Er hatte langsam und zögernd gesprochen, oft sich unterbrechend, und mit lauernden Blicken bald die Mutter, bald die Tochter angesehen. Schon während seiner Rede war Klara aufgesprungen, die vom Weinen gerötheten Augen hatten sich mit flammender Entrüstung auf ihn gerichtet und mit ängstlicher Spannung sah sie ihre Mutter an, als er geendet, die Lippen halb geöffnet, als wolle sie sprechen, als fürchte sie, daß ihre Mutter nicht die rechte Antwort geben könne.
Die Gräfin Frankenstein richtete sich mit einer Geberde voll hohen Stolzes empor und sprach mit dem Tone eiskalter Verachtung:
»Ich danke Ihnen für Ihre Mittheilung, mein Herr, welche mir noch zur rechten Zeit die Augen geöffnet, — doch bedaure ich, Ihnen in der von Ihnen gewünschten Weise nicht zur Wiederherstellung Ihres ehelichen Glückes behülflich sein zu können. Sie werden begreifen, daß es nicht die Aufgabe der Comtesse Frankenstein sein kann, in der von Ihnen gedachten Weise den Baron Stielow von einer unter diesen Verhältnissen jedenfalls unwürdigen Passion abzuwenden und eine Verbindung fortzusetzen, für welche der Baron so wenig Rücksichten gezeigt hat. Es wird Ihnen also überlassen bleiben müssen, in welcher Weise Sie Ihre Frau zu sich zurückführen wollen und können.«
Klara's Augen drückten die vollständigste Billigung der Worte ihrer Mutter aus, in stolzer Bewegung wendete sie Herrn Balzer den Rücken und blickte schweigend und gewaltsam ihre Thränen zurückdrängend durch die großen Scheiben eines der hohen Fenster des Salons.
Herr Balzer schlug wie in höchster Bestürzung die Hände zusammen und rief in ziemlich gut gespielter Verwirrung:
»Mein Gott, Frau Gräfin, — verzeihen Sie mir, wenn ich in meinem Kummer und meiner Sorge nur an mich und meine Frau gedacht und nicht überlegt habe, daß für Sie — ich glaubte, Sie wünschten diese Partie, die ja so gut ist, — und hoffte, Sie würden deßhalb mit mir gemeinschaftlich handeln wollen, um Alles zum Besten zu lenken.« —
»Die Comtesse Frankenstein ist nicht in der Lage, eine Partie zu wünschen, welche ihrer nicht würdig ist und welche ihrem Herzen nicht zusagen könnte,« sagte die Gräfin in unveränderlicher kalter Ruhe, — »ich glaube, mein Herr,« fuhr sie dann mit einer fast unmerklichen Neigung des Hauptes fort, »daß eine Fortsetzung unserer Unterredung kaum noch nothwendig sein möchte.« —
Herr Balzer rang die Hände und rief im Tone der Verzweiflung:
»O mein Gott, mein Gott, Frau Gräfin, — was habe ich da gethan! ich verstehe ja jetzt vollkommen, daß Ihr Fräulein Tochter unter solchen Verhältnissen diese Verbindung nicht eingehen kann, — daß ich thöricht war in meiner Hoffnung, mit Ihrer Hülfe Frieden und Glück nach allen Seiten schaffen zu können. O mein Gott! — hätte ich doch lieber geschwiegen!«
Die Gräfin sah ihn fragend an.
»Dann hätte ich,« fuhr er in demselben Ton fort, »vielleicht noch Alles zum Guten wenden können, — jetzt, — ach Gott, jetzt ist Alles vorbei! — Sie werden das Verhältniß mit Herrn von Stielow auflösen, — die ganze Welt wird mein Unglück erfahren, — es wird einen unendlichen Skandal in Wien geben und ich werde meine Frau verstoßen müssen — ach, und ich liebe meine Frau, — ich möchte ihr so gern verzeihen und sie zu mir zurückführen, ich werde sie für immer verlieren —«
Er hielt eine Sekunde inne und warf einen lauernden Blick auf die Gräfin, deren Züge den Ausdruck tiefen Nachdenkens annahmen.
Dann fuhr er noch lauter sprechend und noch mehr die Hände ringend fort:
»O meine gnädigste Gräfin, haben Sie Mitleid mit mir, — ich habe in vollem Vertrauen Ihnen das schreckliche Geheimniß meines Unglücks mitgetheilt, — ich sehe ein, daß Sie mir nicht so helfen können, wie ich es hoffte, seien Sie barmherzig und machen Sie es mir nicht unmöglich, meinerseits auf Wege zu sinnen, um das Schlimmste abzuwenden. Bewahren Sie mein Geheimniß. Herr von Stielow würde in seiner Wuth und Entrüstung sich an mir rächen, — er hat ja nichts zu besorgen, — es würde einen großen, großen Skandal, — das kann zwar Ihnen und Ihrer Tochter gleichgültig sein, — aber ich — und meine Frau! — O haben Sie Mitleid mit mir!« Und er machte eine Bewegung, als wolle er sich der Gräfin zu Füßen werfen. Diese war, wie gesagt, nachdenklich geworden.
