Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Gruppe.

      Der General, in der äußersten Sorge, dieser furchtbaren Szene ein Ende zu machen, befahl dem Lakai, den zum Dienst der Kaiserin im Hofe haltenden Wagen herbeizurufen.

      Die Equipage fuhr vor.

      Mit einem Sprunge stürzte die Kaiserin hinein. Der General trat an den Schlag, um ihr zu folgen. Da verließen sie ihre Kräfte, — sie brach zusammen, — ihre Augen schlossen sich, weißer Schaum drang aus ihrem Munde, — bewußtlos in konvulsivischem Zucken sank sie in die Kissen zurück.

      Mehrere Lakaien eilten herbei. — Sanft trug man sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer.

      »Welch' ein Trauerspiel beginnt hier,« sprach der General Almonte, der langsam von Schauern geschüttelt folgte, — »und welch' eine Fortsetzung desselben liegt noch im Schooße der' Zukunft!«

      Langsam bewegten sich am späten Nachmittag im Bois de Boulogne die glänzenden Equipagen der Aristokratie, der haute finance und der fremden Diplomatie. Die ganze Welt von Paris war in der Stadt geblieben, weil die europäische Krisis alle Interessen an den Mittelpunkt fesselte, — und diese ganze Welt machte vor dem Diner ihre gewohnte langsame Spazierfahrt um die schönen Ufer der beiden Seen in dem prachtvollen, in wunderbarer Sauberkeit gehaltenen Gehölz von Boulogne, zwischen den stolzen, schwerfälligen Equipagen mit den gepuderten Lakaien fuhren die Wagen der Damen der Halbwelt, leicht und zierlich mit eleganten tänzelnden Pferden, und die jungen Herren ritten, ohne Rücksicht auf die mißbilligenden Blicke der Damen der wirklichen Welt, an diese Wagen heran, lachend und scherzend die pikanten Bemerkungen erwiedernd, welche ihnen von den Damen der avant-scène und des Café anglais zugerufen wurden.

      In offener Kalesche, von einem prachtvollen braunen Viererzug gezogen, zwei Piqueurs in grün und goldener Livree voran, ein Stallmeister am Schlage, erschien in all' diesem heitern bunten Treiben der Kaiser. Neben ihm saß der General Fleury. Das Gesicht Napoleon's strahlte von Heiterkeit, lebhaft unterhielt er sich mit dem General, mit freundlicher Verbindlichkeit erwiederte er rechts und links die Grüße und langsam fuhr die glänzende Equipage dreimal am Ufer des Sees hin und her. Eine Stunde später wußte ganz Paris, daß der Kaiser sich vortrefflich befinde und daß die Angelegenheiten sehr gut stehen müßten, denn Seine Majestät sei von einer bemerkbaren Heiterkeit gewesen.

      Eben so heiter war der Kaiser bei der Tafel, zu welcher die Marschälle und einige hohe Offiziere befohlen waren.

      Der Cercle war vorbei, — die Sonne war herabgesunken und der laue, aber schon dunkle Abend lag über der riesigen Stadt.

      Der Kaiser trat in sein Kabinet. Er legte die Uniform ab, die er bei dem Diner getragen, und ließ sich einen einfachen schwarzen Ueberrock reichen.

      Als der Kammerdiener sich entfernt, rief er Pietri.

      »Ist mein Wagen ohne Livree bereit?« fragte er.

      »Er steht an der Seitenthüre zu Eurer Majestät Befehl.«

      »Sie haben mir,« sagte der Kaiser, »von jener merkwürdigen Schülerin der Lenormand erzählt — auch Morny hat mir davon gesprochen, — Madame Moreau? nicht wahr?«

      Pietri lächelte.

      »Sie hat schon vieles Wunderbare vorhergesagt, — ich habe sie selbst einmal besucht, und ihre Prophezeiungen haben mich frappirt.«

      »Und sind eingetroffen?« fragte der Kaiser.

      »Vieles, Sire, ist geschehen, wie sie es vorhergesagt.«

      »Ich will sie hören,« sagte der Kaiser, »kommen Sie.«

      Und er stieg, von seinem Sekretär gefolgt, die Treppe zu dessen Zimmer hinab.

      Sie schritten durch einen Korridor und traten durch eine Seitenthür in den innern Hof der Tuilerieen, hier stand ein einfacher Wagen mit zwei schwarzen Pferden bespannt, — ein Kutscher ohne Livree auf dem Bock, — man konnte ihn für den Wagen eines Arztes halten.

      Der Kaiser stieg ein.

