Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Erstaunen blickte der alte Herr auf diese unerwartete Szene, — ein jäher Blitz zuckte mit bösem, feindlichem Ausdruck aus den scharfen Augen des Kandidaten, schnell aber senkten sich seine Blicke zu Boden und ein glattes Lächeln spielte um seinen Mund.

      Helene hatte in lieblicher Verwirrung den Kopf tief gesenkt, — der Lieutenant trat rasch dem Pastor entgegen und ergriff lebhaft dessen Hand.

      »Lieber Herr Pastor,« sagte er mit entschlossenem Tone, — »meine liebe Jugendfreundin Helene hat mein Leben behütet und bewacht, als es an einem schwachen Faden noch mit der Welt zusammenhing, — ich habe sie gebeten, auch weiter — immer und immer — der treue Engel meines Lebens zu sein — und — sie will es —« fügte er mit einem glücklichen Blick auf das junge Mädchen hinzu, — »wollen Sie einst an dem Altar dieser lieben Kirche, wo ich Ihnen das Bekenntniß der Konfirmation ablegte, unsere Hände ineinander fügen?«

      Und er blickte treuherzig dem alten Geistlichen in die Augen, der noch immer tief erstaunt vor dieser Wendung der Dinge stand, von welcher sein einfacher, ruhiger Blick nichts geahnt hatte.

      Er sah seine Tochter an. Der Blick, welchen sie schüchtern und erröthend auf den jungen Mann warf und dann bittend zu ihm erhob, sagte ihm, daß zwischen den jungen Leuten Alles einig sei und daß Gott hier zwei Herzen zu einander geführt hatte, die es ihm nicht zukam zu trennen. Er liebte den jungen Offizier und konnte nur mit Zufriedenheit diese Fügung annehmen, welche ihm den jungen Mann so nahe führte, — aber seine Gedanken und Pläne in Bezug auf seine Tochter hatten eine so ganz andere Richtung gehabt, — er konnte sich nicht so schnell in diese neue Lage finden.

      Helene sprang auf, — eilte zu ihrem Vater und lehnte sich an seine Brust.

      Der alte Herr warf einen ernsten Blick auf seinen Neffen, welcher mit mildem, gleichmäßigem Lächeln und gesenkten Blicken dastand.

      »Mein lieber Herr von Wendenstein,« sagte er, — »Sie wissen, wie sehr ich Sie und Ihre Familie von Jugend auf liebe, — und wenn meine Tochter Ihnen ihr Herz geschenkt, so kann ich nur als Vater und als Geistlicher die Hände segnend auf Ihre Häupter legen, — ich muß indeß gestehen, daß das Alles mich sehr überrascht, — ich hatte andere Gedanken in Bezug auf die Zukunft meiner Tochter,« — und er blickte abermals ernst und forschend zu dem Kandidaten hinüber.

      Dieser trat zu ihm hin und sprach mit ruhiger Stimme und freundlichem Lächeln, ohne die Augen aufzuschlagen:

      »Laß keinen Mißton in die freundliche Harmonie dieser Stunde dringen, lieber Oheim, — Du weißt, ich bin vor Allem meinem geistlichen Beruf ergeben, — irdische Wünsche, so theuer sie meinem Herzen sein mögen, können den geistlichen Frieden meiner Seele nicht stören, und wenn der Himmel es anders fügt, als ich es gewünscht und gehofft, so sehe ich darin nur eine gnädige Weisung, mich mehr und mehr mit der ganzen Kraft meiner Seele vom Irdischen abzuwenden, um diese ganze Kraft der treuen Erfüllung meines heiligen Amtes zu widmen. Ich werde aus tiefster Seele für das Glück meiner Cousine beten! — Ich bringe Ihnen meinen herzlichen Glückwunsch, Herr von Wendenstein,« fuhr er fort und reichte dem jungen Offizier die Hand.

      Dieser ergriff sie lebhaft mit bewegtem Blick auf den jungen Geistlichen. Aber die Hand war kalt wie Eis und ein tiefer Schauer durchdrang unwillkürlich alle Nerven des Lieutenants, als er sie berührte und ihren zähen, schlangenartigen Druck fühlte. — —

      Zum letzten Male sollte das alte Amtshaus in Blechow um seinen gastlichen Tisch die Freunde des Hauses vereinen, um die Verlobung des Lieutenants mit Helenen zu feiern. So hatte es der Oberamtmann gewollt, und er hatte auch bestimmt, daß der alte Deyke, Fritz und Margarethe und auch der alte Lohmeier, der herübergekommen war, an diesem Ehren- und Freudentage der Familie theilnehmen sollten, der zugleich ein ernster und schwerer Abschiedstag war. Der Oberamtmann wollte diesen harten, traurigen Abschied verklären durch die Vereinigung mit der Feier zweier Herzensbündnisse — Alle sollten in das Leben eine freundliche, lichte Erinnerung mitnehmen an die vergangenen Tage des alten Hauses — der alten Zeit, welche nun mit erlöschenden Strahlen hinabsank in das Meer der Vergangenheit.

