Eine augenblickliche Pause trat ein.
»Mit einem Wort also,« sagte der Regierungsrath Meding, — »Eure Majestät müssen den Kampf mit Waffen aufnehmen, welche schneidig und wirksam sind — und edel und würdig zugleich, damit auch die Gegner uns achten — damit, wenn Alles vergeblich ist — das Welfenhaus seiner tausendjährigen Vergangenheit gemäß endet und die Geschichte einst sagen könne: Sie sind gefallen, aber nicht gesunken — Ich habe,« fuhr er nach einem kurzen Stillschweigen fort, »nur in großen Zügen die Ideen entwickeln können, welche nach meiner unmaßgeblichen Ansicht die Richtschnur für unsere Thätigkeit bilden müssen, — ich muß mir vorbehalten, näher darauf zurückzukommen, wenn Eure Majestät es befehlen werden.«
»Eine solche Thätigkeit wird aber viel Geld kosten,« sagte der Kronprinz.
»Es läßt sich auch mit geringen Mitteln viel erreichen, Königliche Hoheit,« erwiederte der Regierungsrath Meding, — »wie ich aus Erfahrung sagen kann — indeß, wenn man um Kronen spielt, darf man den Einsatz nicht zu ängstlich zählen.«
Der König erhob das Haupt.
»Ich bin mit Ihren Ansichten vollkommen einverstanden, mein lieber Meding,« sagte er, »das legitime Recht verträgt sich vollkommen mit der Freiheit — mit der wahren und vernünftigen Freiheit, — ich scheue wahrlich den Strom des Geistes nicht, und an meiner Thätigkeit und meinem Willen soll es nicht fehlen. — Wir kommen auf die Sache zurück, — ich bin begierig, näher darauf einzugehen.«
»Es wäre gewiß sehr zweckmäßig, mit den Männern der Volkspartei in Verbindung zu treten,« sagte Graf Platen, — »und der Regierungsrath Meding könnte ja immer solche Beziehungen anknüpfen, — persönlicher Natur,« fügte er hinzu, »Eure Majestät müßten die Möglichkeit und Freiheit behalten, die Sache zu desavouiren —«
Lebhaft erwiederte Herr Meding:
»Wenn ich mit irgend einer Regierung verhandle, so gibt es Fälle, wo jeder Diplomat von vornherein bereit sein muß, sich desavouiren zu lassen, — sollte ich aber mit Organen des Volkes verhandeln, so würde beim ersten Desaveu meine Ehre und Ueberzeugung mir gebieten, auf die Seite Jener zu treten und ihre Sache zu der meinigen zu machen. — Uebrigens,« fügte er mit einer Verneigung gegen den König hinzu, — »weiß ich, daß das von Seiten Eurer Majestät niemals geschehen wird.«
Der König ließ seine Uhr repetiren.
»Es ist Zeit zum Diner,« sagte er, »ich sehe die Herren ja alle bei mir. Bereiten Sie also die Instruktionen vor, — und dann werden wir den Plan für unsere Aktion feststellen.«
Er erhob sich. Sämmtliche Anwesenden standen auf. Graf Platen, der Geheime Kabinetsrath und der Regierungsrath Meding verließen das Kabinet und kehrten in den chinesischen Salon zurück.
Hier war die zum Diner des Königs befohlene Gesellschaft schon versammelt. Sie bestand außer dem Adjutanten vom Dienst aus dem Feldmarschall-Lieutenant von Reischach, dem Prinzen Hermann von Solms und dem Hauptmann von Düring.
Graf Wedel hatte seinen Dienst angetreten und trug den Stab des Hofmarschalls.
Baron Reischach sprach mit dem Prinzen Hermann.
