Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Kaiser glaubt nun,« fuhr Herr Hansen fort, »daß es einen Weg gäbe, auf welchem jene Verstimmung auf eine leichte Weise für immer zu entfernen wäre; — ausgehend von dem Grundsatz, daß zwei mächtige militärisch konzentrirte Nationen gegen etwaige Reibungen besser, als durch strategische Grenzbefestigungen, durch neutrale Zwischengebiete geschützt würden, hat er — wie ich zu glauben berechtigt bin — die Idee, daß ein nach dem Muster Belgiens gebildeter neutraler Staat am Rhein ein vortreffliches Mittel wäre, das Verhältniß Deutschlands zu Frankreich definitiv friedlich und freundlich zu regeln. Man hätte daran denken können, den König von Sachsen an die Spitze dieses seiner Bevölkerung nach katholischen Landes zu stellen —«

      »Der Friede mit Sachsen ist stipulirt,« sagte Graf Bismarck.

      »Auch wollte ich jetzt nicht diese Idee Eurer Excellenz unterbreiten,« erwiederte Herr Hansen sich verneigend, — »es würde sich jetzt darum handeln, diesen neutralen Rheinstaat, welcher Deutschland und Frankreich zu gleicher Zeit militärisch trennen und nationalökonomisch verbinden würde, — unter den Erbprinzen von Hohenzollern zu stellen — also dort eine Dynastie einzusetzen, deren Verwandtschaft mit dem preußischen Königshause jedes Mißtrauen in Deutschland beseitigen würde.«

      »Das fürstliche Haus Hohenzollern ist mit unserem Königshause nicht verwandt,« sagte Graf Bismarck.

      »Doch bildet es einen Theil des Gesammthauses,« erwiederte Herr Hansen. — — »Ich glaube also Euer Excellenz versichern zu können,« fuhr er nach einer kurzen Pause fort, — »daß wenn Sie mir gegenüber Ihre Zustimmung zu dem eben entwickelten Gedanken aussprechen, — die Sache sofort auf offiziellem Wege angeregt werden wird.«

      Er schwieg.

      Graf Bismarck blickte einen Augenblick nachdenkend vor sich nieder. Dann richtete er seinen Blick klar und ruhig auf das erwartungsvolle Gesicht Hansen's und sprach mit fester Stimme:

      »Ich will Sie nicht fragen, ob und von wem Sie einen Auftrag haben, mir die Mittheilung zu machen, welche ich so eben vernommen. Ich nehme den Gedanken, den sie mir ausgesprochen, als eine private, persönliche Ansicht entgegen — und habe kein Bedenken, Ihnen dagegen sofort klar und unzweideutig meine persönliche Meinung darüber zu sagen. — Deutschland hat,« — fuhr er fort, »durch große, gewaltige Kämpfe einen mächtigen Schritt zu seiner nationalen Konstituirung gethan. Die deutsche Nation hat darüber Niemand Rechenschaft zu geben, sie hat sich nicht darum zu kümmern, ob die Ausübung ihres nationalen Rechts andern Nationen gefällt oder nicht, — sie hat vor allen Dingen andern Nationen keinen Preis irgend welcher Art zu bezahlen, um die innere Einigung zu erkaufen. So lange ich preußischer Minister bin und Einfluß auf die Geschicke Deutschlands habe,« sagte er mit metallisch klingender Stimme, »wird ein solcher Preis niemals gezahlt werden— möge er sich einkleiden in welche Form er wolle! — Das ist meine persönliche Meinung,« fuhr er fort, — »Sie sehen also, daß es überflüssig wäre, den Gedanken, den Sie mir aussprachen, in offizieller Form an mich gelangen zu lassen, — er würde von Seite der preußischen Regierung derselben Antwort sicher sein, welche ich Ihnen hier gegeben habe.«

      »Excellenz,« sagte Herr Hansen, — einigermaßen betroffen durch die so bestimmte, jede weitere Diskussion ausschließende Erklärung des Grafen, — »ich bin Ihnen, wie ich die Ehre hatte zu bemerken, wirklich dankbar für die Berücksichtigung der nationalen Gefühle Dänemarks und wünschte aufrichtig, Ihnen in dieser Sache einen Dienst zu leisten. — Ich darf Ihnen nicht verhehlen,« fuhr er ernst fort, — »daß, wie ich die Lage der Verhältnisse und die maßgebenden Stimmungen in Paris kenne, der Krieg früher oder später unvermeidlich ist, wenn diese letzte Basis einer Verständigung, welche der Empfindlichkeit Frankreichs Rechnung trägt, zurückgewiesen wird. Ich glaube mit voller Überzeugung versichern zu können, daß der Krieg dann nur eine Frage der Zeit sein wird.«

      Graf Bismarck stand auf, stolz und kühn leuchtete sein Auge.

