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überreichlich — um eine Frau zu ernähren, — ich weiß, Sie glauben, daß ich ein rechtschaffener Bursche bin — geben Sie mir Ihre Tochter!«

      Margarethe rührte sich nicht, sie nahm die Hände nicht von ihrem Gesicht, — ihr leises Weinen war hörbar in dem stillen Zimmer, während Fritz Deyke in athemloser Spannung auf den Alten blickte.

      Dieser sah ernst vor sich hin. Ein lebhaftes Erstaunen zeigte sich nicht auf seinen Zügen, — er mochte wohl Aehnliches erwartet haben, — aber nachdenkend schwieg er eine Weile.

      »Mir wäre es schon recht,« sagte er dann — »ich habe Sie liebgewonnen und würde Ihnen mit Ruhe das Glück meines Kindes anvertrauen, — aber da sind noch zwei Personen zu fragen — meine Tochter zuerst—«

      Mit einem Sprunge war Fritz neben dem jungen Mädchen.

      »Margarethe,« rief er, — »willst Du mit mir gehen?« Er legte den Arm um ihre Schultern und zog sie sanft nach dem Tische zu ihrem Vater hin.

      Sie ließ die Hände, mit denen sie noch immer ihr Gesicht bedeckt hatte, sinken — ihre Augen standen voll Thränen, — aber sie strahlten von Liebe und Vertrauen, und indem sie frei und voll den jungen Menschen ansah, sagte sie laut und klar:

      »Ja!«

      »Nun, das wäre Eins,« sagte der alte Lohmeier lächelnd, — »das Zweite aber ist ernster, — das ist die Einwilligung Ihres Vaters. — Die Zeit ist ernst und traurig,« fuhr er trübe fort, — »wird Ihr Vater, der alte Hannoveraner, die preußische Schwiegertochter freundlich in seinem Hause willkommen heißen, — die Tochter des treuen und festen Preußen, die ich verleugnen würde, wenn sie jemals die Liebe zu ihrem Könige vergäße?«

      Fritz Deyke schwieg einen Augenblick.

      »Herr Lohmeier,« sagte er dann, »Sie wissen, daß ich Hannoveraner bin von ganzem Herzen und von ganzer Seele, und daß es mir ein großer Schmerz ist, daß wir jetzt preußisch werden sollen, — aber was kann ich, und was kann Margarethe dafür? Wir haben die Politik nicht gemacht und können sie nicht anders — wollte Gott, Preußen und Hannover könnten sich so gut verständigen wie wir Beide, — ich übrigens,« fuhr er heiterer fort, — »kann mich gar nicht beklagen, — denn wenn Preußen mein Vaterland nimmt, so nehme ich dafür das Beste, was es für mich in Preußen gibt, und meine Annexion ist friedlicher und nimmt das Herz zum Herzen!«

      Er umschlang Margarethe und blickte bittend den Alten an.

      Dieser aber sah noch immer ernst darein.

      »Wird Ihr Vater auch so denken?« fragte er.

      Fritz dachte einen Augenblick nach.

      Plötzlich rief er:

      »Warten Sie einen Augenblick!« und schnell eilte er aus dem Zimmer.

      Betroffen blickte der Alte ihm nach. »Wohin geht er?« fragte er.

      »Ich glaube, ich weiß es,« sagte Margarethe — »er hat mir oft erzählt von der hohen Verehrung, welche sein Vater für die Frau von Wendenstein hegt, und wie er auf ein Wort von ihr Alles zu thun bereit sei.«

      Nach kurzer Zeit kam Fritz Deyke zurück.

      »Die gnädige Frau von Wendenstein läßt Sie bitten, zu ihr zu kommen,« sagte er mit glücklichen Blicken zum alten Lohmeier.

      Dieser stand sogleich auf, stäubte mit den Fingern die Aermel seines Rockes ab, strich mit der flachen Hand über das graue Haar und ging hinauf.

      Fritz und Margarethe blieben allein.

      Er setzte sich und zog das junge Mädchen sanft auf einen Stuhl, den er neben den seinen gestellt.

      Was sie sich sagten? So wenig und doch so unendlich viel, so Altes und doch so ewig Neues — eine jener unzähligen Variationen der ewigen Liebesmelodie, die durch das Menschenleben klingt von der Wiege bis zum Grabe, und deren unvergängliche Tone die Seele hinübertragen in die große Harmonie der Ewigkeit.

