Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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schweigen von jener Zeit,« sagte sie mit bebenden Lippen,— »die Erinnerung, welche ich ja nicht tödten kann, würde mich fortreißen. — Ich kämpfte lange und schwer mit mir selbst,« fuhr sie mit ruhiger Stimme wie in gewaltsamer Unterdrückung eines übermächtigen Gefühls fort, — »sollte ich Ihnen von jener Vergangenheit sprechen — ich wagte es nicht, — meine Liebe machte mich feig — ich fürchtete Sie zu verlieren — ich fürchtete selbst eine Wolke auf der geliebten Stirn — ich schwieg, — ich schwieg aus Furcht für meine Liebe. — Er war fort,« — sagte sie leise — »sollte ich mit ihm brechen, — o,« rief sie schmerzlich, indem ihr ganzer Körper leise zitterte, — »Sie kennen ja die schmähliche, erniedrigende Abhängigkeit, in der ich mich befinde, — der Mann, dessen Namen ich trage, der Herr über mein Schicksal ist, war ihm Verbindlichkeiten schuldig, — ich wagte nicht plötzlich und schnell in jene Verhältnisse zu greifen, — ich erwartete seine Rückkehr, — ich kannte ihn als edel und großmüthig, — ich wollte ihm mündlich Alles sagen, — erklären, — da kam jenes unglückselige Zusammentreffen, — die Verhältnisse, die ich ruhig und vorsichtig lösen wollte, — zerrissen — o!« — rief sie wie übermannt von Schmerz — »was habe ich gelitten!«

      Herr von Stielow war bewegt und blickte voll Mitleid zu ihr hinüber.

      »Habe ich gefehlt,« fuhr sie fort — »so bin ich doch nicht so schuldig wie ich scheine, im Herzen habe ich die Treue gegen meine Liebe nicht verletzt, — ich schwöre Ihnen, seit ich Ihnen gesagt habe: ich liebe Dich,« — sie sprach dieß Wort mit unendlichem schmelzenden Zauber aus, — »hat Ihnen jeder Schlag meines Herzens, jede Regung meiner Seele gehört, — mein erstes Gespräch mit dem Grafen wäre die Erklärung der Verhältnisse gewesen.« —

      Sie trat noch näher zu ihm heran, hob die gefalteten Hände empor und blickte ihn mit dem Ausdruck unendlicher Liebe an und sagte:

      »Ich habe meine Liebe nicht verrathen — ich habe sie nicht vergessen und kann sie nicht vergessen — ich bin gekommen, — weil ich diese Erklärung geben mußte, — weil ich nicht will,« sagte sie, indem Thränen ihre Stimme zu ersticken schienen, »daß Sie mich verachten, — daß Sie mich ganz vergessen,« fügte sie leiser hinzu, — »ich kann nicht glauben, daß so Alles — Alles aus Ihrem Herzen verschwunden ist, — ich kann nicht von Ihnen scheiden, ohne Ihnen zu sagen, daß wenn je Ihr Herz sich einsam fühlen sollte, eine Freundin da ist, — welche nie — ihre erste, ihre einzige Liebe verleugnen kann.«

      Sie sah unbeschreiblich schön aus, indem sie so demüthig, so sanft, so ergeben vor ihm stand, die Lippen leise geöffnet, die Augen von Thränen umflort und von sanftem Feuer durchglüht, die ganze zarte Gestalt hingebend zusammengeschmiegt.

      Der junge Mann hatte sie voll Mitleid angeblickt, — der Ton ihrer Stimme, der magnetische Glanz ihrer Augen hatte die Erinnerung an die Vergangenheit in ihm heraufsteigen lassen. Dann aber verschwand jener milde, sanfte Ausdruck aus seinen Zügen, — seine Augen blitzten und ein kaltes, höhnisches Lächeln spielte um seine Lippen.

      »Lassen wir die Vergangenheit,« sprach er kalt und höflich, — »ich habe Ihnen keine Vorwürfe gemacht und werde Ihnen keine machen. Ich wünsche Ihnen —«

      Sie blickte ihn mit tiefer Wehmuth an.

      »So sind meine Worte vergeblich gewesen,« sagte sie traurig, — »Sie glauben mir nicht —«

      Eine zornige Röthe flog über sein Gesicht.

      »Ich glaube Ihnen,« sagte er, — »und bedarf Ihrer Worte nicht, da ich Gott sei Dank Alles weiß. Ich glaube, wir können diesem Gespräch über eine frühere Vergangenheit dadurch ein Ende machen, daß ich Ihnen einen Beitrag zur Geschichte Ihrer neuesten Thaten vorlege.«

      Und in lebhafter, rascher Bewegung wendete er sich zu einer Kassette, welche auf einer Spiegelkonsole stand, öffnete dieselbe und hielt ihr seinen Brief entgegen, welchen sie durch ihren Mann an die Gräfin Frankenstein geschickt hatte.

