Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Thron unter ihnen zusammenbricht! — Ich wollte, die Kaiserin Charlotte wäre fort,« — sagte er dann mit dumpfer Stimme, — »sie war sehr erregt gestern, — es wird ein peinlicher Besuch werden!«

      Er ließ den Adjutanten vom Dienst rufen, befahl seinen Wagen vorfahren zu lassen und zog sich in sein Toilettenzimmer zurück.

      In ihrem Salon in der Beletage des Grand Hotel am Boulevard des Italiens saß die Kaiserin Charlotte von Mexiko in schwarzem Anzug. Ihr früher so schönes, frisches und anmuthiges Gesicht war bleich und traurig, tiefe Linien durchzogen dasselbe und gaben ihm den Ausdruck frühen Alters, ihr Haar war fast verborgen unter einem schwarzen Spitzentuch, das in die Stirn herabreichte, — um den Mund zuckte eine unruhige, nervöse Bewegung, und aus den müden Augen blitzte zuweilen ein unsteter, fieberhafter Glanz hervor.

      Vor der Kaiserin stand der General Almonte, der Gesandte Mexikos in Paris — ein vornehm aussehender Mann vom Typus der Südländer — traurig blickte er auf diese Fürstin, welche vor nicht langer Zeit über das Meer hingezogen war, um den in märchenhaftem Schimmer strahlenden Thron Montezuma's zu besteigen, und welche da jetzt gebrochen in tiefem Weh vor ihm saß — statt Montezuma's Diadem hatte sie die Märtyrerkrone von Guatimozin gefunden.

      »Sie glauben also nicht, General,« sagte die Kaiserin mit zitternder Stimme, »daß von Frankreich noch Etwas zu hoffen ist?«

      »Ich glaube es nicht,« erwiederte der General ernst, — nach Allem, was ich hier zu sehen und zu hören Gelegenheit gehabt, ist der Kaiser fest entschlossen, sich aus der ganzen Sache schnell und definitiv zurückzuziehen; — wenn Seine Majestät der Kaiser Maximilian seinen Thron erhalten will, — was ich im Interesse des unglücklichen, so lange von Abenteurern aller Art ausgebeuteten Landes dringend wünsche, — so muß er ohne Frankreich rechnen, — er muß im eigenen Lande Stützen suchen, — vor Allem suchen, die festeste und mächtigste Stütze wieder zu gewinnen, welche er verloren — die Kirche und den Klerus, welche ihm Soldaten und Geld schaffen wird. — Nicht hier,« fuhr der General fort, »ist Hülfe zu finden, — wollen Eure Majestät meinen Rath hören, so müssen Sie nach Rom gehen, — der Papst allein kann jene in Mexiko so gewaltige Macht des Klerus dem Kaiser wieder zuführen, — freilich wird er dafür Bedingungen stellen, — aber schnell müßte gehandelt werden, — ehe es zu spät wird,« fügte er in dumpfem Tone hinzu.

      »O,« rief die Kaiserin aufstehend und einige Male mit raschen Schritten durch den Salon gehend, — »o, daß mein edler, unglücklicher Gemahl den Lockungen dieses Dämons gefolgt ist, den man Napoleon nennt, — daß er unser schönes Miramar verlassen hat, um sich in diesen Abgrund zu stürzen, in den wir tiefer und tiefer versinken. — Wenn Sie wüßten,« rief sie mit funkelnden Augen, vor dem General stehen bleibend, — »wie ich ihn gebeten habe, diesen Mann, — er war in Saint-Cloud, — um mich zu vermeiden,« rief sie immer schneller und erregter sprechend, — »ich folgte ihm dorthin, ich drang fast gewaltsam zu ihm ein, — ich habe gebeten und gefleht, — ich habe allen Zorn in mein Herz zurückgedrängt, — ich habe ihn gebeten, wie man Gott bittet, — ich habe mich zu seinen Füßen geworfen, — ich, die Enkelin Louis Philipp's, zu den Füßen des Sohnes jener Hortense — o, mein Gott!«

      Sie sank erschöpft auf das Kanape zurück.

      »Und was antwortete der Kaiser?« fragte der General, mit tiefem Mitleid auf diese unglückliche Frau blickend, deren verhängnißvolles Diadem so schwer auf ihrem Haupte lastete.

