Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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geschlagen ist,« fuhr er sinnend fort, — »ist mir recht, dieses Oesterreich, das uns in unerhörtem Undank in der Stunde der Noth verließ, dessen falsche Freundschaft uns ebensoviel schadete, als unsere offenen Feinde, — aber daß dieser Sieg so weit geht, daß man in Deutschland das legitime Fürstenrecht umstoßen wird, daß diese germanische. Nation sich drohend uns zur Seite aufrichtet, — das macht mir schwere Sorgen. — Preußen,« sagte er nach einer kurzen Pause, »war unser Freund, konnte es, mußte es sein, — aber was jetzt entstehen wird, das ist nicht mehr Preußen, das ist Deutschland — und erinnern Sie sich, mit welchem Haß gegen Rußland von 1648 an stets die deutsche Nationalbewegung durchtränkt war! — In Paris wird man nichts thun, — man wird Kompensationen fordern, — ich glaube, man wird sie nicht erhalten, — ja, wenn Napoleon dann zum Handeln sich entschließen könnte, dann wäre der Augenblick gekommen, um vielleicht eingreifen zu können, — allein ist für uns nichts zu thun möglich!«

      »Eure Excellenz werden ja hören, was der General von Manteuffel bringt, — er muß ja bald hier sein,« sagte Herr von Hamburger, indem er seine Uhr hervorzog.

      »Was wird er bringen?« rief der Fürst unmuthig, — »Redensarten, Erklärungen, nichts weiter, — und was sollen wir antworten? bonne mine auf mauvais jeu machen, — voilà tout!«

      Herr von Hamburger lächelte fein.

      »Eure Excellenz werden es hören,« sagte er, — »ich für meine Person kann mich nicht davon überzeugen, daß es richtig ist, wenn Rußland sich feindlich gegen die neue Gestaltung Deutschlands stellt, — zu hindern ist sie auf die Dauer doch nicht, jenes alte europäische Gleichgewicht ist längst aus den Fugen gegangen und Rußland wiegt schwer genug,« fügte er mit stolzem Tone hinzu, »um auch eine neue Verteilung der Gewichte nicht zu fürchten. Rußland, der große, gewaltige Nationalstaat, darf sich nicht an die alten Traditionen hängen, er muß frei und vorurtheilslos in die Zukunft hineintreten, und verstärkt sich das Gewicht anderer Mächte, — wohlan, auch Rußlands Macht ist ja nicht in unveränderliche Schranken gezwängt!«

      Er nahm aus einer Mappe, welche er vorher mitgebracht hatte, ein Aktenstück und legte es auf den Tisch neben den Fürsten.

      Dieser hatte ihm aufmerksam zugehört und sein scharfes Auge blickte sinnend und nachdenklich vor sich hin.

      »Was legen Sie mir da auf den Tisch?« fragte er.

      »Den pariser Traktat, Excellenz,« antwortete Herr von Hamburger.

      Ein feines Lächeln umzog den Mund des Fürsten, ein blitzender Strahl flog aus seinem Auge auf den Sekretär.

      »Hamburger,« sagte er — »Sie sind ein ganz merkwürdiger Mensch; ich glaube, man muß sich vor Ihnen in Acht nehmen!«

      »Warum, Excellenz?« fragte der Sekretär in ruhigem, fast naivem Ton.

      »Ich glaube, Sie lesen die Gedanken der Menschen!« antwortete der Fürst, dessen Verstimmung immer mehr verschwunden war.

      »In Eurer Excellenz Schule muß man schließlich Alles ein wenig lernen,« sagte Herr von Hamburger, sich lächelnd verbeugend.

      Der Fürst nahm den pariser Traktat und blätterte leicht darin hin und her.

      Eine kurze Zeit folgte er schweigend seinen Gedanken.

      Dann blickte er auf und fragte:

      »Ist der General von Knesebeck, den der König von Hannover hergeschickt, schon in Zarskoë Selo?«

      »Er ist gleich nach der Audienz bei Eurer Excellenz dorthin gefahren, Seine kaiserliche Majestät haben befohlen, daß dort für ihn eine Wohnung eingerichtet werde.«

      »Hat er den Kaiser schon gesehen?« fragte der Fürst.

      »Nein, Excellenz,« erwiederte Herr von Hamburger, — »Eure Excellenz hatten Seine Majestät gebeten, ihn erst zu empfangen, wenn Sie den General Manteuffel gesprochen.«

      »Ganz recht,« erwiederte der Fürst nachdenklich, — »der Kaiser hat große Theilnahme für den König von Hannover, aber ich möchte nicht, daß er sich irgendwie engagirte, — thun können wir allein wenig, — das Einzige wäre, daß der Kaiser seinen persönlichen Einfluß geltend machte, um den König von Preußen von einer Politik der Annexionen abzuhalten, — das ist indeß sehr bedenklich, man muß in dieser ganzen Angelegenheit sehr vorsichtig verfahren. Seine Majestät muß sich vor jedem Schritt vollständig klar über die Folgen und Konsequenzen desselben sein.«

      Ein Kammerdiener trat ein und meldete:

      »Der königlich preußische General von Manteuffel.«

      Herr von Hamburger zog sich durch eine Seitenthür des Kabinets zurück. Der Fürst stand auf.

      Jede Spur von Verstimmung war von seinem Gesichte verschwunden, man sah auf demselben keinen anderen Ausdruck, als den der vollendetsten, ruhigsten Höflichkeit.

      General von Manteuffel trat ein. Er trug die große Uniform der Generaladjutanten des Königs von Preußen, das blaue Emailkreuz des Ordens pour le mérite um den Hals, auf der Brust die Sterne des russischen Alexander Newski- und weißen Adler-Ordens mit dem großen Bande des ersteren und den Stern des preußischen rothen Adlerordens.

      Das eigenthümliche scharf markirte Gesicht des Generals, mit dem dichten, buschigen, tief in die Stirn herabreichenden Haar und dem vollen, am Kinn nur wenig ausgeschnittenen Bart, hatte den gewöhnlich strengen, fast finstern Ausdruck abgelegt, mit freundlicher Verbindlichkeit und leichter Artigkeit näherte er sich dem russischen Minister, — wie zu einem einfachen Höflichkeitsbesuch, — nur die scharfen, lebhaften grauen Augen blickten forschend und durchdringend unter den starken Brauen hervor und hefteten sich mit dem Ausdruck unruhiger Erwartung auf das Gesicht des Fürsten.

      Der Fürst reichte dem General die Hand und ersuchte ihn durch eine verbindliche Bewegung, in dem neben dem Schreibtisch stehenden Fauteuil Platz zu nehmen.

      »Es freut mich,« sagte er, »Eure Excellenz in Petersburg, begrüßen zu können, und ich bitte um Entschuldigung,« fügte er mit einem flüchtigen Blick auf die große Uniform des Generals hinzu, »daß ich Sie in diesem Morgenkostüme empfange, — ich erwartete eine ganz freundschaftliche und private Besprechung —«

      »Ich habe ein Schreiben meines allergnädigsten Herrn an Seine Majestät den Kaiser zu übergeben,« erwiederte der General, »und wollte jeden Augenblick bereit sein, vor Seiner Majestät zu erscheinen, — nachdem ich, — wie natürlich, mich Eurer Excellenz gegenüber über den Zweck meiner Sendung ausgesprochen habe.«

      Der Fürst verneigte sich leicht.

      »Der Zweck Ihrer Mission ist in dem Allerhöchsten Handschreiben ausgesprochen?« fragte er.

      »Es beglaubigt mich nur,« erwiederte der General, »und verweist auf meine mündlichen Erklärungen, deren Inhalt durch die gegenwärtige, so eigenthümliche politische Situation geboten ist, und nicht den Gegenstand schriftlicher Instruktion für die hiesige Gesandtschaft bilden konnte.«

      »Graf Redern hat mir das mitgetheilt,« sagte Fürst Gortschakoff, »als er mir die Ehre Ihres Besuches meldete.«

      Und sich leicht auf die Seitenlehne seines Sessels stützend, blickte er den General mit dem Ausdruck höflicher Erwartung an.

      »Der König hat mir befohlen,« sagte Herr von Manteuffel, »die Gesichtspunkte, welche für die preußische Politik in Deutschland und Europa in diesem Augenblicks maßgebend sein müssen, sowohl Eurer Excellenz, als Seiner Majestät dem Kaiser mit der größten Offenheit und dem vollständigen Vertrauen darzulegen, welche den nahen Beziehungen der hohen Regentenhäuser und den freundschaftlichen Verhältnissen der Regierungen entsprechen.«

      Der Fürst verneigte sich.

      »Die Erfolge der preußischen Waffen,« fuhr der General fort, »die Opfer, welche der Staat und das ganze Volk gebracht haben, um diese Erfolge zu erreichen, legen Preußen die Pflicht auf, das Erreichte für den eigenen Staat sowohl, als für die Neugestaltung Deutschlands im Sinne nationaler Einigung fest und dauernd zu sichern