Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Balzer, Wechselagent.«

      Ein dunkles Roth flog über das Gesicht der Comtesse Klara, ängstlich blickte sie zu ihrer Mutter herüber und drückte ihr Taschentuch an die Lippen.

      »Ich verstehe nicht,« sagte die Gräfin, »was die so völlig unbekannte Persönlichkeit von mir wollen kann, — indeß — führen Sie ihn herein!«

      Einige Augenblicke darauf trat Herr Balzer in den Salon.

      Er war schwarz gekleidet und sein gemeines Gesicht trug den Ausdruck einer gewissen ernsten Würde, die durchaus nicht recht daraus haften wollte.

      Er näherte sich den Damen mit einer Bewegung, in welcher sich die kecke Sicherheit des Habitués der Kaffeehäuser mit der verlegenen Befangenheit vermischte, welche jeder an schlechte Gesellschaft gewöhnte Mensch beim Eintritt in einen wirklich vornehmen Salon empfindet.

      Die Gräfin Frankenstein sah ihn mit stolzem und kaltem Blick an, während Klara ihr großes Auge nach einem schnellen Blick auf diese gemeine Erscheinung niederschlug und zitternd erwartete, was die Ursache dieses außergewöhnlichen Besuches sein würde.

      »Ich habe eingewilligt, Sie zu empfangen, mein Herr,« sagte die Gräfin mit vornehmer Ruhe, — »und bitte Sie, mir zu sagen, was Sie mir für mich Wichtiges mitzutheilen haben.«

      Herr Balzer verneigte sich mit affektirter Würde und sprach:

      »Es ist eine sehr traurige Angelegenheit, gnädigste Gräfin, welche mich zu Ihnen führt, — eine Angelegenheit, in welcher wir, Sie und ich, — oder eigentlich Ihr Fräulein Tochter ein gleiches — ein gemeinsames Interesse haben.«

      Klara's Augen richteten sich mit dem Ausdruck tiefen Erstaunens und peinlicher Erwartung auf ihn, die klaren, hochmüthigen Blicke der Gräfin fragten deutlicher als Worte: welches Interesse kann ich mit einem Mann wie Sie gemeinsam haben?

      Herr Balzer sah diesen Blick und ein fast unmerkliches höhnisches Lächeln spielte um seine Lippen.

      »Ein allerdings sehr schmerzlicher und trauriger Fall,« sagte er langsam und zögernd, »zwingt mich, Frau Gräfin, Ihnen meine Ehre anzuvertrauen und mit Ihnen zu berathen, was für alle Theile am besten zu thun ist.«

      »Ich bitte Sie, mein Herr,« sagte die Gräfin mit eisigem Ton, »zu dem Inhalt Ihrer Mittheilung zu kommen — meine Zeit ist gemessen.«

      Ohne sich durch diese Mahnung irre machen zu lassen, fuhr Herr Balzer, in scheinbarer Verlegenheit seinen Hut zwischen den Fingern drehend, fort:

      »Ihr Fräulein Tochter ist mit dem Lieutenant von Stielow verlobt?«

      Die Gräfin sah ihn nunmehr wirklich starr vor Erstaunen an. Sie fing an zu fürchten, daß sie es mit einem Wahnsinnigen zu thun habe. Ein leichtes Zittern durchflog die zarte Gestalt der jungen Gräfin, tiefe Blässe überzog ihr Gesicht, sie wagte nicht das Auge zu diesem Menschen zu erheben, von dem eine instinktmäßige Ahnung ihr sagte, daß er ihr Böses bringen müsse.

