Und mit leuchtenden Blicken, ganz erfüllt von Glück, Liebe und anbetender Bewunderung, sah er zu ihr empor.
Sie starrte ihn an, fast ohne Ausdruck in den weit geöffneten Augen, es schien, als ob alles Blut nach ihrem Herzen zurückgeströmt sei, als ob alle ihre Gedanken, alle ihre Willenskraft gebannt wäre unter dem überwältigenden Eindruck dieser letzten Augenblicke.
Er freute sich fast dieser starren Bewegungslosigkeit, welche er dem unerwarteten, überraschenden Wiedersehen zuschrieb, und sagte:
»Der General Gablenz ist zum Kaiser gerufen und hat mich mit hieher genommen, wodurch mir früher als sonst vergönnt ist, mein süßes Glück zu begrüßen!« — und indem er ein goldenes Etui mit einem verschlungenen 0 in Brillanten aus seiner Uniform zog, fügte er mit glücklichem Lächeln hinzu: »Hier ist der von der Hand meiner Dame geweihte Talisman, welcher mich in allen Gefahren beschützt hat, — er hat stets auf meinem Herzen geruht und kann Dir erzählen, daß alle seine Schläge meiner Liebe gehörten.« —
Er öffnete das Etui und ließ in demselben auf einer Unterlage von blauem Sammet unter gläserner Einfassung eine trockene Rose sehen.
»Jetzt,« rief er, »bedarf ich des todten Talismans nicht mehr, da die lebendige Rose meines Glücks blühend vor mir steht!«
Er stand auf, legte sanft den Arm um ihre Schultern und drückte einen Kuß auf ihre Stirn.
Ein leichter Schauer flog durch ihre Gestalt, ihre Augen schleuderten einen Blitz voll Zorn und Verachtung, flammende Röthe erglühte auf ihren Wangen.
Mit rascher Bewegung riß sie sich von ihm los.
»Herr Baron,« rief sie — »ich muß Sie bitten, — Sie haben mich überrascht!«
Sie stockte — ihre Lippen zitterten, sie konnte die Worte nicht finden, sie konnte nicht aussprechen, was sie dachte und fühlte, nicht sagen, was sie sagen wollte.
Nach einem sekundenlangen Schweigen wendete sie sich, um das Zimmer zu verlassen.
Der junge Offizier stand da wie vom Blitz getroffen, — dieß fremde Wort, mit welchem sie ihn anredete, dieser Ausdruck in den Zügen seiner Geliebten sagte ihm, daß etwas vorgegangen sein müsse, daß ein Unheil aufgestiegen sei zwischen ihm und seiner Liebe, aber es war ihm unmöglich, auch nur einen klaren Gedanken darüber zu fassen, in starrem Entsetzen blickte er sie an. Als sie sich aber abwendete und ihre Schritte nach der Thüre richtete, da breitete er beide Arme nach ihr aus und rief mit einem Tone, so voll Liebe und Sehnsucht, voll Schmerz und voll banger Frage, wie er nur aus dem tiefsten und wahrsten Gefühl hervordringen kann: »Klara!«
Sie zuckte zusammen bei diesem Ton, der die innersten Tiefen ihres zuckenden Herzens traf; sie blieb stehen, ihre Kräfte drohten sie zu verlassen, sie wankte.
Herr von Stielow war im Augenblick neben ihr, er stützte sie und führte sie zu einem Lehnstuhl, in den er sie sanft niederließ.
Dann kniete er vor ihr nieder und rief mit flehendem, angstvollem Ton:
»Um Gotteswillen, Klara, was ist geschehen, — was bewegt Dich?«
Sie hielt das Tuch vor die Augen und weinte leise, gewaltsam nach Fassung ringend.
Die Thür öffnete sich und die Gräfin Frankenstein trat ein.
Sie blickte in starrem Erstaunen auf die Gruppe, welche sie vor sich sah.
Herr von Stielow sprang auf.
»Frau Gräfin!« rief er, »können Sie mir das Räthsel lösen, dem ich hier gegenüberstehe, — was ist mit Klara vorgegangen?«
Die Gräfin sah ihn mit ernster, ruhiger Miene an.
