Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Dinge, mit welchen der gute Geschmack oder die flüchtige Laune eines vornehmen und eleganten jungen Mannes sich zu umgeben pflegt.

      Das Alles, was ihm sonst als tägliche Gewohnheit des Daseins kaum eines Blickes werth erschienen war, lächelte ihn heute so freundlich im Reiz der Neuheit an, — hatte doch so lange sein Auge nur Bilder der Entbehrung, des Schreckens, des Todes um sich gesehen, — so daß die Umgebung seines früheren Lebens wie mit liebevollen Grüßen ihm entgegentrat; dann dachte er an seine Liebe, an die Gefahren, welche auf den Schlachtfeldern ihn umringt, an die fast noch schrecklichere Gefahr, welche dieser so jungen und so reinen Liebe durch boshafte Machination hier gedroht hatte, — an seine glückliche Erhaltung unter den Geschossen und Degen der Feinde, — an die glückliche Fügung, welche ihn hatte im rechten Augenblick zurückkehren lassen, um jene Machination zu zerstören, — an die Hoffnung endlich, welche nun ohne Hinderniß vor ihm lag; — kein Wunder, daß sein Auge von Glück strahlte, daß seine Lippen lächelten und daß die Welt ihm so schön, so hell und so reizend erschien, wie sie nur einem jungen Herzen erscheinen kann, das in voller Empfänglichkeit sich von Allem umgeben sieht, was das Leben an süßem Genuß bieten kann.

      Er hatte der Gräfin Frankenstein versprochen, keine Schritte irgendwelcher Art gegen die Urheber jenes niedrigen Versuchs zu thun, der gegen ihre Tochter und ihn gerichtet war. — »Laß uns nie wieder von jenen Menschen sprechen und von der ganzen Sache nur die Erinnerung an die Güte Gottes behalten, der ihre Bosheit zu Schanden machte,« hatte Klara mit mildem Lächeln ihm gesagt — und so groß ist die Elastizität eines Herzens von einundzwanzig Jahren, so groß ist die versöhnende Gewalt des Glücks, — er dachte kaum mehr jenes Zwischenfalles, der ihn in den heiligsten Regungen seines Herzens bedroht hatte, — anders als in dem süßen Gefühl, welches in dem höhern Bewußtsein des Besitzes eines bedrohten wiedergewonnenen Glückes liegt.

      Rasch öffnete sein Diener die Thüre und trat mit bewegtem und erschrockenem Gesicht in das Zimmer.

      »Herr Baron,« sagte er mit leichtem Zögern, — »ich muß —«

      Der junge Offizier wendete den Kopf um und blickte fragend auf den Bedienten, — doch dieser konnte seinen Satz nicht vollenden, denn eine schlanke Frauengestalt in leichter Morgentoilette trat rasch durch die halbgeöffnete Thür, mit einer schnellen und entschlossenen Bewegung den Diener zur Seite schiebend. Ihr Gesicht war durch einen dichten, von dem kleinen runden Hut herabhängenden Schleier verdeckt.

      Herr von Stielow erhob sich und trat mit dem Ausdruck tiefen Erstaunens der Eintretenden entgegen, indem er durch eine Bewegung den Diener entließ, der durch Achselzucken andeutete, daß er nicht im Stande gewesen, diesen Besuch seinem Herrn zu melden.

      Kaum hatte sich die Thür geschlossen, als die Dame den Schleier zurückwarf. Herr von Stielow erblickte die schönen Züge der Frau Balzer. Sie war blaß und kaum färbte ein leiser, rosiger Hauch ihre Wangen, ihre großen Augen glänzten in tiefem, leidenschaftlichem Feuer, um ihre leicht geöffneten Lippen lag ein Zug von schüchterner Verschämtheit, gemischt mit dem Ausdruck fester und energischer Entschlossenheit. Sie war wunderbar schön, — reizender fast in dieser einfachen, fast grisettenhaften Morgentoilette, — als in der ausgesuchten und reichen Eleganz, welche sie sonst umgab.

      Mit starrer Verwunderung, fast mit Schrecken, sah der junge Mann diese ihm so bekannten Züge vor sich, — welche er jetzt am wenigsten zu sehen erwartet hätte.

      »Antonie!« rief er mit leiser Stimme.

      »So haben Ihre Lippen doch nicht verlernt, diesen Namen auszusprechen« — sagte sie und ein Blick voll tiefen Schmerzes traf ihn, — »ich fürchtete, daß Alles — alle Erinnerung aus Ihrem Herzen verschwunden sei — bis auf den Namen Derjenigen, die Sie einst liebten — und die Sie jetzt verachten — ungehört verurteilen.«

      Herr von Stielow war so erstaunt, so außer Fassung durch diesen Besuch, daß er noch immer wortlos ihr gegenüberstand, — ein Blitz des Zornes, der Entrüstung hatte in seinem Blick aufgeleuchtet — aber er war wieder verschwunden — konnte man überhaupt zornig sein dieser demüthigen Sanftmuth, diesem Blick voll Bitte und Schmerz gegenüber? Er blickte sie starr an, die widersprechendsten Gefühle stritten in seiner Seele miteinander.

