Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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      Ein tiefes Stillschweigen antwortete auf die Frage des Kaisers.

      »Sire,« rief endlich der Marschall Mac Mahon, indem sein lichtblaues, klares Auge sich fest auf den Kaiser richtete, — »wir würden Alle, wenn Eure Majestät es befehlen, bereit sein, an der Spitze der französischen Armeen zu marschiren — und zu sterben, — vorher aber würden wir Eure Majestät bitten, den Rath des Marschalls Niel zu hören und das Schicksal Frankreichs, — des kaiserlichen Frankreichs, nicht einem so ungewissen Erfolge anheim zu geben!«

      Alle Marschälle neigten das Haupt, auf ihren Gesichtern las man die volle Zustimmung zu den Worten des Herzogs von Magenta.

      Drouyn de Lhuys ließ traurig den Kopf auf die Brust niedersinken.

      Der Kaiser richtete, ohne ein Zeichen von Bewegung, den Blick auf den Marschall Niel.

      »Wie viel Zeit würden Sie bedürfen, Herr Marschall, um das auszuführen, was Sie als nothwendig bezeichnet haben?«

      »Zwei Jahre, Sire,« erwiederte der Marschall ruhig, mit klarer Stimme.

      »Meine besten Wünsche werden den Marschall bei seinem Werke begleiten, wenn Eure Majestät ihm dasselbe auftragen,« sagte der Kriegsminister Graf Randon, sich gegen den Kaiser verneigend.

      Nach einigen Sekunden tiefer Stille erhob sich Napoleon.

      »Ich danke Ihnen, meine Herren Marschälle,« sprach er einfach und ruhig, »für Ihre Ansichten, die Sie mir so freimüthig ausgesprochen haben, und die es mir sehr erleichtern werden, in diesem wichtigen Augenblick meine Entschlüsse zu fassen. Ich werde Sie alle heute beim Diner wiedersehen.«

      Und mit der ihm eigenen würdevollen Höflichkeit grüßte er und kehrte allein in sein Kabinet zurück.

      Er blickte nachdenklich und ernst vor sich hin und ging mehrmals langsam in dem Kabinet auf und nieder.

      »Nur die Verwegenheit könnte es unternehmen, unter diesen Umständen zu handeln,« sagte er — »und warum? — wenn die Zeit die Frucht reifen kann, wenn das Warten sicherer zum Ziele führt? — Drouyn de Lhuys, dieser so ruhige, so vorsichtige Mann, spricht plötzlich wie ein Klubredner von 1793! — Er steht mit den Orleans in Verbindung,« sagte er düster, indem er stillstand und die Augen fest auf den Boden heftete.

      Dann ging er an seinen Schreibtisch, setzte sich nieder und schrieb. Schnell eilte seine Hand über das Papier, — zuweilen blickte er auf, wie ein Wort suchend, dann schrieb er wieder weiter, eine Seite nach der andern anfüllend.

      Als er geendet, rief er Pietri.

      »Machen Sie mir eine Kopie hievon,« sagte der Kaiser, ihm die beschriebenen Bogen hinreichend, — »doch,« fügte er hinzu, — »lesen Sie zunächst und sagen Sie mir, was Sie davon denken.«

      Pietri las ruhig und aufmerksam, während der Kaiser sich eine Cigarrette machte, dieselbe an der stets auf seinem Tische brennenden Kerze anzündete und dann langsam im Zimmer auf und nieder ging, von Zeit zu Zeit einen prüfenden Blick auf das Gesicht seines Sekretärs werfend.

      Als er sah, daß dieser seine Lektüre beendet, sagte er:

      »Nun — haben Sie etwas zu bemerken?«

      »Sire,« sagte Pietri, — »Eure Majestät wollen also nicht handeln?«

      »Vielleicht ist es besser, zu warten,« sagte der Kaiser.

      »Aber dieß Programm,« sagte Pietri, — »denn es ist doch ein politisches Programm der Zukunft, das Eure Majestät da entworfen haben, — nimmt die Veränderungen, welche sich in Deutschland vollziehen, an —«

      »Nimmt sie an« — sagte der Kaiser und halb zu sich selber sprechend fügte er hinzu: — »annehmen ist nicht anerkennen, — annehmen bezeichnet einen faktischen Zustand, der dauern kann, — den man dauern lassen, kann, so lange man will.«

      »Ich bewundere, wie schon so oft, die Schärfe, mit welcher Eure Majestät die Worte wählen,« sagte Pietri. — »Aber,« fuhr er fort, »diese Theorie der Nicht-Intervention, diese Ausführung, daß die drei Theile, in welche Deutschland zerfällt, den französischen Interessen volle Beruhigung gewähren, dürfte nicht mit der Ansicht des Herrn Drouyn de Lhuys übereinstimmen, ich glaube nicht, daß er dieß Programm ohne Diskussion acceptirt.« —

      Der Kaiser warf einen langen Blick auf seinen Sekretär.

