Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Bismarck geantwortet?« fragte der Fürst.

      »Er hat die Erörterung der Frage und seine Antwort bis nach dem Friedensschluß mit Oesterreich vertagt,« sagte Herr von Manteuffel.

      Der Fürst lächelte fein und nickte leicht mit dem Kopfe. —

      »Ich kann Eurer Excellenz indeß die Antwort vorhersagen,« fuhr der General fort.

      »Und sie wird lauten?« fragte der Fürst.

      »Kein Fußbreit Landes, keine Festung — keine Kompensation,« sagte Herr von Manteuffel mit festem, lautem Ton.

      Fürst Gortschakoff sah ihn überrascht an, als habe er diese einfache, kurze Antwort nicht erwartet.

      »Und was wird Frankreich thun?« fragte er.

      Der General zuckte die Achseln.

      »Vielleicht den Krieg erklären,« erwiederte er — »vielleicht vorläufig schweigen, warten, rüsten — jedenfalls aber wird eine scharfe Spannung und endlich der Krieg die unausbleibliche Folge sein.«

      Der Fürst sah erstaunt diesen Mann an, der mit so feinem Verständniß von den Zielen und Fäden der politischen Interessen gesprochen hatte und der nun mit solcher soldatischen Einfachheit als von einer natürlichen Sache von einem Kriege sprach, unter dessen Donnern Europa in seinen Grundfesten erbeben mußte.

      »Das ist die Situation,« sagte Herr von Manteuffel, — »ich bitte Eure Excellenz um Erlaubnis meine Ansicht über ihre Folgen und über die Stellung Rußlands zu derselben aussprechen zu dürfen.«

      »Ich bin begierig, zu hören!« sagte der Fürst.

      »Die Situation, welche ich so eben charakterisirt habe,« fuhr der General fort, »legt in die Hand Rußlands die Entscheidung über das Verhältniß, das in alle Zukunft zwischen dem Kaiserreich und Deutschland bestehen soll. Wenn die russische Politik die gegenwärtige Lage benutzen würde, um uns irgend welche Schwierigkeiten zu machen, so würde diese Politik — verzeihen Eure Excellenz, — ich muß eben alle Möglichkeiten berühren, um meine Ansicht klar zu machen, — so würde diese Politik im für Sie günstigsten Fall Frankreich einen Machtzuwachs schaffen, die Konstituirung Deutschlands nicht verhindern und für alle Fälle der Zukunft, — für immer, — sich aus Preußen und Deutschland einen Gegner schaffen, der darauf angewiesen wäre, sich mit den Mächten des Westens über die Angelegenheiten Europas zu verständigen und die Interessen jener Mächte zu den seinigen zu machen.«

      Herr von Manteuffel hatte mit fester und entschiedener Stimme gesprochen, und den Blick voll und klar auf den Vizekanzler gerichtet.

      Der Fürst senkte das Auge und biß sich auf die Lippe.

      »Ich bitte nochmals um Verzeihung, Excellenz,« sagte der General, »daß ich, um meine Ansicht klar zu machen, eine Eventualität habe berühren müssen, welche Ihrer erleuchteten politischen Auffassung ohne Zweifel völlig fern liegt. — Ich komme nun zu der andern Eventualität, — wenn nämlich Rußland den alten Traditionen beider Höfe gemäß die Vergrößerung Preußens mit freundlichem und wohlwollendem Auge betrachtet und diesen Augenblick benützt, um mit dem neuen Deutschland sich über die Grundzüge der innigen Beziehungen zu verständigen, welche diese beiden Mächte nach meiner Ueberzeugung für die Zukunft verbinden müssen, so würden die Interessen beider Staaten sehr gefördert werden. — Entweder,« fuhr er fort, — »nimmt Frankreich sogleich, der verweigerten Kompensation wegen, den Krieg auf, — wir fürchten ihn nicht, er würde ganz Deutschland in diesem Augenblick einigen, und ohne Zögern würde er aufgenommen werden, besonders wenn wir in Rußland einen wohlwollenden Freund im Rücken haben. — Für Rußland aber — kann es keine bessere Gelegenheit geben, um den Bann zu brechen, welchen der Traktat von 1856 auf die Entwickelung nach Ihren natürlichen und nothwendigen Zielen hin gelegt hat. Während wir Frankreich im Schach halten, wird Niemand Sie hindern, jene unnatürliche Fessel zu zerreißen, welche die Allianz der Westmächte in Verbindung mit Oesterreichs Undank Ihnen am schwarzen Meere, an dem Punkte, an welchem die Zukunft Rußlands liegt, auferlegt hat.«

      Das Auge des Fürsten leuchtete, in seinen Zügen zeigte sich ein lächelndes Verständniß des Gedankens, den Herr von Manteuffel mit lebhaftem und überzeugendem Ton entwickelte.

