Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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äußeren Thüre seiner Wohnung, welche der vorauseilende Diener öffnete.

      Raschen Schrittes ging sie hinaus.

      Der junge Mann kehrte in seinen Salon zurück und sank wie erschöpft in einen Lehnstuhl.

      »War das Spiel oder Wahrheit?« flüsterte er sinnend.

      »Gleichviel,« rief er nach kurzem Nachdenken, — »mir ziemt es nicht, sie zu verurtheilen — möge sie ihr Glück finden!«

      Und sich schnell emporrichtend sprach er, indem sein Blick sich hell verklärte:

      »Dieß war die letzte Wolke, welche meinen Stern zu verhüllen drohte, — jetzt wird sein Strahl mir reines und dauerndes Licht in die Seele gießen.«

      Er klingelte seinem Diener, machte schnell Toilette und fuhr in seinem Fiaker zum Hanse der Gräfin Frankenstein. —

      Buntes Leben erfüllte am Nachmittage die weiten Alleen des Praters. Auf den großen Wiesen, unter den Bäumen dieses mächtigen Parks lagerten die nach Wien gezogenen Kavallerieregimenter und die mannigfaltigsten Lagerszenen sah man hier in reichen Bildern sich entfalten.

      Dort standen die Pferde feldmäßig gekoppelt, wiehernd und scharrend vor Ungeduld, — hier lagerten die Soldaten im Kreise um ein loderndes Feuer, in den Feldkesseln ihre Mahlzeit bereitend, Buden waren aufgeschlagen, in welchen Speisen und Getränke, die wiener Würstel und das schwechater Lagerbier feil geboten wurden, und die Wiener strömten zahlreich hinaus, um jetzt, nachdem der wirkliche Krieg mit seinen Schrecknissen und seiner Angst vorüber war, hier die letzten Bilder desselben anzuschauen, welche nur seinen romantischen Reiz, aber nicht seinen schauervollen Ernst dem Auge darboten. Am dichtesten aber standen die Gruppen der Zuschauer vor einem freien, von hohen Bäumen umgebenen Platz, wo die braunen Söhne Ungarns ihren phantastischen Nationaltanz, den Czardas, ausführten. Einer von ihnen spielte auf einer alten Violine eine jener eigenthümlichen, bald melancholisch klagenden, bald in wilden dithyrambischen Bewegungen aufwallenden Melodieen, welche selbst in dieser Ausführung mit wunderbarem, geheimnißvollen Reiz in das Ohr klingen, — die Andern führten den eben so eigenthümlichen Tanz mit seinen merkwürdigen pantomimischen Verschlingungen aus, bald mit den Sporen aneinander klingend, bald den Boden mit den Füßen stampfend, bald den Körper in sonderbaren, aber immer anmuthigen Windungen drehend.

      Auch der alte Grois, der Komiker Knaack und die allezeit fröhliche Josephine Gallmeyer standen unter den Gruppen. Die prachtvollen, von Geist und Leben sprühenden Augen der »feschen Pepi« verfolgten gespannt die Bewegungen des Czardas. Leicht den Kopf hin und her wiegend, schlug sie mit den Händen den Takt zu der scharf accentuirten Musik.

      »Schau, alter Grois,« sagte sie dann, sich an ihren Begleiter wendend, welcher ernst und trüben Blickes auf das bewegte Bild schaute, — »das sind kapitale Bursche, — da möcht' ich mir wohl einen Schah aussuchen, — die gefallen mir besser, als alle unsere faden Kavaliere zusammen.«

      »Ja,« sagte der alte Komiker düster, — »da tanzen sie, — und als es darauf ankam, sich für Oesterreich zu schlagen, da hat man sie hinten stehen lassen, — achtzig Regimenter sind gar nicht zur Aktion gekommen von unserer prächtigen Kavallerie — 's möcht' Einem das Herz abdrücken, wenn man dran denkt!«

      »Pfui, alter blutgieriger Tiger,« rief die Gallmeyer, »sein wir froh, daß sie da noch tanzen können und daß sie nicht auch unter diese verwünschten Zündnadeln gekommen sind, — da wär' nicht viel von ihnen übrig geblieben!«

      »Bah, Zündnadeln!« rief der alte Grois, — »nun sollen's mit einmal die Zündnadeln sein, die Alles gemacht haben, — erst hat das ganze Volk gesagt, es wären die Generale — und dann haben die Generale gesagt, es waren die Zündnadeln, — ich glaub' halt, das Volk hat Recht gehabt, und wenn man den Preußen unsere Generale gegeben hätte, dann hätten ihnen ihre Zündnadeln auch nicht viel geholfen!«

      »Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist,« rief Fräulein Gallmeyer, — »gegen die Preußen ist doch nichts zu machen, die gehen noch über die Götter!«

      »Woher kommt denn diese Bewunderung für die Preußen?« fragte Knaack.

