Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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lag in leisem Schlummer, dessen Gesicht mit den geschlossenen Augen das Bild süßer und reiner Träume wiederstrahlte, auf dessen Stirn ein Abglanz des Himmels eine verklärte Spur des göttlichen Odems lag, — und dem Mann, der in der Tracht des Geistlichen da vor ihm saß und dessen Angesicht vom häßlichsten Ausdruck irdisch niedriger Leidenschaft, dämonisch finstern Hasses erfüllt war.

      Der Verwundete warf einigemal leicht den Kopf hin und her, als fühlte er die Last der unablässig auf ihm ruhenden Blicke des Kandidaten, dann öffnete er mit einem tiefen Seufzer die Augen und richtete sie mit freudigem Ausdruck auf den Platz, wo er das geliebte Bild verkörpert zu erblicken hoffte, das seine Träume erfüllt hatte. Mit großen, erstaunten, fast erschrockenen Blicken sah er an dieser Stelle den Geistlichen, dessen Gesicht bei dem Erwachen des Kranken urplötzlich wieder den gleichmäßig ruhigen Ausdruck annahm, während seine Augen sich senkten, um den feindlichen Strahl des Hasses zu verdecken, den die starke Willenskraft nicht sogleich verschwinden zu lassen im Stande war.

      »Bedürfen Sie etwas, Herr von Wendenstein?« fragte der Kandidat mit leiser, sanfter Stimme, — »die Damen sind in's Freie gegangen und haben mich hier zurückgelassen, um für Sie zu sorgen.«

      Der Kranke deutete mit dem leicht erhobenen Finger nach einem kleinen neben dem Bette stehenden Tischchen, ans welchem sich eine Krystallflasche mit frischem Wasser und ein kleines Arzneifläschchen mit rother Flüssigkeit befand.

      Der Kandidat goß einige Tropfen dieser Arznei in ein Glas Wasser und flößte das Getränk dem Kranken, welcher mit einiger Mühe den Kopf etwas erhob, vorsichtig ein.

      Die Augen des Verwundeten sagten so deutlich als Worte: »Ich danke.«

      Der Kandidat setzte das Glas wieder auf den Tisch, faltete leicht die Hände übereinander und sprach, indem er die Augen niederschlug:

      »Haben Sie, Herr von Wendenstein, wenn Ihr Körper nach irdischer Erquickung verlangt, auch wohl daran gedacht, daß Ihrer Seele eine geistliche Arznei noth thut, um sie zu erquicken und zu stärken an den Grenzen des Lebens, damit sie wohl vorbereitet und gerüstet sei, wenn es der Vorsehung gefallen sollte, sie abzurufen, um vor den Richter zu treten und strenge Rechenschaft zu geben?«

      Die Augen des Verwundeten, welche sich nach dem wohlthuenden kühlen Trank halb wieder geschlossen hatten in schlummernder Müdigkeit, öffneten sich groß und weit und starrten den Kandidaten erstaunt und erschrocken an. Er war es gewohnt, daß man mit Blicken, mit Zeichen, mit leise geflüsterten einzelnen Worten zu ihm sprach, so daß seine müden Nerven zusammenzuckten, als er die ungewohnte Rede vernahm. Auch hatte die zarte, liebevolle Pflege, welche seine Krankheit hütete und die Keime der Genesung mit sorgsamer Hand bewachte, ihn so sehr umgeben mit den Bildern der Hoffnung, der Zuversicht auf ein neues, blühendes Leben der Zukunft, daß die so plötzlich und scharf an ihn herantretende Mahnung an den Tod, der seine Hand noch drohend über ihn hielt, ihn berührte wie der eiskalte Hauch eines geöffneten Grabgewölbes, in das man aus sonniger, blumenduftender Tageshelle eintritt. Ein leichter Schauer zuckte durch seinen Körper und er schüttelte in schwacher Bewegung den Kopf, wie um die plötzlich vor ihm heraufsteigenden finstern Bilder von sich zu weisen.

      »Haben Sie daran gedacht,« fuhr der Kandidat mit allmälig erhöhter, scharfer, einschneidender Stimme fort, »wie Sie jene schwarze, furchtbare Stunde überwinden wollen, welche Ihnen vielleicht nahe bevorsteht, jene Stunde, in welcher die Seele unter krampfhaften Schauern sich losreißt vom erkaltenden Körper, — in welcher das Herz fahren lassen muß alle irdischen Freuden, alle irdische Hoffnung, um sie niederzulegen in die dunkle Tiefe des Grabes, in der der staubgeborene Leib wieder zum Staube werden muß, aus welchem er geformt ist?«

      Der Verwundete öffnete weiter und größer seine Augen, ein fieberhafter Glanz glühte in ihnen auf und es lag eine flehende Bitte in dem Blick, mit welchem er den Kandidaten ansah.

      Dieser schlug seine Augen auf und mit jenem elektrisch zitternden, fascinirenden Blick, mit welchem die Klapperschlange ihr Opfer versteinert, sah er den jungen Offizier starr an.