      Dieser fuhr fort:

      »Geschieht aber, was ich persönlich für wahrscheinlich halte, daß Frankreich, welches den rechten Augenblick schon hat vorübergehen lassen —«

      Fürst Gortschakoff nickte mehrmals mit dem Kopf. —

      »Daß Frankreich,« sagte der General, »für jetzt schweigt, sich sammelt und rüstet, so steht die Partie noch besser, weil sie sicherer ist. Während der Zeit der Spannung, welche dem unausbleiblichen Krieg vorhergehen wird, ist uns die Zeit gegeben, die nationale Kraft Deutschlands immer fester und enger zusammenzufassen, und Ihnen bleibt die Zeit, alle Vorbereitungen nach dem Süden und Westen hin zu treffen und Anknüpfungen über den Ozean hin zu machen, um dort sich Ihren natürlichen Bundesgenossen für alle Fälle zu sichern.«

      »Herr General,« sagte der Fürst lächelnd, — »Sie haben die Verhältnisse Rußlands eingehend und erfolgreich studirt.« —

      »Weil ich Rußland liebe,« antwortete der General mit freier Offenheit, »und weil ich in der innigen, unlösbaren Freundschaft zwischen Rußland und Deutschland das Heil der europäischen Zukunft erblicke. — Doch ich komme zum Schluß,« sagte er dann. »Wenn nach kürzerer oder längerer Zwischenzeit der für Deutschlands Konstituirung entscheidende letzte Kampf mit Frankreich ausbricht, dann ist in jedem Falle die Ihnen so verderblich gewordene Allianz der Westmächte zertrümmert, Sie werden nichts zu thun haben, als etwaige Revanchegelüste Oesterreichs im Schach zu halten, und es wird Ihnen volle Freiheit gegeben sein, das schwarze Meer Ihren nationalen Interessen und Ihrer nationalen Zukunft wieder zu öffnen. — Wir unsererseits werden auf dem Wege zur Erreichung unserer natürlichen Ziele es nur mit Freude begrüßen, wenn Rußland mit mächtigem und schnellem Schritt auch der Erfüllung seiner nationalen Mission entgegengeht, — ja,« — fügte er hinzu, »wir werden Sie darin zu allen Zeiten und auf alle Weise kräftigst unterstützen. — Würde ich überhaupt zweifelhaft sein, welche Entscheidung eine stets so erleuchtete Politik, wie die Ihrige, treffen könne, so würde ich sagen können: Wählen Eure Excellenz, ob zwei Mächte, deren Interessen sich nirgends feindlich gegenüberstehen, sich durch gegenseitige Hemmungen lähmen — oder ob sie in freiem und innigem Einverständniß sich unterstützen sollen, die große Machtstellung zu erreichen, welche ihnen naturgemäß zugewiesen ist, — ob sie Hand in Hand die Schicksale Europas leiten wollen.«

      Er schwieg und blickte nach einer leichten Verneigung den Fürsten erwartungsvoll an.

      Von dem Gesicht des Letztern war jene kalte Zurückhaltung völlig verschwunden, welche bei dem Beginne der Unterredung darauf gelegen hatte.

      Ein hoher, fast feierlicher Ernst sprach aus seinen Zügen, weit und groß richtete sich sein Blick auf den preußischen Abgesandten.

      »Mein lieber General,« sagte er mit fester und klarer Stimme, — »wenn die Grundsätze und Auffassungen, welche Sie mir eben so offen als warm und überzeugend ausgesprochen haben, diejenigen Ihrer Regierung sind —«

      »Sie sind in jeder Beziehung diejenigen meines allergnädigsten Herrn und seines Ministers,« sagte Herr von Manteuffel ruhig und bestimmt.

      »Dann,« erwiederte der Fürst, »kann ich Ihnen eben so offen sagen, daß wir in den Grundprinzipien bei der Beurtheilung der gegenwärtigen Lage vollkommen übereinstimmen.«

      Ein Blitz der Freude leuchtete in dem tiefen, ernsten Auge des Generals.

      »Es wird nur darauf ankommen,« sagte der Fürst, »die Anwendung der gemeinsamen Grundsätze und Anschauungen für die Eventualitäten praktischer Verhältnisse zu präzisiren und darauf die Basis gemeinsamen Handelns für die Zukunft festzustellen.«

      »Ich bin dazu jeden Augenblick bereit,« sagte der General.

      »Vor Allem aber,« sprach der Fürst weiter, »müssen wir unser Einverständniß von Seiner Majestät