»Aber die Kirche,« fragte der König von Hannover, — »würde sie Beust gut aufnehmen?«
»Ueber kirchliche Fragen vermeide ich zu sprechen,« sagte König Johann ernst, — »ich bin glücklich, daß die Verhältnisse und die Verfassung Sachsens mich nie in die peinliche Lage bringen, zwischen den politischen Nothwendigkeiten und meinen religiösen Gefühlen entscheiden zu müssen. — Hast Du gute Nachrichten von der Königin?« fuhr er abbrechend fort.
»Ich danke Dir,« antwortete König Georg, »es geht ihr so gut, als es unter den obwaltenden Verhältnissen möglich ist.«
»Ich bewundere ihren Heldenmuth und ihre würdige Haltung,« sagte der König von Sachsen, — nach einem kurzen Stillschweigen fragte er:
»Wirst Du hier bleiben? — oder nach England gehen?«
»Nach England?« rief König Georg, — »nach England, das keinen Finger rührt, um mich zu schützen, um das Land zu vertheidigen, das ihm eine Reihe glorreicher Könige gegeben, dessen Söhne in Englands Kriegen geblutet haben? Nein, — ich bleibe hier, hier im Hause meines Vetters, das er mir so freundlich zur Verfügung gestellt hat,« er trat mit dem Fuße leicht auf den Teppich, — »hier bin ich wenigstens auf welfischem Boden, hier will ich bleiben, bis die Tage des Unglücks sich wenden!«
»Du glaubst an eine mögliche Wendung des jetzigen Schicksals?« fragte der König Johann mit einem gewissen Erstaunen.
»Ich glaube daran,« sagte der König von Hannover mit fester Stimme.
»Aber,« fuhr König Johann fort, — »hier in Oesterreich, das uns so schwer im Vertrauen auf seine Macht getäuscht, — wir sind ihnen jetzt schon eine Verlegenheit, — die Lage wird peinlich werden —«
»Hier im stillen Hietzing,« erwiederte König Georg, »werde ich die politische Welt von Wien nicht in Verlegenheit setzen, — vielleicht aber,« fuhr er ernst fort, »eine lebendige Erinnerung an Verpflichtungen sein, die man doch nicht abstreifen kann!«
Der König von Sachsen stand auf, — König Georg erhob sich ebenfalls.
»Ich erwarte meinen Sohn,« sagte König Johann, —»er wird Dir seinen Respekt bezeugen.«
»Ich werde mich von Herzen freuen, den Kronprinzen zu sehen,« sagte König Georg.
Der König von Sachsen drückte ihm die Hand, — König Georg schellte, die Flügelthüren öffneten sich und Arm in Arm durchschritten beide Fürsten das Vorzimmer. König Georg geleitete seinen Gast bis an den Ausgang des Hauses und kehrte dann, auf den Arm des Grafen Wedel, der ihm gefolgt war, gestützt, in sein Kabinet zurück.
Inzwischen war Graf Platen und der Regierungsrath Meding im Vorzimmer erschienen.
Der Kammerdiener meldete sie dem Könige.
»Rufen Sie den Kronprinzen und den Geheimen Kabinetsrath,« befahl Georg V.
Nach einigen Minuten trat der Kronprinz Ernst August und der Kabinetsrath in das Kabinet des Königs, Graf Platen und der Regierungsrath Meding folgten ihnen, — Alle setzten sich auf einen Wink des Königs um den Tisch.
Der König begann mit ernster Stimme:
»Die Einverleibung Hannovers in Preußen ist unwiderruflich beschlossen,« sagte er, »und ich stehe vor einem ernsten Entschlusse, zu dem ich Ihren Rath, meine Herren, hören will. — Wie Sie wissen, hat die englische Regierung sich erb0ten, ihre Vermittlung eintreten zu lassen für die Regelung der Vermögensverhältnisse meines Hauses, und zugleich den Wunsch ausgesprochen, daß ich meine Armee von ihrem Fahneneide entbinde, — wodurch jene Vermögensverhandlungen sehr erleichtert werden würden. — Nach meiner persönlichen Neigung würde ich einfach jede Verhandlung ablehnen und die Wendung des unglücklichen Schicksals abwarten, — indeß es kommen dabei nicht nur die Interessen meines Hauses, sondern auch die Existenzen vieler meiner Offiziere in Frage, — was meinen Sie, daß geschehen könne, Graf Platen?«
»Majestät,« sagte der Graf, sich leicht verneigend, »ich bin der Meinung, daß Eure Majestät in den jetzigen Verhältnissen danach trachten müssen, so viel Geld als möglich zu haben, — denn die verfügbaren Mittel sind sehr beschränkt. Wenn nun, wie ich annehme, die preußische Regierung einen großen Werth auf die Entbindung der Armee vom Fahneneide legt, so läßt sich damit viel erreichen, — ich glaube, daß Eure Majestät nicht zögern dürfen, die Verhandlungen einzuleiten, jedoch dürfte die Fahneneidsfrage nicht erledigt werden, bevor ein günstiges Resultat erreicht ist!«
— »Vor Allem,« sagte der Kronprinz, »müßte man die Domänen unseres Hauses mit den Jagden zu erhalten suchen.«
»Was meinen Sie, lieber Regierungsrath?« sagte der König und richtete den Kopf mit gespanntem Ausdruck nach dem Regierungsrath Meding hin.