      »Nichts,« seufzte die Kaiserin, »Phrasen des Bedauerns, kalte Worte des Trostes, welche wie Hohn klangen in seinem Munde. — General,« rief sie plötzlich, sich aufrichtend und den starren Blick auf den Gesandten richtend, — »General, ich fürchte, daß mein Verstand sich verwirrt, — so vielen Kummer kann keine menschliche Seele ertragen, so viele Thränen kann kein Auge vergießen, ohne den Mächten der Finsterniß zu verfallen. — Nachts,« rief sie, den Blick in das Leere gerichtet, wie einer Vision ihres Innern folgend, — »Nachts, wenn nach langem, thränenreichen Wachen ein unruhiger Schlummer sich auf mich niederläßt, — dann sehe ich ihn heranschleichen, diesen der Hölle entstiegenen Dämon, — er reicht mir einen Becher, grünlichgelbe Flammen züngeln daraus hervor — ich schauere bis in das Innere meines Herzens, — aber er hält den Becher an meine Lippen, die Flammen schlagen in mein Gehirn mit furchtbaren Schmerzen, — ich muß trinken — trinken den entsetzlichen Trank, den er mir reicht, — und dieser Trank ist Blut, — Blut meines Gemahls!« rief sie laut aufkreischend und die Hände abwehrend in krampfhafter Bewegung vor sich streckend.

      »Majestät, — um Gotteswillen beruhigen Sie sich!« rief der General entsetzt.

      Ein Geräusch entstand im Vorzimmer.

      Ein Lakai trat ein.

      »Seine Majestät der Kaiser fährt so eben in den Hof,« rief er und öffnete die Flügel der Thüre zum Vorzimmer.

      Rasch erhob sich die Kaiserin Charlotte. Sie fuhr mit ihrem Taschentuch über die Stirn, — die Starrheit verschwand aus ihren Zügen, ruhig und mit schmerzlichem Lächeln sprach sie:

      »Lassen Sie mich mit ihm allein, General — vielleicht hat Gott sein Herz erweicht.«

      Napoleon erschien im Vorzimmer, — er war im schwarzen Frack mit Stern und Band des Ordens unserer lieben Frau von Guadeloupe. Oberst Favé begleitete ihn.

      Die Kaiserin trat ihm bis zur Schwelle ihres Zimmers entgegen. General Almonte zog sich mit tiefer Verbeugung in das Vorzimmer zurück. Die Lakaien schlossen die Thür.

      Napoleon küßte der Kaiserin die Hand, führte sie zum Sopha und setzte sich in einen Lehnstuhl zu ihrer Seite. In angstvoller Spannung blickte die Kaiserin zu ihm hin, seine tief verschleierten Augen waren zu Boden geschlagen.

      »Eure Majestät sind zufrieden hier?« fragte er in höflichem Ton, »ich würde mich glücklich schätzen, wenn Sie die Gastfreundschaft eines meiner Schlösser annehmen wollten —«

      »Ich bedarf Nichts,« sagte die Kaiserin mit leichter Ungeduld, — »ich bin gekommen, um mein Urtheil zu hören, — ich bitte Eure Majestät mir zu sagen, ob dasselbe gefällt ist, und was ich zu hoffen habe.«

      »Ich glaube Eurer Majestät gestern schon meine Auffassung über die politische Situation ausgesprochen und begründet zu haben,« — sagte der Kaiser in ruhigem Ton, — »ich kann nur nochmals mein Bedauern wiederholen, daß diese Situation mir verbietet, — absolut verbietet, den Wünschen Eurer Majestät entgegenzukommen, — wie ich es so sehr gewünscht hätte,« fügte er mit artiger Verbeugung hinzu.

      Ein leichtes konvulsivisches Zittern spielte um die Lippen der Kaiserin Charlotte.

      »Sire,« sagte sie mit gepreßter Stimme, — »es handelt sich nicht um meine Wünsche, — sie haben sich niemals auf jenen fernen Thron gerichtet, — es handelt sich um die Ehre, vielleicht um das Leben meines Gemahls, — denn er wird das Leben seiner Ehre opfern.«

      »Aber, Madame,« sagte der Kaiser, leicht den Schnurrbart drehend, — »ich wüßte nicht, wie die Ehre verlangen könnte, sich eigensinnig unter den Trümmern eines Thrones zu begraben, welcher nicht mehr zu halten ist. Ihr Gemahl hat eine große und gute Sache unternommen; daß sie nicht durchgeführt werden kann, ist die Schuld der Verhältnisse, nicht die seine, — Niemand wird ihm einen Vorwurf machen.«

      Ein bitteres Lächeln umzog den Mund der Kaiserin.

      »So faßt mein Gemahl die Sache nicht auf,« sagte sie, »er wird nicht als entthronter Fürst die Welt durchziehen, — nach seiner Ansicht darf ein Fürst den Thron, den er einmal bestiegen, nur mit dem Leben aufgeben.«

      »Der Kaiser Maximilian wird eine Ansicht, die auf den gegenwärtigen Fall nicht paßt, nicht bis zum Aeußersten treiben,« erwiederte Napoleon, — »ich werde den General Castelnau an ihn abschicken, — er soll ihm nochmals in meinem Namen die ganze Notwendigkeit der Lage, unter deren Herrschaft ich mich befinde, darlegen, — der Kaiser wird sie begreifen, — er wird zurückkehren, und ich bitte Sie dringend, Madame, durch Ihre Rathschläge die Mission des Generals zu unterstützen.«

      Eine fliegende Röthe zog rasch über