»Mein Herr,« sagte sie, »es kann durchaus nicht mein oder meiner Tochter Wunsch sein, diese — unangenehme — Angelegenheit mit dem Baron Stielow zu erörtern.«
Klara hatte den Kopf ihrer Mutier zugewendet und dankte ihr mit einem Blick.
»Ich werde das Verhältniß der Comtesse Klara mit Herrn von Stielow unter dem möglichst wenig auffallenden Grunde lösen, und es bleibt Ihnen dann überlassen, zu thun, was Sie für das Beste halten. Ihr Geheimniß soll bei mir gewahrt bleiben. Nochmals danke ich Ihnen für Ihre Mittheilung, die, so schmerzlich sie uns getroffen, nothwendig war und jedenfalls Schlimmeres für die Zukunft verhütet hat!«
Und sie neigte den Kopf, indem sie unverkennbar Herrn Balzer seine Entlassung andeutete.
Dieser hielt das Taschentuch abermals an die Augen und sagte mit weinerlicher Stimme:
»Ich danke Ihnen, Frau Gräfin, — ich werde Ihnen immer und ewig dankbar sein, — verzeihen Sie mir — ich bitte auch das Fräulein, mir zu verzeihen, — daß ich Ihnen so traurige Botschaft gebracht. — O, mein Loos ist doch das traurigste, — wenn Sie wüßten, wie ich meine Frau geliebt habe!«
Und als würde er überwältigt von dem Uebermaß seines Schmerzes, verneigte er sich stumm und verließ den Salon.
Schnell eilte er an dem im Vorzimmer stehenden Diener vorüber die Treppe hinab, und als er das Haus verlassen, verschwand der ernste und schmerzliche Ausdruck von seinem Gesicht, ein gemeines Lächeln des Triumphs spielte um seine Lippen und vergnügt sprach er zu sich selber:
»Nun, ich glaube, ich habe meine Sache sehr gut gemacht und die tausend Gulden redlich verdient, die meine so innig geliebte Gattin mir versprochen, wenn ich ihren theuren Stielow dort losmachte. Jetzt kann sie ihn sich wieder fangen, — das wird ihr gelingen, denn das versteht sie vortrefflich, — und dann« — fuhr er mit immer vergnügterem Lächeln fort — »werde ich ein Recht haben, mit etwas volleren Händen aus dem Goldstrom zu schöpfen, den dieser junge Millionär in ihren Schooß strömen lassen wird.«
Raschen Schrittes eilte er zu seiner Frau, um ihr Bericht über den Erfolg seiner Sendung abzustatten.
Klara aber hatte sich, als er den Salon verlassen, ohne Worte und laut schluchzend in die Arme ihrer Mutter geworfen. Nachdem der Zwang, den ihr die Gegenwart des widerwärtigen Fremden auferlegt, vorüber, war, strömten ihre Thränen reichlich und lösten den starren Krampf , der ihr das Herz zusammengeschnürt hatte.
»Sei stark, meine Tochter,« sagte die Gräfin, ihr sanft über das glänzende Haar streichend, — »es ist eine harte Prüfung, welche Gott Dir auflegt, — aber es ist besser, daß Du jetzt von jenem unwürdigen Verhältniß Dich losreißest, als daß dieser Schlag Dich später getroffen hätte!«
»O, meine Mutter,« rief die junge Gräfin mit tiefem Schmerz, — »diese Liebe machte mich so glücklich, — er hat mich so fest versichert, daß er ganz frei sei — und ich glaubte ihm so vertrauensvoll —«
Und sich plötzlich aus den Armen ihrer Mutter erhebend, eilte sie nach dem Tische hin, auf welchem noch der Brief lag, welchen Herr Balzer ihrer Mutter gezeigt hatte.
Sie ergriff mit leichtem Zusammenschauern das verhängnißvolle Blatt und las mit großen starren Augen den Inhalt.
Dann warf sie es mit einer Bewegung des Abscheues fort und sank schluchzend in einen Lehnstuhl.
»Geh' auf Dein Zimmer, mein Kind,« sagte die Gräfin, — »Du bedarfst der Ruhe! — Ich werde überlegen, wie am besten und ohne großes Aufsehen die Sache behandelt werden kann. Die Abwesenheit des Barons erleichtert das — wir werden auf's Land gehen, — ich werde das Alles ordnen, — beruhige und sammle Dich, damit die