Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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als im Herbste 1866.

      Die sächsische Armee lag in Kantonnements in und um Hietzing, der König Johann bewohnte den sogenannten Stöckl, jenes kleine Palais am Eingange des großen Parks, welches Maria Theresia einst für ihren berühmten Leibarzt van Swieten erbauen ließ, und der König von Hannover, welcher zuerst nach seiner Ankunft in Wien im Hause seines Gesandten, des Generals von Knesebeck, abgestiegen war, hatte die am entgegengesetzten Ende des eleganten Dorfes belegene Villa des Herzogs von Braunschweig bezogen, welche, nach der Straße hin durch eine lange, einfache Mauer abgegrenzt, in ihrem Innern und in dem sie umgebenden Park Wunder an Kunstschätzen und Seltenheiten birgt.

      Die sächsischen Truppen, — das Gefolge der fürstlichen Herrschaften, die Equipagen der Erzherzoge und der österreichischen Aristokratie, welche in Aufmerksamkeiten gegen die beiden durch Oesterreichs Politik so schwer getroffenen Könige wetteiferte, füllten in bunter und glänzender Bewegung die Straßen von Hietzing, — zahlreicher als je strömten die Wiener hinaus, und wenn Jemand Grund hatte, mit der großen Katastrophe von 1866 zufrieden zu sein, so war es sicherlich die »neue Welt« und »Dommayer's Kasino«.

      An einem Vormittage jener merkwürdigen und bewegten Zeit befanden sich zwei Personen in dem großen Mittelsalon der Villa Braunschweig.

      Die Wände dieses Saales waren mit seidenen chinesischen Tapeten überzogen, die gestickten Gestalten der Bewohner des Reiches der Mitte blickten mit ihren eingelegten Gesichtern von gemaltem Porzellan ruhig und gleichgültig von den Wänden herab, — das ganze Mobiliar war von kostbarster chinesischer Arbeit, lebensgroße Pagoden standen in der Ecke, chinesische Malten vom feinsten Reisstroh deckten den Boden, die großen Glasthüren standen weit geöffnet und ließen aus dem wunderbar sauber gepflegten Park die laue Luft einströmen. Alle Seltenheiten und Merkwürdigkeiten, welche diesem Zimmer mehr das Ansehen eines chinesischen Museums als eines bewohnten Salons gaben, zogen jedoch den Blick jener Personen nicht auf sich, welche vielmehr traurig und ernst auf und nieder gingen.

      Die eine der beiden Personen war der Schloßhauptmann und Hofmarschall Graf Alfred Wedel, welchen wir bereits in Hannover während der Katastrophe des Monats Juni gesehen haben. Er trug die kleine Hofuniform, den blauen Frack mit scharlachrothem Kragen — neben ihm ging ein kleiner, schmächtiger Mann von etwa 36 Jahren, dessen blasses, scharfgeschnittenes Gesicht mit dünnen blonden Haaren und langem hellen Schnurrbart den Ausdruck fester Energie und lebhafter, intelligenter Bewegung zeigte. Er trug die Hauptmannsuniform der hannöverischen Infanterie.

      »Ja, mein lieber Düring,« sagte der Graf Wedel in traurigem Ton, — »es ist Alles vorbei, — Hannover hört auf, — Ihr seid der Letzte, der die Fahne hochgehalten hat, — wollte Gott,« fügte er seufzend hinzu, — »daß unsere Generale eben so energisch gewesen wären, wie Ihr, — es stünde besser um uns —«

      »Ich begreife in der That nicht,« sagte der Hauptmann von Düring, »wie Alles so hat kommen können, — ich habe den ganzen Feldzug nur nach ungenauen Nachrichten verfolgen können, — aber ich begreife die Operationen weder militärisch noch politisch!«

      »Wer begreift sie denn?« rief Graf Wedel mit bitterem Ton, — ich glaube, Diejenigen am wenigsten, die sie gemacht haben!«

      »Glaubt Ihr denn aber, daß die Annexion von Hannover wirklich geschehen wird?« fragte Herr von Düring.

      »Ich glaube es bestimmt,« sagte Graf Wedel, — »die Aeußerungen der preußischen Beamten in Hannover lassen darüber keinen Zweifel, — wir dürfen uns die traurige Wahrheit nicht verhehlen, — doch,« unterbrach, er sich, — »wir werden gerufen werden!«

      Eine helle Glocke ertönte aus dem Nebenzimmer.

      Einen Augenblick später erschien der Kammerdiener des Königs.

      »Seine Majestät lassen die Herren bitten!«

      Er öffnete die Thüre zu dem Kabinet des Königs.

      Graf Wedel und Herr von Düring traten ein.