»Wie stolz dieser vortreffliche kleine Prinz ist,« sagte er, freundlich lächelnd, »über den ersten Pulverdampf, den er gerochen — ja, ja,« fuhr er seufzend fort, »das sind schöne Zeiten, — die nicht wiederkommen, — ein alter zerschossener Krüppel, wie ich, kommt nicht mehr dazu, die Musik der Kanonen zu hören —«
»Wenn man Sie aber sieht,« sagte der Prinz, »so frisch, so rosig, sollte man wahrlich nicht denken, daß diese Zeit Ihnen so fern läge, — wäre das weiße Haar nicht, so würde man Sie für einen jungen Mann halten.«
»Die Damen in Wien nennen meinen Kopf eine bezuckerte Erdbeere,« sagte der General lachend, — »aber diese Frucht lockt sie doch nicht mehr, — die Zeit des Kriegs und der Liebe ist vorbei, — aber das alte Herz da bleibt doch jung und freut sich stets über einen so vortrefflichen kleinen Prinzen, der sich so tapfer geschlagen hat!«
Und der alte General klopfte dem Prinzen freundlich auf die Schulter.
Graf Platen trat heran und begrüßte Herrn von Reischach.
»Was gibt es Neues in Wien?« fragte er.
»Wenig,« sagte Herr von Reischach achselzuckend. »Doch,« — fuhr er fort, »ein halber Landsmann von Ihnen, ein Mecklenburger, entführt uns eine unserer schönsten Damen.«
»Wer?« fragte Graf Platen.
»Der Baron Stielow heirathet in vierzehn Tagen die kleine Gräfin Frankenstein.«
»Ah,« sagte Graf Platen, »Herr von Stielow, der Ordonnanzoffizier bei Gablenz war?«
»Derselbe.«
»Er hat sich konvertirt, wie ich gehört habe.« sagte der Prinz Hermann.
»Ans Liebe zu seiner Braut,« erwiederte Herr von Reischach, — »und aus Dankbarkeit für ihre Rettung aus großer Lebensgefahr, — sie hatte sich bei der Pflege der Verwundeten eine Blutvergiftung zugezogen. — Sie werden nach der Hochzeit längere Zeit reisen —«
Der Haushofmeister öffnete die Thüren des Speisesaales.
Graf Wedel trat in das Kabinet des Königs.
Unmittelbar darauf öffneten sich dessen beide Flügelthüren, Graf Wedel stieß seinen Stab auf den Boden und der König erschien in der Oberstenuniforin seines österreichischen Regiments, den Stern des St. Stephansordens auf der Brust, das Maria-Theresienkreuz um den Hals, am Arm des Kronprinzen.
Er grüßte die Gesellschaft mit einem leichten Neigen des Kopfes und schritt in den Speisesaal, wohin Alle ihm folgten.
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Langsam hatte sich der Lieutenant von Wendenstein erholt, seit seine Natur die Krisis überwunden, und wenn auch oft noch Augenblicke und Stunden großer Schwäche gekommen waren, so hatte doch im Ganzen die Besserung ohne bedenkliche Schwankungen ihren Fortgang genommen und der Arzt hatte die Hoffnung gegeben, daß für die künftige Gesundheit des jungen Mannes keine nachtheiligen Folgen Zurückbleiben würden.
Je mehr die Besserung aber fortschritt, — je mehr die Kräfte des Kranken zurückkehrten, je mehr sein Blick klar, freudig und fest aus dem allmälig sich wieder mit leichter Röthe färbenden Gesicht strahlte, um so mehr hatte sich Helene zurückgezogen und die Pflege der Frau von Wendenstein und ihrer Tochter überlassen, während sie selbst ihren ganzen Eifer darauf richtete, der alten Dame alle möglichen Aufmerksamkeiten zu erweisen und ihr die gewohnte häusliche Bequemlichkeit zu ersetzen.
Das war aber gar nicht nöthig, denn Frau von Wendenstein bedurfte keine andere Stärkung, als den Blick in das täglich sich mehr und mehr belebende Gesicht ihres Sohnes.
Mit strahlenden Augen und glücklichem Lächeln folgte sie den Fortschritten der Genesung und mit der scharfen Beobachtung der Mutterliebe entdeckte sie jede noch so feine und unmerkbare Nüance, welche durch Farbe und Ausdruck auf dem Gesichte des jungen Offiziers die Rückkehr des frischen Lebens und der Jugendkraft andeutete.
Frisch und heiter wurde sie wieder und mit lebhaftem Interesse hatte sie Einblick genommen in die häusliche Wirthschaft des alten Lohmeier — sie hatte oft ihre große Zufriedenheit und zugleich ihr Erstaunen geäußert über die große Ordnung in den reichen