Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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freundlich den reichen Schatz ihrer Erfahrung als Hausfrau geöffnet und mit inniger Liebe hatte das junge Mädchen sich ihr angeschlossen, mit tiefer Verehrung blickte der alte Lohmeier auf diese so vornehme, so würdige Dame, welche doch so genau mit allen häuslichen Angelegenheiten Bescheid wußte und welche so freundlich und mütterlich seiner Tochter, dem Stolz seines Herzens, die Hand reichte.

      Der Lieutenant hatte es wohl bemerkt, daß Helene nicht mehr an seinem Bette erschien, fragend ruhte oft sein Blick auf ihr, als er wieder aufstehen durfte und im Zimmer seiner Mutter saß, — aber er sprach wenig, — war es ihm doch nicht ganz klar, ob die süßen und reizenden Bilder, welche wie eine duftige Erinnerung in seinem Innern lebten, Wahrheit oder Gebilde seiner krankhaften Phantasieen gewesen.

      Träumerisch und still ging Helene einher, sie hob selten das Auge zu dem jungen Manne empor — die tiefen Gefühle ihres Herzens, welche in den Tagen der Angst und Gefahr so mächtig emporgewallt waren, hatten sich wieder still in die innerste Verborgenheit versenkt, und der zarte, dichte Schleier weiblicher Zurückhaltung deckte das Leben ihrer Seele.

      Frau von Wendenstein hatte oft den milden Blick voll Theilnahme auf das junge Mädchen gerichtet, — aber sie hatte mit keinem Worte das stille innere Leben und Weben des jungfräulichen Herzens berührt, sie wußte, daß ein edles weibliches Herz eine Blume ist, die sich erschließen und blühen muß auf ihre eigene Weise — erschreckend und sich schließend bei jeder Berührung.

      Sie hatte in ihrem stillen, frommen Sinn auch diese beiden jungen Herzen in die Hände Gottes befohlen, der sie lenken und führen werde nach seinen gnädigen und liebevollen Rathschlüssen.

      Der Kandidat war wenig gekommen. Er war unermüdlich thätig, die Kranken zu trösten und zu erbauen, und in der ganzen Stadt sprach man von ihm mit Anerkennung und Hochachtung. Er hatte auch dem Lieutenant von Wendenstein, als dieser wieder gekräftigt der sicheren Genesung entgegensah, freundliche und herzliche Worte gesagt, ihn zur Dankbarkeit gegen die Vorsehung ermahnt, welche ihn von den Grenzen des Todes in's Leben zurückgerufen, — den Lieutenant aber hatte beim Anblick seines Gesichts und beim Ton seiner Stimme ein unwillkürliches konvulsivisches Zittern ergriffen und dann hatte er lange dagesessen in tiefem Sinnen — schauerlichen, furchtbaren Bildern folgend, welche in verworrenen Schrecknissen aus seiner Erinnerung heraufstiegen, — welche es ihn, aber nicht in feste, klare Formen zu bringen gelungen war. Und jedesmal, wenn er den Kandidaten sah, hatte er dasselbe unerklärliche Gefühl von Kälte und Todesangst, jedesmal suchte er von Neuem in seinen Erinnerungen und konnte sie doch nicht zur Klarheit bringen, — er schalt sich selbst wegen seiner Abneigung gegen den frommen jungen Geistlichen, und je mehr seine Genesung fortschritt und seine Nerven wieder die alte Spannkraft annahmen, um so mehr kämpfte er dagegen an und zwang sich, freundlich und herzlich gegen den Kandidaten zu sein.

      So war in ruhigem Stillleben der Tag herangekommen, an welchem die Damen mit dem Lieutenant, der wieder langsam zu gehen begonnen hatte, nach Blechow zurückreisen sollten. In die Freude über den dem Leben wiedergegebenen Sohn hatte sich ein neuer, tiefer Schmerz für Frau von Wendenstein gemischt. Die Einverleibung Hannovers in Preußen war als beschlossen und unabänderlich bekannt, und der Oberamtmann hatte in einem ruhigen, aber traurigen Brief seiner Frau mitgetheilt, daß er seinen Abschied erbeten habe, da er in den letzten Jahren seines Lebens nicht im Stande sei, einem neuen Herrn zu dienen. Er wolle zunächst nach Hannover ziehen und dann für seinen Sohn, den Lieutenant, von dem er ebenfalls nicht wünsche, daß er in den neuen Verhältnissen im Militärdienst bleibe, ein Landgut kaufen, wo dann für die ganze Familie eine neue Heimat erwachsen solle.