      Alles war bereits gepackt und zur Absendung fertig, — nur das Tischgeräth und das alte, schwere Silberzeug war noch draußen, um zum letzten Male seine gediegene Pracht zu entfalten.

      Am Morgen war der Regierungsassessor von Wendenstein gekommen und hatte eine lange und ernste Unterredung mit seinem Vater gehabt.

      Er theilte ihm mit, daß man ihm angetragen, als Hülfsarbeiter in das Ministerium des Innern in Berlin einzutreten, und er sprach den Wunsch aus, dem Antrage zu folgen, da er dort dafür wirken könne, mit schonender, milder Hand sein Vaterland in die neuen Verhältnisse einzufügen. Doch stellte er seinen Entschluß der Entscheidung des Vaters anheim.

      Lange stand der alte Oberamtmann ernst, in tiefem Sinnen da.

      »Du bist jung, mein Sohn,« sagte er dann mit ruhiger, milder Stimme, »Dein Leben gehört der Zukunft, Du mußt in die Arbeit des Lebens hinein und darfst Dich nicht in die Vergangenheit begraben. Der König hat alle Beamten ihres Eides entbunden, — Du bist also frei, — ergreife die Gelegenheit, eine Carrière zu machen und Deine Kraft für das gemeine Beste nützlich zu verwenden, — vergiß aber nie Dein gutes, treues hannöverisches Vaterland, — halte seine Erinnerung heilig in Deinem Herzen, — und wo Du kannst — wirke, daß man ihm mit Liebe entgegenkomme und seinen Schmerz um die schöne und ehrenvolle Vergangenheit achte. Mein Segen sei mit Dir auf Deinem neuen Wege!«

      Schweigend hatte der Regierungsassessor die Hand seines Vaters geküßt und dann war zwischen Beiden nichts mehr darüber gesprochen worden. —

      Ernst und bewegt saß die Gesellschaft um den Tisch im Speisesaal des Amtshauses. Voll Würde nahm der alte Deyke seinen Platz zur Seite des Oberamtmanns ein, — verlegen, aber stolz und glücklich saßen Fritz und Margarethe neben einander, in lichter Freude blitzte das Auge des Lieutenants, in stiller Seligkeit schimmerte das zarte, sinnige Gesicht Helenens, und wollte zuweilen eine Thräne in das sanfte, klare Auge der Frau von Wendenstein dringen, so blickte sie hin auf den wiedergeschenkten Sohn und seine liebliche Braut, — und ein glückliches Lächeln spielte um ihre Lippen, so daß es schwer gewesen wäre, zu sagen, ob der silberne Tropfen an ihrer Wimper aus dem bittern Kelche des Schmerzes oder aus der klaren Quelle der Freude entstamme.

      »Denkst Du noch daran, meine süße Helene,« sagte der Lieutenant leise zu seiner Geliebten, — »wie Du mir einst auf der Terrasse die dunkle Wolke zeigtest, welche in die Ferne zog aus dem silbernen Strahl des Mondes? Siehst Du, sie ist wiedergekommen und ruht im vollen und reinen Licht, — und nun soll sie keinen Blitz und kein Wetter mehr in sich tragen, sondern Segen und Glück bringen dem Garten unseres Lebens!«

      Sie sah ihn lächelnd, mit liebevollem Blick an. —

      »Es scheint,« flüsterte sie, »daß Du jetzt den Schlüssel zu dem Reich der Bilder und Träume gefunden hast,— den Du damals glaubtest nur aus meinen Händen empfangen zu können.«

      »Und habe ich ihn nicht aus Deinen Händen?« sagte er, — »Du hast ihn mir gegeben an den Grenzen des Todes, — und ich will ihn treu bewahren im goldenen Licht des Lebens!«

      Das Dessert war aufgetragen. — Ein Posthorn erschallte draußen.

      »Der Herr Baron von Klentzin,« meldete der alte Diener nach einigen Minuten.

      »Das ist der Verwalter des Amtes Blechow« — sagte der Regierungsassessor, »welchen der Civilkommissär von Hardenberg bestimmt hat, um Dich abzulösen, lieber Vater.«

      Ernst erhob sich die Gesellschaft.

      Der preußische Beamte trat ein, ein großer, schlanker junger Mann, elegant in seiner Erscheinung, gewandt in seinen Bewegungen.

      Würdig und ruhig ging ihm der Oberamtmann entgegen.

      »Seien Sie mir willkommen, Herr von Klentzin, in meinem Hause, — das heute noch das meine ist, — und morgen das Ihrige sein wird,— Sie finden uns bei der Feier eines Familienfestes, der Verlobung meines Sohnes, und ich bitte Sie, sich zu uns zu sehen.«

      Er stellte den jungen Mann seiner Frau