      »Nun, — wissen's« — sagte die Gallmeyer — »es ist wahr, sie gehen über die Götter, denn es sagt ja einer von den Dichtern, die für meine Freundin, die Wolter, so schöne Rollen geschrieben haben,« — sie nahm eine komisch-pathetische Stellung an und fuhr, Stimme und Ton der großen Künstlerin des Burgtheaters genau nachahmend, fort: »›Mit der Dummheit streiten Götter selbst vergebens!‹ — Nun die Preußen haben mit der Dummheit halt nicht vergebens gekämpft!« rief sie lachend.

      »Pepi,« sagte der alte Grois mit ernstem Ton, — »Du kannst sagen, was Du willst, über mich und über die ganze Welt, — wenn Du aber über das Unglück von meinem lieben Oesterreich Witze machst, dann werden wir Feinde!«

      »Das wäre ja schrecklich!« rief die Gallmeyer, — »dann müßte ich ja am Ende —« und sie sah ihn mit schalkhaftem Lächeln an.

      »Was denn?« fragte er halb wieder besänftigt.

      »Mit dem alten Grois vergebens kämpfen,« rief sie und ließ zwischen den frischen Lippen die äußerste Spitze der Zunge erscheinen, indem sie sich zugleich auf dem Absatz herumdrehte.

      »Und mit der Person soll man vernünftig sprechen!« rief der alte Komiker halb unwillig, halb lachend.

      Der Czardas war zu Ende, die Gruppen der Spaziergänger setzten sich wieder in Bewegung.

      »Seht,« sagte Knaack, »dort fährt unser Freund Stielow mit seiner schönen Braut.«

      Und er deutete auf eine elegante, offene Equipage, welche im langsamen Schritt durch die große Allee fuhr. Die Gräfin Frankenstein und ihre Tochter saßen im Fond, der Lieutenant von Stielow in seiner reichen Ulanenuniform ihnen gegenüber. Sein Gesicht leuchtete von Glück, indem er zu der jungen Gräfin sprach und mit der Hand nach den Gruppen des Lagers hinüberdeutete.

      »Ein schönes Paar,« sagte der alte Grois, freundlich zu den beiden lächelnden jungen Leuten hinüberblickend.

      »O daß sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe!« deklamirte die Gallmeyer — »würde meine Freundin Wolter sagen,« fügte sie lachend hinzu, — »übrigens bin ich eigentlich bös auf ihn, denn ich habe ihm eine Liebeserklärung gemacht, — und er hat mich verschmäht, — doch ich werde mich trösten!« rief sie lachend. Sie gingen weiter.

      Die Equipage der Gräfin Frankenstein aber fuhr, als sie die dichten Gruppen der Spaziergänger hinter sich hatte, in schnellem Trabe der Stadt zu.

      Am Nordbahnhofe kamen zu jener Zeit täglich lange Züge mit Verwundeten und Kranken an, welche von den Verbandplätzen und provisorischen Lazarethen in der Nähe der Schlachtfelder nach Wien und den weiter zurückliegenden Orten gebracht wurden, um regelmäßiger Pflege übergeben zu werden.

      Die Räume des Bahnhofs waren zur vorläufigen Aufnahme der Verwundeten eingerichtet; Viele kamen in so schwachem Zustande an, daß sie nicht sogleich weiter transportirt werden konnten, — fast Alle bedurften eine Zeit der Ruhe und die weiteren Transporte mußten geordnet werden.

      Es war eine regelmäßige Gewohnheit der Damen Wiens aus allen Ständen, von der höchsten Aristokratie bis zu den einfachsten Bürgersfrauen herab, bei der Ankunft solcher Züge nach dem Bahnhofe zu gehen, die Verwundeten durch kühle Getränke und leichte Speisen zu erfrischen, Leinen und Charpie zur Hand zu haben und den Aerzten bei nothwendig werdenden Operationen oder neuen Verband-Auflagen handreichend behülflich zu sein. Es zeigte sich hier in reichem Maße jener schöne, wirklich patriotische, opferwillige Geist, welcher im österreichischen Volke lebt, jener Geist, welcher von den Regierungen des Kaiserstaats so oft verkannt, so oft selbst unterdrückt, fast nie aber in seinem lebendigen Aufschwung zum Wohl des Ganzen richtig und nachhaltig benützt wurde.

      »Es kommen Verwundete an,« sagte die junge Gräfin Frankenstein zu ihrer Mutter, als der Wagen am Ende der Prater-Allee in die Nähe des Nordbahnhofs gelangte, — »sollen wir nicht hingehen, — ich habe etwas Verbandzeug,