      »Dazu kann ich ihn nicht zwingen,« sagte er dann.

      »Und Eure Majestät sind fest entschlossen, dieß Programm aufzustellen?«

      »Fest entschlossen?« sagte der Kaiser sinnend, — »es ist eine seltsame Sache um den Entschluß in solchen Tagen — wissen Sie, Pietri« — sagte er, ihm die Hand auf die Schulter legend, — »der Entschluß ist etwas, das meinen Nerven weh thut, — ich kenne die Furcht nicht, die Gefahr macht mich kalt und ruhig, — aber ich bin stets Demjenigen dankbar, der mich durch irgend einen Impuls zwingt, zu thun, was ich thun möchte, — machen Sie die Kopie, ich will ausfahren.« — —

      Vierundzwanzigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Herr Pietri hatte am nächsten Morgen seinen Vortrag bei Napoleon beendet und erhob sich, um sich in sein Zimmer zurückzuziehen.

      Der Kaiser blickte ernst vor sich nieder.

      »Ich muß der Kaiserin Charlotte einen Besuch machen,« sagte er leise.

      »Die arme Kaiserin, — sie ist in der That zu beklagen« — bemerkte Pietri.

      »Warum klammert sie sich eigensinnig an diesen lächerlichen mexikanischen Thron an?« rief Napoleon — »ich kann doch den Kaiser Maximilian nicht auf seinem Throne halten, den er selbst durch seinen liberalen Idealismus unterminirt hat? — Er hat sich von der kirchlichen Partei getrennt, hat den Klerus tief verletzt, diese einzige Macht, welche ihm dort die Massen zuführen konnte, und welche vor Allem im Stande war, ihm Geld zu schaffen, das er bedarf, denn ohne Geld wird er bald weder Truppen, noch Generale, noch Minister, noch Freunde haben. — Soll ich,« fuhr er nach einer Pause fort, — »soll ich in diesen mexikanischen Abgrund fortwährend Ströme französischen Blutes und französischen Geldes sich ergießen lassen, ohne ihn doch jemals ausfüllen zu können, — jetzt, wo diese deutsche Drohung sich neben den Grenzen Frankreichs erhebt, — wo ich schweigen und lächeln muß, weil ich nicht handeln kann?« — er biß die Zähne fest zusammen, ein Ausdruck zornigen Grimmes flog über sein Gesicht, — — »diese mexikanische Expedition war eine große Idee,« sagte er dann — »die Befestigung des monarchischen Prinzips auf der anderen Hemisphäre diesem drohenden Nordamerika gegenüber, — die Herrschaft der lateinischen Rassen; — mit der Unterwerfung der Südstaaten ist diese Idee unmöglich geworden, — der Kaiser Maximilian hat nicht verstanden, sich eigene Stützen für seinen Thron zu schaffen, — ich habe kein Interesse mehr, ihn zu halten — und ich kann es nicht.«

      »Wenn Eure Majestät die Südstaaten kräftig unterstützt hätten« — warf Pietri etwas schüchtern ein.

      »Konnte ich das allein?« rief der Kaiser lebhaft, — »hat mich nicht England im Stich gelassen, — England, das doch wahrlich noch ein größeres Interesse hatte als ich, dem Wachsthum und der Konsolidirung dieser amerikanischen Republik entgegenzutreten, welche das Schwert schleift, mit welchem sie einst den baumwollenen Lebensfaden des stolzen Großbritanniens durchschneiden wird? Sollte ich allein den Haß und die Feindschaft dieser Macht der Zukunft auf mich laden, ohne die Sicherheit, sie überwinden zu können, — um den Thron eines Kaisers zu erhalten, der in liberaler Experimentalpolitik Wilde mit konstitutionellen Theorieen regieren will? Er thut mir leid, — dieser Maximilian,« fuhr er nach einigen Schritten durch das Zimmer fort, — »es ist etwas Edles, Großes in ihm — aber auch viel Unklarheit — »er hat etwas von seinen Vorfahren — von Joseph II., der hundert Jahre zu früh auf die Welt kam, und von jenem anderen Maximilian, der ebensoviel zu spät geboren wurde,