Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
Скачать книгу
unter die winterliche Schneedecke des Todes, — aber jede Blüte läßt auch eine Frucht zurück, welche die Keime in sich trägt zu reineren und schöneren Blumen, die sich dereinst erschließen werden zu unzerstörbarer Schönheit unter dem Lebenshauch des ewigen Frühlings.

      Fritz Deyke hatte eine lange Unterredung mit seinem Vater gehabt, und finster hatte der Alte vor sich hingeblickt bei den Worten seines Sohnes. Er liebte diesen Sohn, er hatte unbedingtes Vertrauen zu ihm und er war fest überzeugt, daß seine Wahl keine unwürdige sei, — aber eine städtische Schwiegertochter im Hause zu haben, — eine preußische Frau im alten Bauerhofe des hannöverischen Wendlandes, das wollte ihm nicht in seinen Sinn. Doch er sagte nichts und ging auf die Bitte seines Sohnes zum Amthause zur Frau von Wendenstein.

      Als nun die alte Dame, zu welcher er emporblickte wie zu einem Musterbilde aller weiblichen Vollkommenheit, ihm erzählte von der gastlichen Aufnahme, welche ihr verwundeter Sohn und sie Alle im Hause des alten Lohmeier gefunden, als sie ihm den Wohlstand des bürgerlichen Besitzes schilderte, der Margarethens Vater zugehörte — als sie ihm freundlich und herzlich zusprach, die großen Kämpfe der Zeit nicht zu übertragen an den stillen Herd des Hauses, da hatte er ernst und ruhig der alten Dame die Hand gereicht und gesagt:

      »Es sei, wie mein Sohn es wünscht, — er ist brav und treu, — die Frau, die er in mein Haus führt, soll mir willkommen sein und mein väterlicher Segen soll auf ihrem Haupte ruhen.«

      Dann hatte Frau von Wendenstein die Thüre des Nebenzimmers geöffnet, und tief erröthend in zitternder Verwirrung, aber mit freiem und klarem Blick war Margarethe hereingetreten, — gekleidet in die Tracht der reichen Bäuerinnen des Wendlandes. Rasch schritt sie auf den Alten zu, ergriff seine Hand und küßte sie und eine warme Thräne fiel auf diese rauhe, arbeitgewohnte Hand nieder.

      Da flog ein weiches, mildes Lächeln über das starre, tiefgefurchte Gesicht des alten Bauermeisters, sanft, wie lange nicht, blickte sein Auge auf die kräftige, schlanke Gestalt des jungen Mädchens nieder, — er legte seine Hand auf ihr glänzendes Haar und sprach mit tiefer Stimme:

      »Gott segne Dich, meine Tochter!«

      Damit war Alles gesagt — und Alles in Ordnung; — es war ein Mann von wenig Worten der alte Deyke, — aber sein Wort war ein Felsen, und wenn es gesprochen war, so konnte man Häuser darauf bauen.

      Dann war Margarethe in sein Haus gekommen, und als sie da einherging an seiner Seite, als sie mit staunender Bewunderung den Reichthum dieses alten Hofes ansah, als sie mit klugem Verständniß hie und da eine Bemerkung über die Verhältnisse der Wirthschaft machte, da war sein Gesicht immer heller und heller geworden. Als sie dann aber die Mägde aus der Küche fortgeschickt und mit geschickter Hand ganz Allein das Feuer entzündet und das Mittagsessen gekocht, als sie den Tisch gedeckt und Alles so gewandt und zierlich aufgetragen hatte, während Fritz sie mit leuchtenden Augen ansah, — als sie endlich dem Alten die Pfeife gebracht, die Kohle darauf gelegt und ihn dann mit den großen klaren Augen so lieblich und bittend angesehen, da hatte sein Blick sich leicht umflort, das Bild seiner verstorbenen Hausfrau stieg freundlich vor ihm empor, — er hatte seinem Sohn die Hand gereicht und gesagt:

      »Ich danke Dir, daß Du mir diese Tochter gebracht.«

      In tiefer Rührung waren beide jungen Leute vor ihm niedergekniet und mit halb erstickter Stimme hatte er leise zu ihnen gesagt:

      »Gott segne und behüte euch, — meine lieben, lieben Kinder!«

      Der Lieutenant ging still und sinnend umher. Seine Wunde war fast geheilt, seine Nerven stärkten sich wieder und die wunderbare Regenerationskraft der Jugend ließ das Blut immer voller und frischer durch seine Adern strömen. Er sah Helene selten; kam sie vom Pfarrhause herüber, so waren sie umgeben von den Uebrigen und wenige Worte hatten sie mit einander gewechselt. Der alte, heitere und vertrauliche Ton, welcher früher zwischen den Jugendgespielen geherrscht hatte, wollte nicht wiederkommen, — es war etwas Neues und Wunderbares zwischen ihnen, das scheu zurückbebte von der Lippe, wenn es in Worten Ausdruck suchte.

