Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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      Antonie Balzer hatte sich beim Klange dieser Stimme emporgerichtet, — aus der dunkleren Ecke, in welcher sie sich befand, erblickte sie im vollen Lichte dieses reizende, glückliche junge Mädchen mit den lächelnden Lippen und den strahlenden Augen.

      Eine fahle Blässe überzog ihr Gesicht und gab ihm fast die Farbe des Todten, der da vor ihr lag — ein flammender, dämonischer Blitz, der keinem menschlichen Auge mehr anzugehören schien, schoß aus ihrem Blick — wilder Haß verzerrte ihre schönen Züge.

      Einen Augenblick starrte sie die liebliche Erscheinung ihr gegenüber an, dann nahm ihr Blick einen finstern, entsetzlichen Ausdruck an, — ein unbeschreibliches Lächeln erschien auf ihren Lippen.

      »Hier der Tod, dort das Leben!« flüsterte sie mit heiserer Stimme und beugte sich über die vor ihr liegende Leiche, so daß ihr Gesicht verschwand und von keinem Blick gesehen werden konnte.

      Sie nahm eine kleine Scheere mit goldenem Griff aus ihrem Körbchen, und indem sie sich auf die Leiche beugte, tauchte sie diese Scheere tief in die Wunde auf der Brust des Todten, dann drückte sie ihr Taschentuch von feinem Batist auf diese Wunde und tränkte es mit der blutigen Feuchtigkeit, welche dieselbe erfüllte.

      Plötzlich sprang sie lebhaft auf — ihr Gesicht zeigte den Ausdruck angstvoller Aufregung.

      Schnell eilte sie hinüber zu der Gruppe von Damen, welche Klara Frankenstein umgab, die so eben sich anschickte, einen breiten Leinwandstreifen um die Kompresse zu winden, welche sie auf den Kopf des verwundeten Ulanen gelegt hatte.

      »Um Gotteswillen!« rief Frau Balzer, — »ein Stück Leinen — einen Tropfen Eau de Cologne \ ich habe Alles verbraucht \ hier ist ein armer Verwundeter, welcher stirbt!«

      Und in rascher Bewegung sich der Comtesse Frankenstein nähernd, erfaßte sie wie flehend mit ihren beiden Händen deren ausgestreckten Arm, welcher den Leinwandstreifen hielt.

      Klara stieß einen Schrei aus und zog rasch ihre Hand zurück. Ein Blutstropfen wurde über dem Handgelenk sichtbar und rollte langsam über den weißen Arm herab.

      »O wie ungeschickt!« rief Frau Balzer — »ich habe Sie mit meiner Scheere verletzt, — ich bitte tausendmal um Verzeihung!«

      Und rasch drückte sie ihr Taschentuch, mit dem Eiter der Leichenwunde getränkt, auf das Handgelenk der Comtesse.

      »Ich bitte,« sagte diese freundlich, — »es hat nichts zu sagen, — verlieren wir keine Zeit mit diesem kleinen Riß — wo wir ernste Wunden zu pflegen haben.«

      Und langsam zog sie ihren Arm zurück, welchen Frau Balzer noch immer mit ihrem Taschentuch drückte und rieb, wie um das Blut zu entfernen.

      Dann reichte sie den Leinwandstreifen, welchen sie in der Hand hielt, hin und sprach:

      »Bitte, nehmen Sie davon.«

      Frau Balzer schnitt rasch mit ihrer Scheere ein Stück Leinwand ab, dankte mit artiger Verbindlichkeit und nochmaliger Entschuldigung wegen ihrer Ungeschicklichkeit und kehrte zu der Leiche zurück.

      Mehrere Damen hatten sich während dieser kleinen, schnell vorübergehenden Szene der Bahre genähert.

      »Der Arme ist todt!« riefen sie, — »hier ist nichts mehr zu helfen!«

      Frau Balzer blickte trübe auf die Leiche.

      »Ja, er ist todt,« sagte sie, — »wir sind zu spät gekommen!«

      Und die Hände faltend, neigte sie das Haupt.und bewegte flüsternd die Lippen; tiefe Andacht sprach aus ihren Zügen. Die herumstehenden Damen folgten ihrem Beispiel und sprachen ein kurzes Gebet für die Seele des armen Todten, dessen Heimkehr vielleicht in weiter Ferne von liebenden Herzen in heißer Sehnsucht erhofft wurde.

      Dann gingen Alle weiter zu anderen Betten.

      Unter den wenigen Herren, welche unter den zahlreichen barmherzigen Pflegerinnen einhergingen, helfend und ordnend, befand sich auch der Graf Rivero.