      »Haben Sie,« fuhr der Kandidat fort, und seine scharfe Stimme drang eben so tief und schneidend in die Seele des Kranken, wie sein Blick in dessen immer entsetzter starrende Augen, — »haben Sie daran gedacht, daß Sie dann unter den Posaunentönen der Ewigkeit vor den Thron des eifrigen und strengen Richters treten müssen und Rechenschaft ablegen von Ihrem Leben hienieden, Ihrem Leben, dessen letzte Handlung der Mord und das Vergießen des Blutes Ihrer Brüder gewesen, in einem Kampfe, den das irdische Gesetz rechtfertigt, der aber vielleicht vor dem Urtheil der ewigen Gerechtigkeit als ein Frevel erscheint?«

      Ein leichtes Zittern flog über die Züge des Verwundeten, immer fieberhafter wurde der Glanz seiner Blicke und seine Augenlider senkten und hoben sich in schneller, unwillkürlicher Bewegung.

      »Der Himmel hat Ihnen große Gnade gegeben,« sprach der Kandidat weiter, »indem er Ihnen die Zeit läßt, auf Ihrem Krankenlager sich vorzubereiten für den Uebergang in die Ewigkeit, während so Viele plötzlich abgerufen werden in der Mitte der irdischen Unruhe. Haben Sie diese Zeit benutzt, haben Sie sich der Gnade würdig bewiesen? Haben Sie Ihren Sinn und Ihre Gedanken abgewendet vom Irdischen und hinaufgerichtet zur Ewigkeit? Haben nicht irdische Wünsche und Hoffnungen auch hier noch Ihr Herz bewegt? Geben Sie sich Rechenschaft über Ihr Leben und lassen Sie die Gnadenfrist nicht unbenützt!«

      Allmälig hatte sich der Kandidat mehr und mehr vornüber gebeugt und aus fast unmittelbarer Nähe hefteten sich seine stechenden Blicke auf die Augen des Lieutenants, in denen die gewaltige Erschütterung der Nerven immer deutlicher sichtlich hervortrat. Die blassen Hände des Verwundeten zitterten bis in die Fingerspitzen, er erhob sie wie zu einer abwehrenden Bewegung und deutete dann aus den Tisch, indem er mit einem schwachen, mühsamen Athemzug sagte: »Wasser!«

      Der Kandidat näherte seine in grünem Feuer sprühenden Augen noch mehr dem zuckenden Antlitz des Verwundeten, streckte die rechte Hand über dessen Haupt aus, während er die Fingerspitzen der linken ihm gegen das Herz erhob, und sprach mit gedämpfter Stimme, die wie ein fühlbarer Hauch aus seinen Lippen hervordrang:

      »Denken Sie an die ewige Erquickung, denken Sie daran, sich würdig zu machen des Borns der Gnade, der allein die verzehrenden Flammen der ewigen Verdammniß kühlen kann, welche Ihrer wartet, wenn Sie die Gnadenfrist nicht benützen, um die irdischen Gedanken aus Ihrem Herzen zu reißen! Kurz vielleicht ist die Zeit, welche Ihnen noch zugemessen ist, und wenn Ihre Seele sich anklammert an das Vergängliche, so werden Sie dem Abgrund verfallen, der sich schon vor Ihnen öffnet!«

      Ein leichter rother Schaum trat auf die Lippen des Kranken, seine Augen öffneten sich weit und brachen in einem zuckend umherirrenden Blick. Seine Finger streckten sich starr aus und der ganze Körper dehnte sich in konvulsivischer Bewegung.

      Jetzt beugte sich der Geistliche fast ganz über den Kranken und unmittelbar in dessen Ohr drang seine heiser und rauh klingende Stimme:

      »Der Abgrund öffnet sich — die Flammen des ewigen Pfuhls züngeln empor, herauf steigt der Weheruf der hoffnungslosen Qual, der Jammer der Verdammten, welcher das Ohr der Gnade nicht mehr erreicht; das Licht des Himmels erlischt, und hinabgerissen versinkt die Seele in die furchtbaren Schrecken, welche kein lebender Geist denken, kein lebendes Herz fühlen kann, — tiefer — tiefer — immer tiefer —«

      Ein rasches, plötzliches Zucken durch flog den Körper des Verwundeten, ein röchelndes Aechzen drang aus seiner hochaufsteigenden Brust, seine Lippen öffneten sich, ein Strom schwarzen dicken Blutes quoll aus seinem Munde, Todtenblässe überzog sein Antlitz.

      Der Kandidat schwieg — langsam erhob er sich, die Augen fest auf dieß im Todeskampfe zitternde Gesicht gerichtet, langsam zog er die Hände zurück und mit kaltem, eisigem Lächeln stand er da — ruhig und unbeweglich.

      Leise öffnete sich die Thüre des Nebenzimmers, man hörte einen vorsichtigen, gedämpften Schritt.

      Der Kandidat zuckte zusammen. Mit gewaltiger Anstrengung zwang er seine Züge zu dem gewohnten Ausdruck ruhiger, frommer Würde, faltete die Hände vor der Brust und wendete den Kopf zur Thüre.

      Fritz Deyke erschien in derselben, leise den Kopf vorstreckend.