Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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König hat deßhalb,« fuhr Herr von Manteuffel fort, »die Eurer Excellenz bekannten Grundbedingungen der französischen Friedensvermittlung angenommen, indeß er hat zugleich erklärt, daß eine den Gesichtspunkten, welche ich so eben zu erwähnen die Ehre hatte, entsprechende Machtvergrößerung Preußens durch territoriale Gebietserweiterung unerläßlich sei — und Oesterreich hat im Voraus jede solche Ausdehnung Preußens im Norden genehmigt.«

      Ein halb mitleidiges, halb verächtliches Lächeln flog einen Augenblick über die Lippen des Fürsten, dann nahmen seine Züge wieder die vorige aufmerksame Ruhe an.

      »Der König,« fuhr Herr von Manteuffel fort, indem sein Blick unbeweglich auf den Augen des Fürsten haftete, — »der König hat nun beschlossen, jene Machtvergrößerung, welche nothwendig ist für Preußen und Deutschland, durch die Einverleibung von Hannover, Kurhessen, Nassau und der Stadt Frankfurt herzustellen.«

      Der General schwieg, als erwarte er eine Aeußerung des Ministers.

      Kein Zug bewegte sich im Gesicht des Fürsten.

      Klar und freundlich blickte sein Auge durch die goldene Brille auf den General und in diesem Auge stand deutlich geschrieben: »Ich höre.«

      Herr von Manteuffel fuhr eben so ruhig fort:

      »Der König ist tief und schmerzlich von dieser Notwendigkeit berührt, welche ihn zwingt, über verwandte Fürstenhäuser das harte Loos der Besiegten zu verhängen, — Seine Majestät hat lange gekämpft, aber die Pflicht gegen Preußen und Deutschland mußte in seinem königlichen Herzen den Sieg davon tragen über die Gefühle der Milde und der verwandtschaftlichen Rücksicht. Seine Majestät haben demgemäß die Einverleibung beschlossen.«

      Wieder schien der General eine Antwort oder wenigstens eine Bemerkung des Fürsten zu erwarten, — aber das Gesicht desselben blieb so ruhig und unverändert wie ein Porträt und es war fortwährend nur ein Ausdruck in demselben sichtbar, — der des unerschütterlichen Entschlusses, mit der rücksichtsvollsten und artigsten Aufmerksamkeit Alles anzuhören, was man ihm sagen würde.

      Herr von Manteuffel fuhr fort:

      »Die vollzogenen Ereignisse bedingen eine ziemlich wesentliche Veränderung derjenigen Grundlage der europäischen Verhältnisse, welche durch die wiener Verträge festgestellt sind, — und der König hält es deßhalb für nothwendig, die zwingenden Gründe, welche ihn bestimmten und bestimmen mußten, Seiner Majestät dem Kaiser vorzulegen, — er legt einen ganz besonderen Werth darauf, daß diese Gründe gerade bei derjenigen Macht volle und gerechte Würdigung finden, welche mit Preußen gemeinsam bis jetzt fast allein in Europa an der Grundlage jener Verträge festgehalten hat.«

      Der Fürst verneigte sich leicht.

      »Die wiener Verträge,« sagte er achselzuckend — »man spricht davon kaum noch in den Kanzleien der heutigen Diplomatie!«

      »Je mehr Seine Majestät der König,« sprach Herr von Manteuffel weiter, »innig durchdrungen ist von der Nichtigkeit der Prinzipien, welche jenen Verträgen und der heiligen Allianz zum Grunde gelegen haben, je tiefer Allerhöchstderselbe die Lossagung Oesterreichs von diesen Prinzipien und dieser Allianz beklagt, — je mehr die preußische Politik auch im Jahre 1855 ihre Vertragstreue bewiesen hat, — um so mehr liegt es meinem allergnädigsten Herrn daran, daß Seine Majestät der Kaiser sich überzeuge, wie nur die Erkenntniß der absoluten Nothwendigkeit dahin führen konnte, die Veränderungen zu beschließen, welche in Deutschland bevorstehen, und verwandte Fürstenhäuser die harten Konsequenzen des Krieges empfinden zu lassen.«

      »Wir sind hier mit den Konsequenzen, welche der Krieg dem Besiegten auferlegt, vertraut,« sagte der Fürst mit ruhiger Höflichkeit, — »seit zehn Jahren tragen wir diese Konsequenzen an den Ufern des schwarzen Meeres!«

      »Ein Unglück, an welchem Preußen keine Schuld trägt,« erwiederte Herr von Manteuffel, — »das man bei uns lebhaft beklagt hat, — dessen Aufhören wir gewiß mit Freude begrüßen würden.«

      Der Fürst schwieg. Ein leichter Schimmer in seinem Blick zeigte dem aufmerksam beobachtenden General, daß seine Worte wohl gehört waren.