      Pietri folgte ihm, nachdem er dem Kutscher zugerufen: »Rue Tournon 5.«

      In schnellem Trabe verließ der Wagen den Hof und fuhr die Rue de Rivoli hinab.

      Ein zweiter, eben so unscheinbarer Wagen folgte ihm in einiger Entfernung.

      Er enthielt den Chef der Polizei des Palastes und einen seiner Beamten.

      Im alten Paris, in der Nähe des Palais du Luxembourg, liegt die Rue Tournon, eine jener alten Straßen, welche noch den Typus der vergangenen Zeiten trägt, mit niedrigen, einfachen Häusern, alten Läden und kleinen Fenstern.

      Vor dem Hause No. 5 hielt der Wagen des Kaisers, — Pietri ging voran durch einen großen offenen Thorweg, welcher in einen kleinen Hof führte. Der Kaiser folgte ihm. Der zweite Wagen hielt an der Ecke der Straße, seine Insassen stiegen aus und begannen langsam, rauchend und plaudernd auf dem Trottoir hin und her zu gehen.

      Napoleon III. folgte seinem Sekretär über den Hof, trat am Ende desselben in eine um einige Stufen erhöhte Thür und stieg eine schmale dunkle Treppe hinauf. Ein kleiner Vorplatz in der ersten Etage war durch eine einfache, aber elegante Lampe erhellt, unter derselben las man auf einem Porzellanschilde: Madame Moreau.

      »Es ist dasselbe Haus und dasselbe Appartement, welches die Lenormand bewohnte,« sagte Pietri, während er die neben dem Schilde befindliche Glocke zog.

      Der Kaiser blickte mit großem Interesse umher.

      »Hier war also Napoleon I.,« sagte er sinnend, — »und hier wurde ihm die Krone prophezeit, welche sein Haupt zu schmücken bestimmt war!« —

      Die Thüre öffnete sich. Ein junges Frauenzimmer in der Tracht der pariser Hausmädchen erschien. Der Kaiser schlug den Kragen seines Ueberrocks herauf und hielt sein Taschentuch vor den untern Theil des Gesichts.

      Pietri trat vor und deckte ihn mit seiner Gestalt.

      »Madame Moreau?« fragte er.

      »Ich weiß nicht,« erwiederte das Mädchen, »ob Madame noch empfängt, es ist spät —«

      »Wir sind Freunde,« sagte Pietri, — »Madame wird uns nicht abweisen.«

      »Wollen die Herren in den Salon treten, — ich werde Sie melden.«

      Sie führte den Kaiser und seinen Sekretär in einen kleinen, aber mit einer fast reichen Eleganz möblirten Salon. Dicke Teppiche bedeckten den Boden, große Fauteuils standen um einen Tisch, auf welchem verschiedene illustrirte Journale lagen, — eine große helle Ampel hing von der Decke herab und erleuchtete den Raum.

      »Jetzt müssen Eure Majestät das Antichambriren lernen,« sagte Pietri scherzend, dem Kaiser einen Fauteuil hinrückend.

      Dieser legte nur leicht die Hand auf die Lehne und blickte mit großem Interesse im Zimmer umher. An der Wand hing ein großer Kupferstich, sein Bild im Krönungsornat. Leicht seufzend blickte der Kaiser auf die schlanke jugendliche Gestalt des Bildes, — dann sagte er, lächelnd auf den Kupferstich deutend:

      »Diese Dame scheint gut gesinnt zu sein.«

      »Sie ist die Schülerin der Lenormand, Sire,« antwortete Pietri, »und lebt in den Traditionen ihrer Meisterin, — auch war sie ein besonderer Schützling des Herzogs von Morny —«

      Eine kleine, von einer sehr dichten, dunkeln Portière maskirte Thüre öffnete sich, die Portière wurde zurückgeschoben und eine kleine, in eine einfache schwarzseidene Robe gekleidete, ziemlich korpulente Frau von etwa fünfzig Jahren, mit dunklem, glatt anliegenden Haar und schwarzen, lebhaften, scharf und durchdringend blickenden Augen, welche seltsam abstachen gegen das volle, etwas aufgeschwemmte und ziemlich gewöhnliche Gesicht, erschien auf der Schwelle.

      Pietri trat vor.

      »Ich danke Ihnen, Madame,« sagte er, »daß Sie uns noch zu dieser späten Stunde empfangen haben, — Sie haben mir vor einiger Zeit so glänzende Proben Ihrer Kunst gegeben, daß einer meiner Freunde, der auf der Durchreise hier ist, Sie bitten möchte, den Schleier von seiner Zukunft zu