Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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fehlt die Gefährtin, welche der gute Genius Ihrer Jugend Ihnen im Strahle Ihres Sterns zugeführt hatte, und welche oft Ihr zweifelndes Herz gestärkt hätte.«

      Der Kaiser schwieg. Ein Seufzer hob seine Brust.

      »Fahren Sie fort,« sagte er dann.

      »Auch heute, Sire,« sprach die Moreau, — »zweifelt Ihr Herz, — auch heute ringen in Ihrem Geiste die verschiedenen Mächte, — Sie schwanken zwischen Krieg und Frieden, — und merkwürdig,« — fügte sie hinzu, indem sie aufmerksam auf die Karten blickte und einige Bilder mit dem Finger bezeichnete, — »die Männer des Schwertes rathen zum Frieden —«

      Gespannt hörte der Kaiser zu.

      »Sire,« sagte die Moreau, »Sie haben Rußlands Stolz gebrochen, Sie haben die Königin von England an das Grab Ihres Oheims geführt, — Sie haben die Demüthigung des Königs von Rom am Hause Habsburg gerächt, — Sire, überall hat Ihr Stern Ihnen glänzend geleuchtet, — hüten Sie sich vor Deutschland!« sagte sie in dumpfem Ton, — »dort wallen die dämonischen Schatten Ihres finstern Verhängnisses herauf, — hüten Sie sich, hüten Sie sich!« rief sie lebhaft und hob die Hände wie beschwörend empor, — »wenigstens jetzt halten Sie die ehernen Würfel des Krieges zurück!«

      Der Kaiser starrte vor sich hin. Ein leichter Schauer zitterte durch seine Glieder.

      »Und Sie werden sie zurückhalten,« fuhr die Moreau fort, indem sie, die Bilder der Karten verfolgend, lange Linien über das ausgebreitete Spiel zog, »denn ich sehe Sie umgeben von den ruhigen Bildern des Friedens, — und nur unten im Grunde schleift der Kriegsgott eifrig das Schwert für künftige Tage —

      »Und Frankreich soll sich demüthigen!« sagte der Kaiser leise, wie zu seinen eigenen Gedanken sprechend, — »soll nachgeben, zurückweichen!«

      »Ich sehe keine Demüthigung,« sprach Madame Moreau, mit blitzenden Augen in die Karten blickend, — »ich sehe strahlenden Glanz, so hell, wie er kaum den Thron Ihres Oheims umleuchtete — ich sehe die Völker der Welt um die Stufen Ihres kaiserlichen Stuhls versammelt, ich sehe die Kaiser und Könige, alle Fürsten Europas — fast der Erde Sie in strahlendem Kreise umringen, — der Sultan begrüßt den kaiserlichen Herrn von Frankreich, der Nachfolger Peter's des Großen, — ha, was ist das?« rief sie, — »Sire, wachen Sie, wachen Sie über' dem heiligen Gastrecht, — der Mord lauert auf Alexander II. auf dem heiligen Boden Frankreichs, — doch Gott wendet den Streich ab, ich sehe nur Glanz, schimmernden Glanz und stolze Freude und die Völker Europas, Asiens und Amerikas, die schwarzen Nubier Afrikas vereinigt, — in staunender Bewunderung der Herrlichkeit des kaiserlichen Frankreichs.«

      Die Augen des Kaisers öffneten sich — ein stolzer Strahl blitzte aus ihnen hervor.

      »Und dann?« fragte er.

      »Sire,« sagte die Moreau, — »Ihr Stern steht siegreich hoch am Zenith, — dann steigen die Wolken wieder herauf, blutige Blitze durchzucken sie, ich sehe Lanzenspitzen funkeln, ich sehe den Kriegsgott in donnernden Wettern über die Erde schreiten, — ich sehe Eure Majestät an der Spitze wogender Heere, — ich sehe Sie in Deutschland« — sie bedeckte die Augen mit der Hand — »doch das ist fern!« sagte sie langsam, »mein Blick verwirrt sich, — ich habe nicht die Kraft, wie die große Lenormand, die weitesten Fernen der Zukunft zu sehen, — später wird das klarer werden, — aber zu ewigem Frieden hat das Schicksal Sie nicht bestimmt, Sire, — sehen Sie hier —« und mit prophetischem Tone sprach sie:

      »Wenn der Oelbaum seinen Schatten über Frankreich wirft, müssen die Lorbeeren verwelken!«

      Der Kaiser blickte sie sinnend an.