      Diesen Brief hatte Frau von Wendenstein am Vorabend der Abreise erhalten. Als sie ihn gelesen, rannen langsam große Thränen aus ihren Augen. So sollte sie denn nur heimkehren, um das alte Haus zu verlassen, in dem sie nun so lange Jahre geschaltet und gewaltet hatte, in dem jede Stelle verwachsen war mit lieben Erinnerungen ihres in seiner stillen und einfachen Abgeschlossenheit so glücklichen Lebens. — Aber sie konnte den Entschluß ihres Mannes, dessen Willen sie ohnehin in Allem zu gehorchen gewöhnt war, nur billigen, und als sie dann weiter dachte, über den schweren Abschied von dem Amtshause, das ja doch nicht ihr eigenes war, hinaus, als sie daran dachte, dann ihrem Sohne eine eigene Heimat zu gründen und auszustatten, ein Haus zu rüsten, das die bleibende Wohnstätte ihrer Kinder und Enkel sein solle, — da trocknete sie ihre Thränen, ein mildes Lächeln spielte um ihre Lippen und mit heiterer Ruhe las sie den Brief des Oberamtmanns den Ihrigen vor.

      Freudig strahlte das Gesicht des Lieutenants.

      »O, wie danke ich dem Vater!« rief er, »für diesen Entschluß, wie danke ich ihm, daß er mir erlaubt, mich vom Dienst zurückzuziehen, es wäre zu schmerzlich für mich gewesen, die alten Fahnen zu vergessen, für die ich mein Blut vergossen!«

      Und lächelnd seiner Mutter die Hand reichend, sagte er:

      »Und wie schön wird meine liebe Mama, unsere neue Heimat einrichten, — o — es wird reizend sein!«

      Und sein voller, strahlender Blick fiel auf Helene, welche, die Augen auf ihre Arbeit gesenkt, ihm gegenüber saß. Sie blickte nicht auf, — aber sie fühlte diesen Blick und eine dunkle Röthe flog über ihr Gesicht, — und Frau von Wendenstein sah mit weichem, glücklichem Lächeln zu ihr herüber, — aus dem Kummer der Gegenwart stieg vor ihr das Bild einer lichten, freundlichen Zukunft empor.

      Während dieß in den oberen Räumen des Hauses vorging, saß Margarethe mit ihrem Vater und Fritz Deyke bei dem einfachen Abendessen. Das junge Mädchen löste mit geschickter Hand die braune Schale von den schön aufgeplatzten, frischen Kartoffeln, den Erstlingen der dießjährigen Frucht, für ihren Vater und den Gast, der im Hause so heimisch geworden war.

      Alle Drei schwiegen, düster blickte der junge Bauer vor sich hin.

      »Sie essen nicht,« sagte der alte Mann, auf den Teller seines Gastes blickend, obgleich er selbst eben so wenig Appetit zeigte.

      »Vielleicht habe ich es nicht recht gemacht,« sagte Margarethe, indem sie versuchte, den Ton scherzhaften Schmollens anzunehmen, — aber es klang wie Thränen durch diesen Ton.

      Fritz Deyke warf einen schnellen Blick auf ihr bleiches Gesicht und ihre niedergeschlagenen Augen.

      »Ich kann nicht!« rief er mit halb erstickter Stimme, entschlossen Messer und Gabel neben seinen Teller legend. »Wenn ich daran denke, daß ich morgen fortgehen soll,« fuhr er fort, — »dann möchte ich wahrhaftig wünschen, niemals hieher gekommen zu sein; wenn ich so wieder zu Hause sitzen und hieher denken werde, — an die ganze Zeit — an unsern Tisch hier, — wie hübsch das Margarethe Alles gemacht hat, — dann werde ich gar nichts mehr essen können!«

      Der alte Lohmeier blickte ihn voll Theilnahme an, — man sah, auch ihm wurde es schwer, an die Trennung von dem frischen, treuen und guten Burschen zu denken.

      »Bleiben Sie noch hier!« sagte er einfach, »Sie wissen, daß wir Sie gern behalten.«

      Margarethe sah mit schimmerndem, feuchtem Blick zu dem jungen Bauern hinüber.

      »Das kann nichts helfen,« sagte dieser, — »einmal muß ich ja doch fort, und je später, desto schlimmer wird es.«

      Er seufzte tief und sein Auge begegnete dem Blick des jungen Mädchens.

      Margarethe zuckte zusammen und brach in lautes Schluchzen aus. Schnell sprang sie auf, bedeckte das Gesicht mit den Händen und lehnte weinend den Kopf an einen großen Schrank, der in der Tiefe des Zimmers stand.

      Fritz Deyke eilte zu ihr hin.

      »Mein Gott, mein Gott,« rief er und versuchte die Hände von ihrem Gesicht zu ziehen, — »ich kann das nicht ansehen, — mir wird das Herz zerspringen!«

      Dann stand er einen Augenblick still vor dem weinenden Mädchen, die Augen in tiefem Sinnen auf den Boden geheftet.

      Schnell trat er zum Tische zurück — vor den Alten hin.

      »Herr Lohmeier« sagte er mit fester Stimme, — »ich kann's nicht länger zurückhalten, — ich wollte erst nach Haus und mich mit meinem Vater verständigen, — und dann wollte ich zurückkommen, — aber