      Er fuhr fort:

      »Seine Majestät würde es tief beklagen, wenn die Notwendigkeiten der deutschen Politik auch nur im Geringsten die Bande inniger Freundschaft und rücksichtslosen Vertrauens lockern könnten, welche zwischen den Höfen von Berlin und St. Petersburg bestehen. — Er hofft vielmehr, daß dieselben nicht nur fortfahren werden, Preußen und das neu erstehende Deutschland mit Rußland zu verbinden, sondern daß auch eine neue und politisch noch festere Basis einer wirklichen Allianz zwischen beiden Mächten durch die Natur der Dinge geboten ist.«

      Der Fürst schlug einen Augenblick die Augen nieder.

      Dann sagte er im Tone ruhiger Konversation:

      »Wir empfinden hier — und ich kann versichern, der Kaiser, mein allergnädigster Herr, am meisten — den vollen Werth der innigen und aufrichtigen Freundschaft mit Preußen — und ich zweifle nicht,« fügte er verbindlich hinzu, »daß im gegebenen Fall diese Freundschaft in thätiger Allianz sich bewähren würde. — Allein in diesem Augenblicke vermöchte ich kaum die tatsächlichen Bedingungen einer solchen zu entdecken. Rußland erholt sich und sammelt sich« — fuhr er mit leicht erhöhter Lebhaftigkeit des Tons fort, — »und hat keine Veranlassung, sich irgendwie in die Verhältnisse der europäischen Politik, in die Konstituirung der nationalen Gruppen zu mischen, sobald die russischen Interessen nicht direkt und unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen werden. — Wir mögen,« sagte er mit ausdrucksvollem Blick, »die Veränderungen beklagen, unter denen in Deutschland fürstliche Häuser zusammenbrechen, welche Ihrem Könige und dem Kaiser nahe verwandt sind), — in diesen Verhältnissen eine Veranlassung zu aktiver Politik — oder die Grundlage einer praktischen Allianz zu erblicken, ist mir nicht möglich. — Außerdem,« fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, »scheinen mir die neuen Verhältnisse Deutschlands — wie ich offen aussprechen will — nicht geeignet, die politischen Freundschaftsbeziehungen des berliner Hofes mit uns zu verstärken. Sie wissen selbst am besten vom Jahre 1848 her, daß die deutsche Bewegung stets Rußland feindlich war, — Deutschland wird vielleicht nicht überall die politischen Beziehungen Preußens acceptiren.«

      »Ich glaube, daß Eure Excellenz sich in diesem Punkte täuschen,« sagte Herr von Manteuffel mit einiger Lebhaftigkeit, — »die demokratische Bewegung von 1848, welche die nationale Idee nur zum Aushängeschild gebrauchte, erblickte in Rußland das Prinzip der Reaktion und machte, den Wortführern folgend, aus dem Haß gegen Rußland eines jener Schlagworte, mit welchen man die Massen in Bewegung setzte, — die wirklich nationalen Bestrebungen in Deutschland haben keine Feindschaft gegen Rußland und würden dessen nationale Erstarkung und dessen mächtige Stellung in Europa nur mit Freude begrüßen!«

      Der Fürst schwieg. Sein Gesicht zeigte den Ausdruck eines leisen Zweifels.

      General von Manteuffel fuhr fort:

      »Erlauben Eure Excellenz mir, die Anschauungen zu entwickeln, welche Seine Majestät der König, mein allergnädigster Herr, in dieser Beziehung hegt, und welche durchaus, — wie selbstverständlich, von dem Ministerpräsidenten Grafen Bismarck getheilt werden.«

      Der Fürst neigte leicht das Haupt und hörte mit gespannter Aufmerksamkeit.

      Die Züge des Generals belebten sich und mit erhöhtem, überzeugungsvollem Ton sprach er:

      »Die Geschichte lehrt, daß alle aus momentanen, vorübergehenden politischen Konstellationen entstehenden Allianzen, und würden sie durch die feierlichsten Verträge besiegelt, eben so vergänglich sind, wie die Ursachen, welche sie hervorgerufen haben. Wo dagegen die politischen, unwandelbaren Lebensbedingungen zweier Staaten und Völker dieselben aneinander schließen, da bleiben die Bündnisse fest im Wechsel der Zeiten und treten bei jeder praktischen Gelegenheit wieder hervor, — mögen sie durch Traktate begründet sein oder nicht. — Die erste und wesentlichste Bedingung solcher natürlichen Allianzen ist eine negative: diejenige, daß die Interessen beider Staaten sich nirgends durchkreuzen, sich nirgends feindlich