fuhr blitzschnell zu seinem Minister herüber, »wie glauben Sie, daß man die Sache in Berlin aufnehmen wird? – fürchten Sie, daß wir dort Schwierigkeiten haben werden?«

      Der Marquis de Moustier zuckte leicht die Achseln und antwortete, indem er einen anderen Bericht aus seiner Mappe hervorzog:

      »Benedetti hat natürlich über den Gegenstand selbst nicht mit dem Grafen Bismarck gesprochen, indes berichtet er, baß der preußische Ministerpräsident in jeder Weise den Wunsch betont, mit Frankreich auf dem besten und freundschaftlichsten Fuße zu stehen, und er zweifelt nicht, daß die preußische Regierung mit Freuden die Gelegenheit ergreifen werde, um den Wunsch der Erhaltung guter Beziehungen durch diese für sie in der Tat nicht bedeutungsvolle Konnivenz zu manifestieren.«

      »Ich hoffe, daß Benedetti sich nicht täuscht.« sagte der Kaiser mit einem leichten Seufzer. – »Mein lieber Minister,« fuhr er nach einigen Sekunden fort, indem er sich leicht zu dem Marquis hinüberneigte, »Sie wissen, wie sehr man sich von Wien aus bemüht, uns nach jener Seite hinüberzuziehen, durch die Bildung eines Südbundes unter Österreichs Führung dem Werke Preußens ein unübersteigliches Bollwerk entgegenzusetzen –«

      Der Marquis neigte leicht das Haupt.

      »Aber ich muß Ihnen sagen,« fuhr der Kaiser fort, »ich will diesen Weg nicht gehen, die wahre Macht in Europa liegt in den Händen von Preußen und Rußland – und dieser Allianz will ich mich anschließen, denn in ihr liegt das Leben und die Zukunft. – Ich hatte schon früher einen ähnlichen Gedanken, ich dachte an die Wiederaufrichtung jener mächtigen schiedsrichterlichen Gewalt in Europa, welche Metternich unter dem Namen der heiligen Allianz geschaffen hatte, sie würde noch mächtiger, noch gewaltiger geworden sein, wenn Frankreich in ihr die Stelle Österreichs eingenommen hätte. Friedrich Wilhelm IV. verstand mich, aber sein reicher Geist verdunkelte sich – und er starb, jener große Gedanke blieb unausgeführt, vielleicht läßt er sich heute wieder anbahnen. – Wenn man mir die Konzession von Luxemburg macht und mir bewilligt, was Frankreich noch bedarf, um seine Zukunft sicher und groß zu gestalten, dann, mein lieber Marquis, sollen meine Ideen eine festere Gestalt gewinnen.«

      Der Marquis verneigte sich.

      »Ich kenne,« sägte er, »diesen Gedanken Eurer Majestät und habe ja damals auch daran gearbeitet, seine Ausführung vorzubereiten, leider,« fuhr er fort, indem er den Blick senkte, »war es mir nicht vergönnt, meine Tätigkeit in jener Richtung fortzusetzen –«

      Der Kaiser reichte ihm die Hand hinüber, welche der Minister ehrerbietig ergriff.

      »Sie waren damals das Opfer Ihres Diensteifers,« sagte Napoleon verbindlich, »eines Diensteifers, für den ich Ihnen stets dankbar bin und bleiben werde.«

      »Und wenn,« rief der Marquis, »diese Konzession verweigert weiden sollte, das heißt, wenn man zunächst Schwierigkeiten machen sollte, so wird ein festes und energisches Auftreten genügen, um die Zustimmung zu erreichen; England wird uns keine Schwierigkeiten machen, und in Berlin wird man vor wirklich ernstem Auftreten zurückweichen. Die Aufregung des Krieges und das Hochgefühl des Sieges sind dort verraucht, die Schwierigkeiten der inneren Verhältnisse des Nordbundes machen sich mächtig fühlbar, und schwerlich wird man um dieses Gegenstandes willen einen ernsten Konflikt mit kriegerischer Eventualität sich zuspitzen lassen. – Ich kenne,« fuhr er mit leichtem Lächeln fort, »Berlin, und weiß, wie schwer man sich dort entschließt.«

      Der Kaiser blickte ihn einen Augenblick nachdenklich an.

      »Sie haben das alte Berlin gekannt,« sagte er dann, »ich fürchte, man ist dort jetzt schneller von Entschluß, und sieht auch sehr klar die letzten Konsequenzen eines ersten Schrittes. – Indes,« rief er und richtete den Kopf empor, »es muß gehandelt werden, instruieren Sie also Baudin, daß er so bald als möglich den Luxemburger Vertrag zum Abschluß bringt – und daß er vor allem bis zur definitiven Abmachung die äußerste Diskretion bewahrt, wir müssen mit einem fait accompli hervortreten.«

      Der Marquis verneigte sich und stand auf, indem er seine Papiere in die Mappe verschloß.

      Der Kaiser erhob sich und trat einen Schritt zu seinem Minister.

      »Halten Sie aber zugleich den Faden der Negoziation mit Österreich fest,« sagte er, »wir müssen den Weg offen halten, um, wenn auf der einen Seite unseren Plänen Schwierigkeiten entgegentreten, das andere Gewicht in die Wagschale werfen zu können!«

      »Seien Eure Majestät unbesorgt,« erwiderte der Marquis, »der Herzog von Gramont wird seine Konversationen mit Herrn von Beust fortsetzen – sie verstehen beide so vortrefflich zu sprechen,« fügte er mit kaum merkbarem Lächeln hinzu, »und wir werden seinerzeit daraus machen, was wir wollen, die Basis für ein politisches Gebäude, oder das lehrreiche Material für unsere Archive.«

      »Auf Wiedersehen, lieber Marquis,« rief Napoleon, indem er freundlich lächelnd mit der Hand grüßte, und sich tief verneigend verließ der Minister das Kabinett.

      »Ich muß eine spezielle Instruktion an Benedetti aufsetzen lassen,« sagte der Kaiser, »damit er die ganze Bedeutung der Frage versteht und dafür das Terrain vorbereitet.«

      Und er wendete sich langsam nach der Seite des Zimmers wo eine dunkle Portiere den Ausgang verdeckte, welcher zu seinem geheimen Sekretär Pietri hinabführte.

      Das Gemach blieb leer.

      Nach einigen Minuten öffneten sich die Flügel der Eingangstür und der Kammerdiener des Kaisers rief:

      »Ihre Majestät die Kaiserin!«

      Die Kaiserin Eugenie trat rasch in das Kabinett, hinter ihr schloß sich geräuschlos die Türe.

      Die schlanke, geschmeidig elastische Gestalt der Kaiserin ließ in ihrer jugendlich anmutigen Haltung die einundvierzig Lebensjahre nicht vermuten, welche über ihr Haupt hingezogen waren.

      Trugen die Züge ihres Gesichts, von dem wunderbar schönen, in dunklem Goldblond schimmernden Haare umrahmt, auch nicht mehr den Ausdruck der früheren Jugend, so hatte doch auch das Alter noch keines seiner unerbittlichen Zeichen auf dieses nach der Antike geschnittene Antlitz gezeichnet, dessen reine und edle Schönheitslinien über dem Einfluß der Zeit zu stehen schienen.

      Mit unnachahmlicher Grazie trug die Kaiserin den schönen Kopf auf dem langen, schlanken