      »Also zunächst wird der Frieden mir Glück und Glanz bringen, — aber ich soll die Lorbeeren nicht durch den Oelbaum überwuchern lassen?«

      Sie nickte leicht mit dem Kopf, immer auf die Karten blickend. Es zuckte über ihr Gesicht, sie öffnete die Lippen, als wollte sie etwas sagen, — aber sie schwieg.

      Der Kaiser stand auf. Nochmals durchforschte sein Blick aufmerksam das Gemach.

      »Also in diesem Zimmer hat der Kaiser Madame Lenormand besucht?« fragte er.

      »In demselben Zimmer, Sire,« sagte die Moreau aufstehend, — »es sind nur die Ueberzüge der Möbeln verändert!«

      »Ich danke Ihnen, Madame,« sagte Napoleon, — »verfolgen Sie mein Horoskop, — ich werde mich freuen, mehr von Ihnen zu hören!«

      Und mit freundlichem Lächeln grüßend, schritt er durch die Thüre, welche Madame Moreau, die Lampe in der Hand, ihm öffnete, hinaus.

      An der Treppe reichte er Pietri den Arm und sagte:

      »Bleiben Sie, Madame, ich will kein Aufsehen. Ich rechne auf Ihre Diskretion. Adieu!«

      Rasch fuhr die unscheinbare Equipage nach den Tuilerieen zurück.

      In seinem Kabinet angelangt, setzte sich der Kaiser an seinen Schreibtisch. Pietri blieb neben ihm stehen.

      Der Kaiser schrieb:

      »Mein lieber Herr Drouyn de Lhuys!

      »Ich sende Ihnen hiebei eine Zusammenfassung der Grundsätze, welche nach meiner unabänderlichen Ueberzeugung maßgebend sein müssen für die Politik, welche Frankreich gegenüber den Ereignissen, die sich in Deutschland vollzogen haben, beobachten muß. Ich zweifle nicht, daß Sie meine Ansichten theilen werden, und bitte Sie, an meine aufrichtige Freundschaft zu glauben.«

      Und er unterzeichnete: Napoleon.

      Schweigend reichte er Pietri das Papier.

      »Sire,« sagte dieser, nachdem er es gelesen — »wen haben Eure Majestät zum Nachfolger des Herrn Drouyn de Lhuys bestimmt?«

      »Moustier kennt die Verhältnisse in Berlin genau,« sagte der Kaiser, — »bereiten Sie einen Brief an ihn vor, um zu fragen, ob er die Leitung des auswärtigen Ministeriums übernehmen will.«

      Pietri verneigte sich.

      »Und noch Eins,« sagte Napoleon, — »lassen Sie morgen früh Herrn Hansen kommen, vielleicht kann man noch einen Versuch machen.«

      »Zu Befehl, Sire.«

      »Was denken Sie von Madame Moreau?« fragte der Kaiser, der sich bereits nach der Thür gewendet hatte, die zu seinen innern Gemächern führte, — indem er noch einmal stehen blieb, — »wie kommt sie auf jene Episode meiner Jugend?« flüsterte er leise.

      »Sire,« erwiederte Pietri, — »es ist schwer, etwas darüber zu sagen —«

      »There are more things in heaven and earth, then are dreamt in our philosophy,« — sagte Napoleon in reinem Englisch — und freundlich nickend entließ er seinen Sekretär, der sich mit tiefer Verbeugung zurückzog.

      Fünfundzwanzigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      In einem ziemlich großen Salon neben dem Schlafzimmer seiner eleganten Garçonwohnung, in einem jener alten, vornehmen Häuser der stillen Stadttheile, lag am Vormittag nach seiner Rückkehr der Lieutenant von Stielow auf einem langen Sopha mit dunkelrother Seide überzogen.

      Halbgeschlossene Vorhänge von gleicher Farbe ließen ein gedämpftes Licht in das Zimmer dringen, in welchem die vollständigste Stille herrschte, nur von Zeit zu Zeit drang das Rollen einer schnell vorübereilenden herrschaftlichen Equipage herauf.

      Neben dem jungen Mann, der einen weiten Morgenüberrock von schwarzer Seide mit scharlachrothem Futter und Aufschlägen trug, stand auf einem kleinen Tischchen ein schönes Theeservice von Silber, er rauchte mit langsamen Zügen einen kurzen Tschibuk, aus welchem die duftigen Wolken des türkischen Tabaks durch das Zimmer drangen, und der Ausdruck vollständigen Glückes und ruhiger Zufriedenheit lag auf seinen Zügen. Nach den langen Entbehrungen und Mühseligkeiten des Lagerlebens