      Frau von Wendenstein führte den alten Lohmeier in das Krankenzimmer ihres Sohnes, — dort blieben sie eine halbe Stunde allein und das Resultat dieser Unterredung war, daß der Alte seine Zustimmung zu der Verlobung seiner Tochter mit Fritz Deyke gab, mit dem Vorbehalt der Einwilligung des alten Deyke, und damit dieser seine künftige Schwiegertochter kennen lerne, war verabredet, daß Margarethe Frau von Wendenstein begleiten sollte. Diese hatte es übernommen, sie dem Vater ihres Geliebten vorzustellen, und sie zugleich in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegend einzuweihen — und mit großem Stolz hatte der alte Lohmeier diesen Vorschlag angenommen, denn seine Verehrung für diese alte Dame, welche hier jetzt viele Wochen lang am Bette ihres Sohnes in seinem Hause zugebracht hatte, war ganz ungemein groß. Mit wichtiger und würdiger Miene hatte er den jungen Leuten mitgetheilt, was er »mit der gnädigen Frau von Wendenstein verabredet,« — und das Glück war groß bei den Beiden, wenn auch Margarethe mit einigem Zagen daran dachte, daß sie dem gestrengen Bauermeister gegenübertreten sollte, von dem ihr Fritz immer mit so großem Respekt gesprochen.

      So war die Abreise herangekommen. Bei einer leisen Andeutung, welche Frau von Wendenstein früher gemacht über einen Ersatz für die Kosten und die Mühe, welche ihr und ihres Sohnes länger Aufenthalt dem alten Lohmeier verursacht, hatte dieser sich so entschieden gekränkt und beleidigt gezeigt, daß nie wieder davon die Rede gewesen, — am Tage der Abreise gab sie Margarethen ein prachtvolles Kreuz in Rubinen und Diamanten an einer Schnur großer Perlen.

      »Ich habe hier viele Thränen geweint,« sprach sie sanft, — »daran mögen Sie die Perlen erinnern, mein liebes Kind, — aber die ewige Liebe, die wir anbeten unter dem heiligen Leidens- und Erlösungszeichen des Kreuzes, hat meine Thränen getrocknet und mein Herz getröstet und erhoben. — Daran möge Sie das Kreuz erinnern — und wenn Sie in Ihrem Leben Thränen vergießen, dann blicken Sie auf das Kreuz mit festem Glauben und innigem Vertrauen.«

      Mit feuchten Augen hatte Margarethe das Geschenk empfangen, bewegt hatte der alte Lohmeier die weiße, feine Hand der Frau von Wendenstein an seine Lippen gedrückt und das Kreuz mit der Perlenschnur sorgfältig verschlossen in einen alten Eichenschrank, in welchem die einfachen und gediegenen Schmucksachen seiner verstorbenen Frau aufbewahrt waren, — das Alles sollte seine Tochter haben, wenn sie sich verheiratete und als Hausfrau einzöge in den alten, stattlichen Bauerhof im Wendlande.

      Und dann waren sie abgereist, begleitet von tausend Glück- und Segenswünschen des alten Lohmeier, der, wenn Alles geordnet wäre, versprach, nachzukommen und im Stillen schon daran dachte, für die letzten Tage seines Lebens dem einzigen Kinde nachzufolgen in die neue Heimat.

      So hatte auf der Stätte, wo im blutigen Kampfe die Waffen der Hannoveraner und der Preußen sich gegen einander erhoben, die christliche Barmherzigkeit und der liebevolle Zug zweier jungen, frischen Herzen aus der Saat des Hasses Liebe geerntet — nach dem Willen des Ewigen, der überall das Böse zum Guten wendet und der auf den Wegen, welche die Dämonen des Kampfes und Streites die Menschen führen, überall mit unermüdlicher Sorge ihren finstern Spuren das lichte Kind des Himmels folgen läßt: die Versöhnung.

      Traurig und ernst war das Wiedersehen in Blechow. Lange drückte der Oberamtmann schweigend den dem Tode entrissenen Sohn an die Brust; stumm küßte er die Stirn der Gattin. Trübe und ernst waren die Tage, die folgten.

      Der Oberamtmann arbeitete mit dem Auditor von Bergfeld, um die Akten des Amtes in voller Ordnung als Beweis der rechten und pünktlichen Dienstführung dem Nachfolger übergeben zu können, — Frau von Wendenstein ging in stiller, wehmüthiger Geschäftigkeit im Hause umher, um alle die lange gesammelten Schätze einer fast zwanzigjährigen Haushaltung, doppelt werthvoll durch die Erinnerungen, welche sich an sie knüpften, nur ihrem Blick und ihrem Herzen verständlich, — um alle diese Schätze einzupacken in große Kisten für den Transport aus dem alten, weiten Hause. Und die großen, mächtigen Eichenschränke sahen so traurig aus mit den geöffneten Thüren und den leeren Fächern, und durch das ganze Haus wehte schaurig und kalt der Geist des Abschieds, der Trennung, — dieser Geist, der wie ein Bote des Todes finster durch das Menschenleben zieht, jedesmal, wo er uns nahe tritt, das Herz berührend