      »Sie haben mich verurtheilt,« fuhr sie fort mit jenem weichen Schmelz der Stimme, welcher nur wenigen Frauen gegeben ist und sich wie eine Liebkosung an das Herz des Hörers schmiegt, — »Sie haben sich von mir gewendet, ohne ein Wort der Aufklärung zu verlangen, — und doch liebten Sie mich einst, — doch,« fügte sie zögernd, flüsternd hinzu, indem ihr Auge sich senkte und ein rosiger Schein über ihr Gesicht flog, — »doch mußten Sie wissen, daß ich Sie liebte!« —

      Herr von Stielow fand immer noch keine Worte, diesen Blicken, dieser Sprache gegenüber, — er war nahe daran, sich wirklich für grausam und hart zu halten, und es bedurfte der vollen Erinnerung an den gestrigen Abend, um ihm seine kalte Ruhe dieser Frau gegenüber wiederzugeben.

      Antonie trat ihm einen Schritt näher und richtete mit einem wehmüthigen Ausdruck voll unendlicher Zärtlichkeit ihre Augen auf ihn.

      »Meine Liebe,« sagte sie mit sanfter Stimme, — »war so rein, so vertrauensvoll, wie die eines jungen Mädchens, feurig und glühend dabei wie der Wein des Südens, und sie füllte meine Seele ganz aus, — sie hatte meinen Stolz gebändigt, — ich lag zu Ihren Füßen, — wie eine Sklavin zu den Füßen ihres Herrn!«

      Ein feuchter Glanz schimmerte in ihrem schönen Auge.

      »Ich bitte Sie« — sagte Herr von Stielow verwirrt, — »diese Erklärungen über die Vergangenheit, — jetzt, — wozu diese peinliche Szene —«

      »Sie haben Recht,« erwiederte sie und ein stolzer Strahl leuchtete in ihrem Blick, ohne indeß den Schleier der Wehmuth vollständig zu zerreißen, welcher über ihrem Auge lag, — »Sie haben Recht, — ich darf jene Vergangenheit nicht berühren, — aber es gibt eine näher liegende Vergangenheit, von welcher ich sprechen muß, welche mich hieher führt.«

      »Aber —« sagte Herr von Stielow.

      Ohne auf ihn zu hören, fuhr sie fort:

      »Ich hatte Ihnen gegenüber keinen Stolz — keinen Willen mehr, — es ist wahr — aber Sie haben mich kalt und grausam verlassen —« sie drückte die Hand auf das Herz und preßte die Lippen auf einander — »Sie haben mich beleidigt, — und der Stolz meines Herzens wallte mächtig wieder auf. — Ich wollte Sie hassen, Sie vergessen,« fuhr sie mit dumpfer Stimme fort, — »aber alle edleren Regungen meines Herzens sträubten sich dagegen, — ich konnte es nicht,« sagte sie mit leicht zitterndem Ton, — und mein Stolz sagte mir: — »mag er Dich nicht mehr lieben — er soll Dich nicht verachten!«

      Die Züge des Herrn von Stielow wurden ruhiger. Mit kaltem Blick sah er sie an, ein kaum merkliches Lächeln lag auf seinen Lippen.

      »Sie hatten das Recht,« fuhr sie fort, — »es ist wahr, — mich für falsch zu halten, Sie hatten das Recht zu glauben, daß Sie dem Spiel koketter Laune, vielleicht Schlimmerem,« sagte sie leise — »zum Opfer gefallen wären, — das sollen Sie nicht glauben, die Erinnerung an mich soll wenigstens nicht mit Verachtung gemischt sein!«

      »Lassen wir die Vergangenheit,« sagte er — »ich versichere Sie —«

      »Nein,« rief sie lebhaft, — »Sie sollen mich hören, — gibt mir die Vergangenheit kein anderes Recht mehr, so gibt sie mir doch das — Gehör zu verlangen!«

      Er schwieg.

      »Sie wissen,« fuhr sie fort, »wie mein Leben war, — mit dem Herzen voll Liebe, mit dem Geist voll Streben und Ringen nach den Höhen des Lebens, war ich in früher Jugend an den Mann gefesselt, — den Sie kennen. Er selbst begünstigte die Annäherung der jungen Männerwelt an mich, — jener Graf Rivero näherte sich mir, ich fand bei ihm den reichsten Geist, die Befriedigung aller Wünsche, — ich glaubte ihn zu lieben,« fuhr sie mit gesenktem Blick fort, — »wenigstens brachte er Licht und Interesse in mein Leben. — Ist das ein Verbrechen?«

      Ohne eine Antwort zu erwarten, sprach sie lebhaft weiter: