Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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sehen, ob mein Lieutenant — Herr Gott im Himmel!« rief er plötzlich mit lautem Aufschrei an das Bett heranstürzend — »was ist hier vorgegangen — mein Lieutenant stirbt!«

      Er ergriff die starre Hand des Kranken und beugte sich über den scheinbar leblosen Körper.

      »Ich fürchte das Schlimmste!« sagte der Kandidat ruhig mit milder Stimme voll trauriger Theilnahme, »ein plötzlicher Krampf hat den armen jungen Mann ergriffen und ein Blutsturz scheint unseren Hoffnungen ein Ende gemacht zu haben. Es kam schnell und augenblicklich, wahrend ich ihn aufrichten wollte durch freundlichen Zuspruch und geistlichen Trost!«

      »Mein Gott, mein Gott!« rief Fritz Deyke, »das ist ja entsetzlich, die arme Frau Mutter — Fräulein Helene —«

      Und schnell zur Thür eilend riß er dieselbe auf und rief mit lauter Stimme und dem Ausdruck der Angst und Verzweiflung:

      »Margarethe, Margarethe!«

      Das junge Mädchen eilte auf diesen Ruf schnell die Treppe herauf, der Ton der Stimme, mit welchem Fritz ihren Namen gerufen, hatte den Ausdruck tiefen Schreckens auf ihrem Gesichte erscheinen lassen und mit ängstlichen Blicken erschien sie an der Thür des Krankenzimmers.

      »Mein Lieutenant stirbt, um Gotteswillen suchen Sie schnell den Doktor!« rief Fritz Deyke ihr entgegen.

      Margarethe warf einen flüchtigen Blick auf das Bett des Kranken, sah dessen bleiches Gesicht, das aus dem Munde hervorquellende Blut, und mit leichtem Aufschrei die Hände zusammenschlagend eilte sie die Treppe hinab.

      Fritz Deyke kniete vor dem Bett und entfernte mit einem Tuche das Blut vom Munde des Kranken, indem er einmal über das andere rief: »Mein Gott, mein Gott, was wird die Frau Mutter sagen!«

      Der Kandidat war in das Nebenzimmer gegangen und hatte seinen Hut ergriffen, dann in plötzlichem Entschluß stehen bleibend, hatte er einen Augenblick nachsinnend angehalten und hatte sich dann auf einen Sessel niedergesetzt, von wo aus er in das Krankenzimmer blicken konnte.

      Margarethe war hinausgeeilt; sie kannte den Weg, den der Arzt mit den Damen eingeschlagen hatte, und eilte ihnen nach. Schon an den ersten Häusern der Stadt sah sie den Doktor, welcher die Damen bis zu einer schattigen Allee geführt hatte und sich von ihnen verabschieden wollte, um zu den Geschäften seiner Praxis nach der Stadt zurückzukehren.

      Athemlos lief das junge Mädchen auf die Gruppe zu. Erstaunt blickte ihr der Arzt entgegen, Helenens Augen richteten sich mit angstvoller Spannung auf sie.

      »Um Gotteswillen, Herr Doktor,« rief Margarethe, mühsam nach Luft ringend, um ihre Worte hervorbringen zu können, »ich glaube, ich fürchte, — der arme Lieutenant — «

      »Was ist geschehen?« rief der Arzt erschrocken.

      »Ich glaube, er ist todt!« stieß Margarethe hervor, — »kommen Sie schnell, schnell!«

      Frau von Wendenstein ergriff den Arm des Arztes, wie um eine Stütze zu suchen, dann aber fuhr sie empor und ohne den Arm des Doktors fahren zu lassen, begann sie eilig und schweigend zu gehen, immer schneller, den Arzt mit sich fortreißend, welcher Margarethe nach den näheren Umständen der ihm unbegreiflichen Krisis befragte.

      Allen voraus aber eilte Helene in fliegendem Schritt, kaum den Boden berührend. Einen einzigen Schrei hatte sie ausgestoßen, als Margarethe das entsetzliche Wort ihrer Botschaft aussprach, und dann war sie fortgeeilt, unaufhaltsam starren Blicks durch die Straßen, bis zum Hause des alten Lohmeier, die Treppen hinauffliegend, zum Zimmer des Kranken.

      Sie hatte vor der Thüre einen Augenblick angehalten, tief aufseufzend und beide Hände vor die Brust pressend.

      Dann öffnete sie diese Thür und bleich und stumm stand sie da, unverwandten Blickes das todtenblasse Gesicht des jungen Mannes betrachtend, vor dem Fritz Deyke kniete, vorsichtig das seinem Munde entquellende Blut mit weißen Tüchern entfernend.

      Fritz Deyke erhob den Kopf und wendete sich um. Als er Helene da vor sich stehen sah, ein Bild der starren Verzweiflung, begriff er, daß dieser Schmerz größer und gewaltiger war, als der seinige. Langsam stand er auf und sprach mit tonloser, bebender Stimme:

      »Ich glaube, der liebe Gott hat ihn gerufen, kommen Sie, Fräulein Helene, wenn ihn Jemand erwecken kann, sind Sie es!«

      Und sanft ihre Hand ergreifend, führte er sie an das Bett.

      Sie sank auf die Kniee, ergriff die Hand des Kranken und drückte die Lippen daran, mit warmem Hauch sie überströmend; thränenlos starrte ihr Blick empor zu seinem Antlitz und leise bewegte sich zuweilen ihr Mund in den flüsternden Worten: »O mein Gott, laß mich ihm folgen!«

      So blieb die Gruppe in dem Zimmer fast unbeweglich einige Zeit. Helene niedergeworfen am Bett, Fritz Deyke daneben in tiefer Bewegung sie betrachtend und die immer wieder hervorquellenden Thränen mit der Hand trocknend — im Nebenzimmer saß der Kandidat, den Ausdruck inniger Theilnahme auf den Zügen, die Hände gefaltet und die Lippen bewegend wie zu leisem Gebet.

      Dann kam der Arzt und die beiden Damen.

      Frau von Wendenstein wollte heraneilen an das Bett des Kranken, aber mit Ernst, fast mit Rauhheit hielt der Doktor sie zurück.

      »Hier kann Niemand helfen als ich,« sagte er streng und energisch, — »mir gehört der Kranke, — die Damen müssen das Zimmer verlassen — wenn Sie nöthig sind, werde ich rufen.«

      Fritz Deyke drängte mit sanfter Gewalt Frau von Wendenstein und ihre Tochter in das Nebenzimmer, — Helene erhob sich ruhig und setzte sich auf einen entfernten Stuhl im Krankenzimmer.

      Der Arzt trat an das Bett und prüfte sorgfältig das Gesicht des Verwundeten, untersuchte die Wunde und hielt lange die Hand an das Herz, aufmerksam auf die Uhr blickend.

      Der Kandidat näherte sich Frau von Wendenstein, welche, das Gesicht mit den Händen bedeckend, auf einen Stuhl gesunken war.

      »Fassen Sie sich, meine geehrte gnädige Frau,« sagte er mit sanftem Ton, »noch ist ja nicht alle Hoffnung verloren, und wenn es der Wille der Vorsehung ist, daß das Lebensziel Ihres Sohnes erreicht sei, so müssen Sie an die Vielen, Vielen denken, welche Gleiches und oft Schwereres zu erdulden haben.«

      Frau von Wendenstein antwortete nur durch ein lautes Schluchzen.

      Der alte Arzt trat jetzt zu den Damen. Kaum hatte er das Bett verlassen, so nahm Helene wieder an demselben Platz, abermals die Hand des Verwundeten ergreifend und mit dem Hauch ihres Mundes erwärmend.

      »Es ist eine furchtbare Krisis,« sagte der Arzt, »deren Grund ich mir nicht erklären kann und welche leider wenig Hoffnung läßt. Man muß sich auf Alles gefaßt machen, — indeß noch schlägt das Herz, und so lange noch ein Funken Leben da ist, darf der Arzt nicht verzagen. Zu thun ist freilich fast nichts — hilft die Natur sich nicht selbst, so ist die Wissenschaft machtlos.

      — Aber wie,« fuhr er fort, indem er sich zu dem Kandidaten wendete, »ist diese erschütternde Krisis gekommen? — Der Kranke war doch in der letzten Zeit vollkommen ruhig —«

      »Er war es auch,« sagte der Kandidat, »als ich mich an sein Bett setzte, erwachte er aus tiefem Schlummer, ich flößte ihm sein Getränk ein und er schien sich ganz wohl zu befinden, — während ich mit freundlichen Worten seine Seele durch geistlichen Zuspruch zu erquicken versuchte, stellten sich konvulsivische Bewegungen und ein Blutsturz ein; Alles kam schnell und plötzlich.«

      »Ganz recht, ganz recht,« sagte der Doktor — »was ich sanft und allmälig sich entwickeln lassen wollte, ist durch eine heftige Nervenkrisis urplötzlich vollzogen, — das in den Gefäßen angesammelte Blut hat sich gelöst. — Es ist kaum möglich, daß dieß geschehen ist, ohne etwas zu zerreißen, dazu die furchtbare Erschütterung der Nerven! — Haben Sie viel mit ihm gesprochen?« unterbrach er sich, den Kandidaten anblickend.

      »Ich habe ihm gesagt,« erwiederte dieser, die Hände faltend, »was mein Beruf mir befiehlt, den Kranken zu sagen, — ob er es gehört oder verstanden, weiß ich nicht —«

      »Verzeihen Sie