      Das Kabinet, welches Georg V. bewohnte, war mit schottischen Seidentapeten bekleidet, prachtvoll gearbeitete schottische Waffen hingen an den Wänden, daneben meisterhafte Gemälde, Szenen aus Walter Scott's Romanen darstellend. Vor einem großen Tisch in der Mitte des Zimmers stand der König hoch aufgerichtet; tiefer Ernst lag auf dem schönen, ausdrucksvollen Gesicht. Er trug den weiten grauen Ueberrock der Uniform seines österreichischen Regiments.

      »Gott grüße Sie, meine Herren,« sagte Georg V. mit mildem, freundlichem Lächeln zu den Eintretenden, indem er ihnen die Hand entgegenstreckte, welche Graf Wedel und Herr von Düring an die Lippen drückten, — »es ist viel geschehen, seit ich Sie nicht gesehen, — lieber Alfred!«

      »Majestät,« sagte Graf Wedel und seine Stimme zitierte vor Bewegung, — »was auch geschehen sein möge — und was noch geschehen möge, — mein Herz ist dasselbe und wird dasselbe bleiben!«

      »Sie bringen mir Nachricht von der Königin?« fragte der König.

      »Zu Befehl, Majestät,« erwiederte der Graf, indem er mehrere Briefe hervorzog und sie dem König überreichte, — »ein Schreiben Ihrer Majestät, Briefe von den Prinzessinnen, — und einen Bericht des Herrn von Malortie über die Verwaltung des Vermögens.«

      Der König legte die Briefe vor sich auf den Tisch.

      »Wie geht es der Königin?« fragte er, — »wie trägt sie die schwere Zeit?«

      »Ihre Majestät ist würdig und ruhig,« sagte der Graf, — »aber tief traurig, — die Königin wünscht dringend, so bald als möglich mit Eurer Majestät vereinigt zu werden.«

      Ein tiefer Schatten zog über die Stirn Georg's V.

      »Wann Gott uns wieder zusammenführen wird,« sprach er, »das liegt im dunklen Schooß der Zukunft, — jetzt muß die Königin dort bleiben und nur der Gewalt weichen, — das ist mein Wille.«

      Graf Wedel schwieg.

      »Wie geht es der Gräfin?« fragte der König. »Ich danke unterthänigst, Majestät,« erwiederte der Graf, — »sie ordnet das Haus und wird mir so bald als möglich folgen.«

      »Ihnen folgen?« fragte Georg V.

      »Majestät,« sagte Graf Wedel mit bewegter Stimme, — »ich bin nicht gekommen, um Nachrichten zu bringen und zurückzukehren, — ich bin gekommen, um zu bleiben, — wenn Eure Majestät mich nicht fortschicken!«

      Der König blickte ihn fragend an.

      »Majestät,« sagte der Graf, — »nach Allem, was ich sehe und höre, werden Allerhöchstdieselben jetzt nicht — lange nicht — nach Hannover zurückkehren, — Eure Majestät haben mich zu Ihrem Hofmarschall ernannt, und ich habe mit Stolz meinen Dienst bei Allerhöchsterer Person erfüllt, — Eure Majestät sind im Exil,« — fuhr er fort und seine Stimme erstickte fast vor innerer Bewegung, — »ich bitte Eure Majestät um die hohe Ehre, dieß Exil zu theilen und mein Amt weiter zu führen!«

      Der König schwieg einen Augenblick. Er biß leicht auf seinen Schnurrbart, ein schmerzlicher Zug legte sich um seinen Mund.

      »Mein lieber Alfred,« sagte er dann mit weicher Stimme, »Sie haben so eben Ihr Haus gebaut und neu eingerichtet, die Gräfin ist leidend, — ich bin von Ihrer Treue und Ergebenheit überzeugt, — aber Sie haben an Ihre Familie zu denken, — Sie werden sich Verfolgung zuziehen, — lassen Sie den Dienst an meinem Hofe, — dem Hofe der Verbannung,« sagte er mit schmerzlichem Lächeln, »Denen, die allein stehen und nur für sich zu sorgen haben —«

      »Majestät,« rief Graf Wedel lebhaft, fast den König unterbrechend, — »es wäre eine harte Kränkung, wenn Sie mir nicht erlaubten, meinen Dienst zu übernehmen, — wenn Sie mir die Ehre versagten, meinem Könige im Unglück zur Seite zu stehen, — fort gehe ich nicht,« fuhr er mit einer gewissen derben Freimüthigkeit fort, — »und wenn Eure Majestät mir nicht erlauben, Ihr Hofmarschall zu sein, so werde ich wenigstens der Höfling des Unglücks sein.«

      Ein freudiger Schimmer flog über das Gesicht des Königs.

      »Auch