      »Sie sehen,« sagte er, »ich kenne die Art, wie Sie Erinnerungen der Vergangenheit für die Gegenwart nutzbar machen!«

      Sie fuhr zusammen, wie vom Blitz getroffen. Fahle Leichenblässe überzog ihr Gesicht — ihre Züge verzerrten sich krampfhaft, ihre stieren Blicke hafteten bewegungslos auf dem Papier.

      »Ich glaube, damit wird unsere Unterhaltung zu Ende sein,« sagte er mit bitterem Lächeln.

      Ein dunkles Noth überflog ihr Gesicht, ihr Körper zuckte — ein Blitz flammender Leidenschaft sprühte aus ihren Augen.

      »Nein,« rief sie mit wildem Ton — »nein, sie ist nicht zu Ende, — sie darf nicht zu Ende sein!«

      Herr von Stielow zuckte leicht die Achseln.

      »Sie darf nicht zu Ende sein,« rief sie in zitternder Erregung, — »weil ich Dich liebe, weil ich Dich nicht lassen kann, — weil Du nicht glücklich sein kannst an dem kalten Herzen jener Frau, der Du Deinen Namen geben willst, aber die Dir niemals jene feurige Glut entgegentragen wird, welche Dich an meinem Herzen durchströmte!«

      »Madame, Sie gehen zu weit —« sagte Herr von Stielow und ein Ausdruck von Widerwillen und Verachtung zeigte sich auf seinem Gesicht.

      »Du täuschest Dich selbst,« rief sie, die Arme gegen ihn ausstreckend, indem ihre Lippen in dunklem Karmin glänzten und ihre Augen fieberhaft in dem blassen Gesicht leuchteten, — »ich weiß, wie heiß Dein Herz an dem meinen geschlagen hat, — es kann nicht glücklich sein in jener konventionellen Liebe, die ihre lauwarmen Küsse nach dem Krämermaß der Sitte zumißt.«

      Er wendete sich halb von ihr ab.

      »Sie gehen zu weit,« sagte er nochmals.

      »Höre mich, mein Einziger, mein Geliebter,« — rief sie und sank zu seinen Füßen nieder, indem sie die Arme zu ihm emporhob — »höre mich und verstoße mich nicht, — ich kann ohne Dich nicht leben, — und ich weiß, Du wirst schmachten und dürsten nach dem Feuerquell der Liebe, der aus meinem Herzen Dir entgegenströmt, der Dich so oft in den süßen Rausch des seligsten Entzückens versenkte! Reiche Deine Hand,« fuhr sie im Tone höchster Leidenschaft fort, »jener Frau, gib ihr Deinen Namen, — ich habe ja nie danach gestrebt, — aber laß mir Dein Herz — Du wirst in jener kalten Welt Dich sehnen nach Wärme und heißem Glück, — dann komm zurück, in meinen Armen auszuruhen, — zu träumen, zu lieben, — ich verlange nichts, nichts, — ich will Dich demüthig erwarten, ich will von der Erinnerung an die Augenblicke des heimlichen stillen Glücks leben die langen Tage, daß ich Dich nicht sehe, — thue Alles, was Du willst — aber liebe mich —«

      Sie ergriff seine Hand und preßte sie an ihre glühenden Lippen, dann fiel ihr Kopf etwas zurück, ihre halb geschlossenen Augen sahen ihn mit flehendem Blick an, der heiße Athem ihres Mundes schien ihn zu umgeben mit einer berauschenden Atmosphäre von Liebe und Leidenschaft.

      Ein leichter Schauer durchzitterte seine Glieder,— er schloß einen Augenblick die Augen.

      Dann blickte er sie mit ruhiger, klarer Freundlichkeit au und ihre Hand festhaltend zog er sie sanft empor.

      »Antonie,« sagte er mit milder Stimme, — »ich wäre unwürdig, diesen Degen zu tragen, wenn ich Ihnen jetzt etwas Anderes sagte, als: vergessen und vergeben sei Alles, was der Vergangenheit gehört, — keine andere Erinnerung soll mir bleiben, als die freundlicher Stunden, und wenn Sie je eines Freundes bedürfen, — Sie werden ihn in mir finden.«

      Und sanft ihre Hand drückend ließ er dieselbe los.

      War es der Ton seiner Stimme, war es der ruhige, leichte Druck seiner Hand, was sie mit jener eigenthümlichen, weiblichen, verständnißreichen Empfänglichkeit verstehen ließ, daß die Liebe dieses Herzens ihr für immer verloren war? — sie stand still und unbeweglich da, aus ihren Augen verschwand jene feucht glühende Leidenschaft, — ein Blitz dämonischen Hasses zuckte aus ihrem Blick, — aber sie verbarg ihn unter den schnell sich senkenden Augenlidern.

      Mit ruhiger Bewegung zog sie den Schleier vor ihr Gesicht und sprach mit einer Stimme, welche keine Spur des früheren Klanges mehr hatte: