Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
Скачать книгу
mattglänzenden Rahmen von Goldbronze heruntersahen auf das Treiben ihrer Enkel und Urenkel, nicht nur jene hohen, weiten Kamine, deren Flammen sich in den jugendlich funkelnden Augen der jetzt längst dahin geschiedenen Großmütter gespiegelt hatten, nicht nur jene Uhren mit Schäfergruppen, welche schon so manchem Sprossen des Hauses die Geburts- und die Sterbestunde, die Stunden des Glückes und des Kummers in gleicher Ruhe Sekunde an Sekunde reihend geschlagen hatten, — zwischen allen diesen leblosen und doch so erinnerungsreichen Gegenständen, welche in souveräner Ruhe auf die vergänglichen Leiden und Freuden der Generationen herabzusehen gewohnt waren, saßen die Menschen von heute, tief bewegt und erschüttert von dem entsetzlichen und unerwarteten Schlage, mit welchem das Geschick das Haus Habsburg und Oesterreich getroffen hatte.

      Die alte Gräfin Frankenstein, in ernster und vornehmer Würde wie immer, aber mit schmerzlichem Ausdruck in dem stolzen, ruhigen Gesicht, saß in dem weiten Sopha, — neben ihr in dunklem Anzug die Gräfin Clam-Gallas, die thränenden Augen oft mit dem feinen Spitzentuch bedeckend. Den Damen gegenüber saß der General von Reischach; in frischer Gesundheit glänzte sein Gesicht wie sonst, scharf und lebendig blickten die dunklen Augen unter dem kurz geschnittenen, dichten weißen Haar hervor, aber über dem Ausdruck unzerstörbarer jovialer Heiterkeit, welcher ihm eigentümlich war, lag ein Schleier wehmüthigen Schmerzes. In einen Fauteuil zurückgelehnt, saß Comtesse Klara neben ihrer Mutter, — auch auf ihrem schönen jugendlichen Gesicht lag ein Hauch ernster Trauer, war sie doch eine echte Tochter jener stolzen Aristokratie Oesterreichs — empfand sie doch tief und brennend die Demüthigung, welche auf dem Schlachtfelde von Königgrätz den alten Fahnen des Kaiserstaats zugefügt war, — aber diese Trauer lag nur wie ein leichter Schleier über dem Ausdruck des Glückes und der Freude, welche das träumerisch blickende Auge erfüllten. War doch der Lieutenant von Stielow, trotz schwerer Gefahren, die ihn bei Trautenau und Königgrätz umringt hatten, unverwundet geblieben, — war doch jetzt der Krieg so gut wie zu Ende und neue Gefahren nicht mehr für ihn zu besorgen — und — sollte doch gleich nach Beendigung des Krieges an die Vorbereitungen zur Hochzeit gedacht werden!

      Die junge Gräfin saß da, in sinnender Träumerei der anmuthigen Bilderreihe folgend, in welcher sich die Zukunft vor ihr aufrollte — und hörte wenig von dem Gespräch, das neben ihr geführt wurde.

      »Dieß Unglück ist die Folge der unglaublichen. Rücksicht, welche man auf das Geschrei von unten her genommen hat,« rief die Gräfin Clam mit vor Schmerz und Zorn bebender Stimme, — »da ist diesem Benedek das Oberkommando gegeben, bloß weil er ein Mann des Volkes war! — da wurden alle adeligen Offiziere gekränkt, beleidigt, zurückgesetzt — nun sieht man, wohin das geführt hat! — Ich habe gewiß nichts gegen das Recht des Verdienstes und des Talents,« fuhr sie fort, — »die Geschichte lehrt ja, daß große Feldherren aus dem gemeinen Soldatenstand hervorgegangen sind, aber man soll nicht Leute hervorziehen, die keine Talente und kein anderes Verdienst als Tapferkeit haben, bloß weil sie nicht vornehmer Geburt sind! Und nun soll noch die Aristokratie für das Unglück verantwortlich gemacht werden, — die Behandlung des Grafen Clam ist eine unerhörte Schmach für den ganzen österreichischen Adel!«

      »So müssen Sie die Sache nicht ansehen, Gräfin,« sagte Herr von Reischach, »ich glaube, umgekehrt wird das Verfahren gegen Graf Clam alle bösen Mäuler stopfen, denn es gibt keine bessere Gelegenheit, um die wahren Ursachen der Niederlage klar zu stellen. Nachdem einmal die öffentliche Meinung, angeführt durch ein paar Journalisten, den Grafen mit Vorwürfen überhäuft hat, war es ganz richtig von ihm, strenge Untersuchung zu fordern, und Mensdorff mußte beim Kaiser darauf dringen. Warten wir den Erfolg ab, er wird zeigen, daß man dem österreichischen Adel gewiß keinen Vorwurf machen kann!«

      »Es ist mir sehr hart,« rief die Gräfin Clam, »unter dem allgemeinen Unglück noch so besonders persönlich getroffen zu sein!« Und sie trocknete die hervorbrechenden Thränen mit ihrem Tuch.

      »Erzählen Sie uns, Baron Reischach,« sagte die Gräfin Frankenstein nach einer kurzen Pause, um dem Gespräch eine ablenkende Wendung zu geben, — »erzählen Sie uns doch vom König von Hannover — Sie sind ja zum Dienst bei ihm kommandirt, — ich habe so große Bewunderung für diesen heldenmütigen Fürsten, und so tiefe Theilnahme für sein trauriges Schicksal!«

      »Es ist wunderbar,« sagte der General, »mit welcher Fassung und Heiterkeit der König sein Schicksal und die schwere Lage erträgt, in der er sich befindet, — übrigens ist er noch immer voll Hoffnung — ich fürchte, sie wird ihn täuschen!«

      »Glauben Sie denn, daß man wagen wird, ihn einfach zu entthronen?« rief die Gräfin Frankenstein.

      »Ich bin leider dessen ganz gewiß,« sagte Herr von Reischach.

      »Leider kann ich auch nach den Mittheilungen Mensdorff's nicht daran zweifeln,« sagte die Gräfin Clam.

      »Und das muß Oesterreich dulden!« rief die Gräfin Frankenstein — über ihr sonst so ruhiges Gesicht flog eine helle Röthe des Zorns, ihre Augen blitzten vor Erregung.

      »Oesterreich duldet Alles und wird noch viel mehr dulden!« sagte der General achselzuckend, — »ich sehe eine lange Reihe von Unglück heraufziehen, man wird wieder experimentiren — und jedes neue Experiment wird der Krone ein Juwel und ein Lorbeerblatt kosten. Ich fürchte, man wird in die Bahnen Joseph's II. einlenken —«

      »Gott schütze Oesterreich!« sagte die Gräfin Frankenstein die Hände faltend. »Wird der König von Hannover hier bleiben?« fragte sie nach einer Pause.

      »Es scheint so,« erwiederte Herr von Reischach, — »er wohnt im Hause des Baron Knesebeck in der Wallnerstraße, wo ihm die Gräfin Wilczek ihre Etage abgetreten hat, — ich habe aber gehört, daß er bald nach Hietzing in die Villa des Herzogs von Braunschweig ziehen will. — Ich würde es viel richtiger halten,« fuhr er fort, »daß der König nach England ginge, — er ist doch englischer Prinz von Geburt, und wenn es ihm dort gelingt, die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen, was bei seiner liebenswürdigen Persönlichkeit nicht schwer sein kann, so ist England die einzige Macht, die vielleicht etwas für ihn thut — und thun kann, — aber er ist nicht dazu zu bewegen — und Graf Platen scheint mir sehr wenig geeignet, den König zu festen Entschlüssen zu bewegen.«

      »Graf Platen war bei mir,« sagte die Gräfin Clam, — »er glaubt nicht an die Annexion von Hannover.« —

      »Dieß Völkchen spürt den Teufel nie, — bis daß er sie am Kragen hat,« rief Herr von Reischach, — »da ist der General Brandis, ein einfacher alter Soldat mit scharfem, klarem Verstand, er wäre wohl der beste Rathgeber für den König in einer Lage, in der nur feste und schnelle Entschlüsse zu Etwas führen können, — aber er findet keine Unterstützung bei Platen.« — »Wie viel Unglück haben diese wenigen Tage geboren!« rief die Gräfin Frankenstein.

      »Nun,« sagte Herr von Reischach aufstehend, — »Sie müssen sich mit dem Glück trösten, das in Ihrem Hause erblüht, — ich wette, daß die Gedanken der Comtesse Klara,« fügte er lächelnd hinzu, »sich mit recht heitern Bildern beschäftigen.«

      Die junge Gräfin fuhr aus ihren Gedanken auf, ein flüchtiges Erröthen flog über ihr Gesicht und lächelnd sagte sie:

      »Was wissen Sie von den Gedanken junger Damen?«

      »Ich weiß soviel davon,« erwiederte Herr von Reischach, »daß ich meiner kleinen Comtesse jetzt keine Puppe mehr mitbringen dürfte, sie müßte denn eine grüne Uniform mit rothen Aufschlägen tragen —«

      »Ich will weder Puppen noch sonst etwas von Ihnen,« — antwortete mit lächelndem Schmollen die junge Gräfin.

      Herr von Reischach und die Gräfin Clam brachen auf.

      Gräfin Frankenstein und ihre Tochter geleiteten sie bis zur Thüre und waren kaum einige Augenblicke allein gewesen, als ein Diener eintrat und sagte:

      »Es ist ein Herr da, welcher die Frau Gräfin dringend um einen Augenblick Gehör bittet.«

      »Wer ist es?« fragte die Gräfin erstaunt, denn sie hatte wenig Beziehungen außerhalb der abgeschlossenen Welt ihrer Gesellschaft.

      »Hier