      An einem Nachmittage, während der Oberamtmann mit dem Auditor arbeitete und Frau von Wendenstein mit ihren Töchtern und Margarethe bei dem traurigen Geschäfte der Auflösung des Hauses thätig war, schritt der Lieutenant langsam und gedankenvoll den Weg zum Pfarrhause heraus.

      Die Rosen waren verblüht in dem kleinen, freundlichen Garten, und die herbstlichen Astern erhoben ihre bunten Häupter, hie und da überragt von großen, weithin leuchtenden Sonnenblumen.

      Helene saß am offenen Fenster und blickte oft von ihrer Arbeit träumerisch in die herbstliche Gegend, — ihr Vater und der Kandidat waren hinausgegangen, um einige Besuche in der Gemeinde zu machen, — sie war allein mit ihren Gedanken.

      Plötzlich fuhr ein leichtes Zittern durch ihre Glieder, eine schnelle Röthe schlug in ihrem zarten Gesicht auf, sie ließ die Arbeit in den Schooß sinken. Der Lieutenant von Wendenstein kam den Weg herauf und schritt durch den Garten dem Hause zu.

      Einen Augenblick später ertönte sein Klopfen an die Thüre, mit Anstrengung rief sie: »Herein!« und der junge Mann trat in's Zimmer.

      Ein freudiger Schimmer leuchtete in seinem Gesicht auf, als er Helene allein sah.

      Rasch näherte er sich ihr und reichte ihr die Hand.

      »Der Vater ist ausgegangen,« sagte sie mit niedergeschlagenen Augen und bebender Stimme, — »wollen Sie Platz nehmen!«

      Der Lieutenant blieb vor ihr stehen und blickte sie tief und innig an. Dann hob er ihre Hand an seine Lippen und drückte einen Kuß darauf.

      Tief erröthend wollte sie die Hand zurückziehen, — er hielt sie mit sanfter Gewalt fest.

      »Ich bin sehr glücklich,« sagte er, — »Sie allein zu finden, — ich habe Sie schon lange etwas fragen wollen, — worüber ich nicht klar bin.«

      Sie hob erstaunt und fragend den Blick zu ihm empor, — sie wollte sprechen, aber sie fand kein Wort.

      »Helene,« sagte er mit leiser Stimme, — »als ich verwundet und krank in Langensalza lag, ohne Kraft zum klaren Denken, vom Fieber umfangen, da umschwebten mich so süße, freundliche Bilder, — ich sah vor mir einen tröstenden Engel, der mich so treu und liebevoll ansah, — ich hielt seine Hand in der meinen, ich drückte meine Lippen auf diese hülfreiche, gütige Hand, — und ich sagte aus dem Grunde meines Herzens: ›liebe Helene‹« —

      Sie zog jetzt rasch ihre Hand zurück und setzte sich in heftiger Bewegung auf den Stuhl am Fenster, blaß und zitternd die Augen auf den Boden geheftet.

      Er trat zu ihr heran und fuhr in innigem Tone fort:

      »Sagen Sie mir nun — denn über meine Erinnerungen aus jener Zeit legt sich zuweilen ein trüber Schleier — sagen Sie mir, waren das Gebilde meiner Phantasie, die ich nicht aus meiner Seele entfernen kann, die mich immer und immer verfolgen — oder war es Wirklichkeit?« —

      Sie antwortete noch immer nicht und saß still und regungslos da.

      »Helene,« sagte er bittend, — »in diesen süßen Bildern meiner Erinnerung sah ich auch einen Blick, der mir so schöne und liebe Dinge sagte in stummer Sprache, — dieser Blick steht vor mir Tag und Nacht, — Helene, sehen Sie mich nur einmal an, damit ich sehen kann, ob das Bild in meinem Herzen den Fieberträumen oder der Wahrheit angehört.«

      Er sank vor ihr in die Kniee und ergriff ihre herabhängende Hand, mit sehnendem, liebevollem Ausdruck zu ihr aufschauend.

      Da schlug sie langsam das Auge auf, — und in diesem Auge las er die Antwort, dieß Auge sprach wieder jene stumme Sprache, die in seinem Herzen wiedertönte, — und wie damals drückte er ihre Hand an seine Lippen, wie damals ließ sie sie ihm lieblich lächelnd, und wie damals sagte er glücklich und strahlend, mit weichem Tone: »Liebe, liebe Helene!«

      Lange saßen sie stumm und sahen sich in die Augen — er konnte nicht müde werden, diese lieben Züge zu betrachten, die sich in den Tagen der Todesgefahr so tief in seine Seele gegraben hatten.

      Dann aber sprang er auf,