»Majestät,« erwiederte dieser, — »ich bin durchaus der Ansicht, daß Eure Majestät in diese Verhandlungen eintreten müssen, — doch möchte ich nicht ganz die Meinung Seiner Excellenz des Grafen Platen, auch nicht diejenige Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen theilen. — Nach Eurer Königlichen Majestät fest und bestimmt ausgesprochenem Willen,« fuhr er fort, »muß ich voraussetzen, daß Allerhöchstdieselben das Schicksal, welches der Krieg für Hannover gebracht hat, nicht anerkennen, sondern mit allen Mitteln Ihr Recht verteidigen wollen —«
»Das will ich,« rief der König lebhaft, mit der Hand leicht auf den Tisch schlagend, — »und wenn mein Exil zwanzig, — wenn es dreißig Jahre dauern soll, so werde ich nie aufhören, für mein Recht zu streiten!«
»Eure Majestät haben dazu die vollständigste Berechtigung,« sagte der Regierungsrath Meding, — »es ist Ihnen der Krieg erklärt und kein Frieden mit Ihnen geschlossen, — Eure Majestät sind also im Kriegszustande und können demgemäß handeln, — müssen aber dann auch erwarten, daß von der andern Seite in gleicher Weise wird verfahren werden. Für uns, Eurer Majestät Diener, ist hienach die Pflicht klar vorgezeichnet,« fuhr er sich verneigend fort, — »da Eure Majestät den Kampf aufnehmen wollen, so müssen auch alle Maßregeln diesem Willen Eurer Majestät gemäß getroffen werden. — Der Besitz von Domänen im Königreiche Hannover macht Eure Majestät vollständig von der preußischen Regierung abhängig, — jeder Grundbesitz muß außerdem fast täglich durch konkludente Handlungen die Autorität der Behörden des Landes anerkennen, das Alles paßt nicht zu der Stellung, welche Eure Majestät einnehmen wollen. — Außerdem, — verzeihen Eure Majestät, aber ich kann mich von einem Grundsatz nicht trennen, der für meinen großen Meister in der Politik, den Herrn von Manteuffel, maßgebend war —«
»Ein preußischer Grundsatz,« sagte der Kronprinz lächelnd.
»Königliche Hoheit,« erwiederte der Regierungsrath Meding ernst, — »die Grundsätze, welche ich im preußischen Dienste gelernt und befolgt habe, werde ich nie verleugnen — und in Befolgung eines der unerschütterlichsten dieser Grundsätze habe ich in diesem Augenblick die Ehre, an der Seite meines Königs im Unglück zu stehen, — ich kann durch die Verhältnisse, die Pflicht und die Liebe zu meinem Herrn dem Lande meiner Geburt feindlich entgegenzutreten gezwungen werden, — verleugnen und gering achten werde ich es nie!«
Der Kronprinz schwieg.
»Sie haben vollkommen Recht,« sagte der König lebhaft, — »Sie würden mir kein treuer Diener sein, wenn Sie Ihren früheren Herrn verleugneten. — Herr von Manteuffel also —«
»Herr von Manteuffel,« sagte der Regierungsrath Meding, »pflegte zu sagen: Ein kluger General denkt vor Allem an den Rückzug. Auch bei dem Kampf, den Eure Majestät unternehmen, möchte ich oft und sorgfältig den Rückzug in's Auge fassen, — und wenn derselbe jemals angetreten werden muß, so scheint es mir nicht würdig, daß die Welfen Grundbesitzer in dem Lande sind, in welchem sie die Krone getragen, ein unabhängiges Kapitalvermögen wird dann die Basis zur Erwerbung von neuem Besitz in dem Lande