»Ich erwartete Sie nicht in diesen Tagen, Herr von Stielow,« sagte sie, »sonst würde ich Befehl gegeben haben, Ihnen sogleich zu sagen, daß meine Tochter sehr leidend und angegriffen ist. — Wir müssen auf längere Zeit Wien verlassen und ich glaube, daß es unter diesen Umständen besser ist, auf die Pläne zu verzichten, welche wir für die Zukunft gebaut hatten. — Mein Kind,« fuhr sie fort, sich zu ihrer Tochter wendend, welche noch immer leise weinend auf dem Lehnstuhl saß, — »geh' auf Dein Zimmer!«
»Klara krank?« rief der junge Mann im Tone des höchsten Schreckens, — »mein Gott, seit wann? — doch nein, nein, es ist etwas Anderes, das hier vorgegangen — ich bitte Sie —«
Mit einer raschen Bewegung stand die junge Gräfin auf. Stolz erhob sie das Haupt und ihren Blick klar und voll auf Herrn von Stielow richtend, sprach sie zu ihrer Mutter gewendet:
»Der Zufall — oder die Vorsehung hat ihn jetzt gerade hieher geführt, — nun sei Wahrheit zwischen uns, — ich wenigstens will auch die Schuld schweigender Unwahrheit nicht tragen —«
Und ehe die Gräfin antworten konnte, ging sie mit festem Schritt auf den Tisch zu, ergriff den Brief, welcher dort noch lag, und reichte ihn mit einer Bewegung voll stolzer Würde dem jungen Offizier. Dann brach sie von Neuem in Thränen aus und warf sich in die Arme ihrer Mutter.
Herr von Stielow warf einen Blick auf das Papier.
Eine dunkle Röthe flog über sein Gesicht.
Er überflog mit den Augen die Schriftzüge, — dann sprach er, den Blick zu Boden gesenkt:
»Ich weiß nicht, wie dieser Brief hieher kommt, — doch glaubte ich — aus einigen Worten Klara's zu schließen, daß ihr eine Verirrung bekannt sei, der ich verfallen war, — ich glaubte, daß sie trotz der Vergangenheit mir ihr Herz geschenkt habe, und ich begreife nicht —«
Klara richtete sich auf und sah ihn mit flammendem Blick an.
»Trotz der Vergangenheit!« rief sie, — »ja, — weil ich Ihrem Worte glaubte, daß dieß Alles der Vergangenheit angehöre, — ich wußte nicht, daß ich mit dieser Vergangenheit mich in die Gegenwart theilen sollte!« —
»Aber mein Gott!« rief Herr von Stielow, sie erstaunt anblickend, — »ich verstehe nichts mehr, — — kann ein alter Brief —«
»Ein alter Brief?« sagte die Gräfin Frankenstein streng, — »er ist acht Tage alt.«
»— Und trägt das Datum des letzten Briefes an mich!« rief Klara mit flammenden Blicken.
Herr von Stielow blickte erstaunt auf das Papier.
Seine Augen öffneten sich weit. Stumm starrte er lange auf den Brief, den er unbeweglich vor seine Augen hielt.
Endlich wendete er sich mit blitzenden Augen und hochgeröthetem Gesicht zu den Damen.
»Ich weiß nicht, welcher Dämon hier sein Spiel hat — ich weiß nicht, wer zwei Herzen von einander reißen will, die Gott für einander bestimmt hat; — Frau Gräfin,« fuhr er fort, »Sie sind mir Wahrheit schuldig, ich fordere Sie von Ihnen, — wer gab Ihnen dieß Papier?«
Klara's Augen hafteten gespannt auf dem Gesicht des jungen Mannes. Ihr Busen wogte auf und nieder.
Das Gesicht der Gräfin zeigte den Widerwillen, den ihr dieß ganze Gespräch einflößte, — kalt antwortete sie:
»Ihr Ehrenwort, über die ganze Sache zu schweigen!«
»Ich gebe es,« sagte Herr von Stielow.
»Nun denn,« sagte die Gräfin, »dieser Brief ist irrthümlich an den Mann der — Dame — gelangt, und er —«
»Betrug! schändlicher Betrug!« rief Herr von Stielow halb zornig, halb frohlockend, — »ich durchschaue den Grund desselben noch nicht ganz, — aber sei er, welcher er wolle — Frau Gräfin, — Klara, — dieser Brief ist ein Jahr alt, — sehen Sie hier, — wenn Sie genau zusehen, werden Sie es bemerken, das Datum ist frisch geschrieben, — es ist eine schändliche Intrigue!« —
Und er reichte das Blatt der Gräfin.