      »So mag der Krieg kommen,« rief er voll und fest, — »ich fürchte ihn nicht und werde ihn niemals zu vermeiden suchen auf Kosten der Würde und Macht Deutschlands! Die tapferen Armeen Preußens und seiner Verbündeten, welche Oesterreich schlugen, werden mit weit größerer Begeisterung gegen Frankreich in's Feld rücken, — wenn wir dazu gezwungen werden. — Sie können,« fuhr er kalt und ruhig fort, »meine Worte Jedermann wiederholen, den es interessiren sollte, meine Ansicht zu kennen, — aber Sie können auch hinzufügen,« fügte er freundlich hinzu, »daß Niemand höher als ich den Werth der guten Beziehungen zu Frankreich schätzen kann. Die französische und die deutsche Nation sind viel mehr geschaffen, sich zu ergänzen und Hand in Hand zu gehen, als sich zu bekriegen, — und meinerseits wird Alles geschehen, um Frieden und Freundschaft zu halten, — Alles, nur keine Opfer an Deutschlands Ehre und Würde.«

      »Ich bitte Eure Excellenz, wenigstens überzeugt zu sein von der guten Absicht, welche mich bei dem Schritt geleitet hat, den ich zur Vermittlung der entgegenstehenden Interessen gethan habe.«

      »Ich danke Ihnen dafür,« sagte Graf Bismarck artig, »er trägt jedenfalls zur vollständigen Klärung der Situation bei.«

      Mit tiefer Verbeugung verließ Herr Hansen das Kabinet.

      »Er will mit Deutschland spielen, wie mit Italien,« rief der Graf, als er allein war, — »bei mir soll ein Savoyen und Nizza zu finden sein!«

      Er verließ sein Kabinet und begab sich in den Salon seiner Gemahlin.

      Wieder saßen hier die Damen um den freundlichen Theetisch, Herr von Keudell bei ihnen.

      Der Graf trat ein und begrüßte herzlich die Seinigen.

      »Hast Du den neuesten Kladderadatsch gesehen?« fragte die Gräfin, auf das Blatt mit dem wohlbekannten, komischen Antlitz deutend, das neben dem Theeservice auf dem Tische lag.

      Der Graf ergriff lächelnd das Blatt und betrachtete das Bild auf der letzten Seite.

      Es stellte einen alten, schwachen Bettler dar, mit den Zügen des Kaisers Napoleon, der mit dem Hut in der Hand an der Thüre eines Hauses Almosen erbittet. Ein Fenster war geöffnet, daran sah man die Gestalt des Ministerpräsidenten mit abwehrender Bewegung — und darunter stand: Hier wird nichts gegeben.

      Mit heiterem Lachen warf der Graf das Blatt auf den Tisch.

      »Es ist wunderbar,« rief er, — »mit welchem feinen Verständnis; diese Leute oft die Situation zu zeichnen verstehen. In diesen Bildern steckt oft mehr Geist als in langen Leitartikeln!«

      Er leerte mit kräftigem, durstigem Zug den Krystallkelch mit schäumendem Bier, welcher ihm gebracht wurde.

      »Nun eine Bitte, lieber Keudell,« sagte er dann mit freundlichem Ernst in den Zügen, — »wollen Sie mir jenen Trauermarsch von Beethoven spielen, — Sie erinnern sich, — Sie spielten ihn mir eines Abends vor dem Beginn des Krieges!«

      Bereitwillig erhob sich Herr von Keudell und setzte sich an den Flügel.

      Mächtig und ergreifend ertönten die wunderbaren Akkorde dieser gewaltigen Todtenhymne, — erschüttert lauschten ihnen die Damen.

      Hoch aufgerichtet stand Graf Bismarck da; leuchtende Begeisterung auf dem ernsten, markigen Gesicht.

      Tief athmete er auf, als Herr von Keudell geendet.

      »Viele Helden sind gefallen,« sprach er mit tiefer Stimme, »aber der Preis ist errungen, — ihr Blut ist nicht umsonst vergossen. — »Viele Schmerzen hat die Zeit geboren, — viele Dissonanzen klingen noch hinüber in die Zukunft; möge der Allmächtige sie lösen in der herrlichen Harmonie des ganzen, einigen, großen Deutschlands!«

      Seine Stimme hatte mit voller Innigkeit das Zimmer durchdrungen, mit feuchtem Blick schaute die Gräfin zu ihm hinüber, ernst, wie in unwillkürlicher Bewegung, erhob Herr von Keudell die Hände, ließ sie niedersinken auf die Tasten und in gewaltigem Klange erschallte das mächtige Kriegslied des Glaubens, in dessen herrlichen Tönen der deutsche Reformator das felsenfeste Gottvertrauen seiner Seele einst niederlegte im Kampfe für seine Ueberzeugung.

      Graf Bismarck richtete den Blick aufwärts, es schimmerte