      Er stand nicht weit entfernt, als Frau Balzer zur Comtesse Frankenstein geeilt war, sie um Verbandzeug zu bitten.

      Tief und gedankenvoll ruhte sein großes, dunkles Auge auf diesen beiden so schönen Frauengestalten während ihrer kurzen Unterhaltung, — langsam wendete er sich dann ab nach einer andern Richtung.

      Einige Stunden später war die Halle leer, alle jene Damen waren zurückgekehrt in die hohen, reichen Salons der vornehmen Paläste, oder in die ruhigen, stillen Kreise der einfachen Häuslichkeit, — die armen Verwundeten waren weitergeführt zu den verschiedenen Lazarethen, um durch lange Tage voll Schmerzen der Genesung — oder dem Tode entgegen zu gehen.

      Sechsundzwanzigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Morgensonne schien in das Zimmer des Lieutenants von Stielow. Aber nicht wie gestern lag der junge Mann in glücklicher Träumerei auf seinem Ruhebett — mit raschen, unruhigen Schritten ging er hin und her — lebhafte, schmerzliche Unruhe lag auf seinem bleichen Gesicht, dem man eine schlaflos durchwachte Nacht ansah.

      Er war am Abend vorher zu seiner Braut gekommen, — in jener reizenden, süßen Plauderei liebender Herzen, die sich so viel zu sagen haben und sich nie genug sagen können, war eine Stunde verflossen, — dann hatte Klara über heftige Schmerzen in der kleinen Wunde an ihrem Arm geklagt, man hatte kühlende Umschläge gemacht, — die Schmerzen waren heftiger und heftiger geworden und eine starke Geschwulst war am Arme heraufgestiegen — man hatte den Hausarzt kommen lassen, dieser hatte verschiedene Mittel versucht — aber immer heftiger hatte das junge Mädchen geklagt — immer bedenklicher war das Aussehen der kleinen Wunde, immer stärker die Geschwulst des Arms geworden. Bis gegen Morgen hin war der junge Mann im Hause der Gräfin Frankenstein geblieben, endlich hatte der Arzt, der sich die Geschichte der Verwundung hatte erzählen lassen, eine neue Salbe aufgelegt und der jungen Gräfin ein Schlafmittel gegeben.

      Die Gräfin Frankenstein hatte Herrn von Stielow ernstlich nach Hause geschickt, um ihm einige Ruhe zu gönnen, und versprochen, in der Frühe des Morgens den berühmten Oppolzer rufen zu lassen. Niemand glaubte zwar an eine ernste Gefahr, aber in tiefer Angst und Unruhe hatte der junge Mann die Nacht zugebracht, von unüberwindlicher Bangigkeit ergriffen.

      Am Morgen hatte er seinen Diener geschickt und die Antwort erhalten, daß die Comtesse geschlafen habe und daß der Doktor Oppolzer jeden Augenblick erwartet würde. Er machte seine Toilette, um selbst zu dem Hause der Gräfin zu eilen.

      Als er seine Uniform angezogen hatte und eben den Säbel umschnallte, meldete sein Diener den Grafen Rivero.

      Der junge Mann machte eine Bewegung der Ungeduld, — winkte indeß, den Besuch eintreten zu lassen.

      Ruhig und ernst, aber frisch und elegant trat der Graf in das Zimmer.

      Mit artiger Verbeugung reichte er dem jungen Offizier die Hand und sprach mit seiner klangvollen Stimme, indem ein warmer Strahl freundlichen Wohlwollens aus seinem Auge blickte:

      »Ich habe gehört, daß Sie mit Feldmarschall Gablenz hier sind, und wollte mich beeilen, Sie zu begrüßen, ehe Sie vielleicht wieder fortgehen — und Ihnen meine Freude aussprechen, daß Sie die Gefahren des Krieges glücklich überstanden haben.«

      »Sie sind sehr freundlich, Herr Graf,« antwortete Herr von Stielow mit leicht befangenem Tone, — »ich freue mich herzlich, Sie wiederzusehen.«

      Der Graf schien eine Einladung, sich zu setzen, zu erwarten, — Herr von Stielow blickte etwas verlegen zu Boden.

      Dann schlug er sein offenes Auge empor und sagte: »Herr Graf, Sie verzeihen, wenn ich ganz frei zu Ihnen spreche, — ich bitte Sie dringend, mir die Ehre Ihres Besuches zu einer andern Stunde zu schenken, um das Vergnügen der Fortsetzung unserer Bekanntschaft zu haben, — die, wie ich hoffe,« setzte er mit herzlicher Verbindlichkeit hinzu, »uns einander immer näher