      Herr Balzer zog jetzt ein Taschentuch hervor und fuhr sich damit über die Augen. Er ging in theatralischer Bewegung einige Schritte gegen die Gräfin vor und rief, indem er die Hand beschwörend gegen sie ausstreckte :

      »Frau Gräfin — Sie werden mich sogleich begreifen — Sie werden verstehen, warum ich mich an Sie wende, — ich vertraue mein Schicksal Ihrer Diskretion an, nur mit Ihnen gemeinsam kann diese traurige Verwicklung gelöst werden —«

      »Ich muß Sie wirklich dringend bitten, mein Herr,« sagte die Gräfin Frankenstein, indem sie einen ängstlichen Blick nach dem Glockenzug warf, von welchem sie durch Herrn Balzer getrennt war — »ich muß wirklich dringend bitten, mit Ihrer Mittheilung zu beginnen —«

      »Herr von Stielow« — sagte Herr Balzer, seine Augen von Neuem mit dem großen gelbseidenen Taschentuch bedeckend.

      Klara faltete die Hände und hing in athemloser Spannung an seinen Lippen.

      »Herr von Stielow,« wiederholte Herr Balzer in einem Tone, als ob er mühsam nach Fassung ränge — »dieser leichtfertige junge Mann, der so glücklich ist im Besitz einer so liebenswürdigen, vortrefflichen Braut,« — er verneigte sich gegen Klara, welche sich mit Widerwillen von ihm abwendete, — »dieser leichtsinnige junge Mann schreckt nicht davor zurück, mich um mein häusliches Glück zu betrügen, meinen Frieden zu zerstören, — er hat ein strafbares Verhältniß mit meiner Frau!«

      Mit einem leichten Schrei sank Klara auf den Fauteuil, vor welchem sie stand, und brach in stilles Weinen aus.

      Die Gräfin Frankenstein blieb hoch aufgerichtet stehen. Ihr Blick ruhte stolz und fest auf diesem ihr so widerwärtigen Unglücksboten, und mit einer Stimme, in welcher kaum eine Bewegung zu hören war, fragte sie:

      »Und woher wissen Sie das, mein Herr? Sind Sie Ihrer Sache gewiß?«

      »Leider nur zu gewiß!« rief Herr Balzer pathetisch, indem er abermals das Taschentuch vor die Augen hielt, welche durch das wiederholte Reiben bereits roth geworden waren.

      »Seit einiger Zeit bereits,« sagte er, »hatten Freunde mich gewarnt, — aber im Vertrauen auf meine Frau, — ich liebe meine Frau, gnädigste Gräfin, — ach, sie war mein ganzes Glück, — wollte ich diesen Warnungen nicht glauben, — und als die Verlobung des Herrn von Stielow mit der liebenswürdigen Comtesse« — er verneigte sich abermals gegen Klara — »in Wien bekannt wurde, da hielt ich mich für ganz sicher, weil ich in meinem einfachen Sinn« — er legte die Hand auf sein Gilet von schwarzem Maß — »eine solche Verworfenheit nicht für möglich hielt.«

      »Nun?« fragte die Gräfin.

      »Bis ich endlich durch einen Zufall — o mein ganzes Herz bebt noch, wenn ich daran denke, — bis ich endlich gestern die schreckliche Wahrheit entdeckte.«

      Die Gräfin machte eine Bewegung der Ungeduld.

      Er warf einen Seitenblick auf die in ihrem Fauteuil bewegungslos, das Gesicht mit dem Tuch bedeckt, dasitzende junge Dame, mit der Bosheit gemeiner Naturen schien er die Qual dieser auf den Höhen der Gesellschaft lebenden Personen, die er instinktmäßig haßte, verlängern zu wollen.

      »Unter den Briefen, die an mich abgegeben wurden,« fuhr er nach einigem Zögern fort, »befand sich auch einer für meine Frau. Ich beachtete die Adresse nicht und in der Ueberzeugung, daß er an mich gerichtet sei, öffnete ich ihn. — Er enthielt die schreckliche, unwiderlegliche Bestätigung meines Unglücks.«

      Comtesse Klara schluchzte leise.

      Die Gräfin fragte kalt und ruhig:

      »Wo ist dieser Brief?«

      Herr Balzer griff mit einem tiefen, stark hörbaren Seufzer in die Brusttasche seines Rockes, zog ein zusammengefaltetes Billet hervor und reichte es der Gräfin.

      Diese nahm es, schlug es auseinander und las langsam den Inhalt. Dann warf sie es auf den Tisch und fragte:

      »Was haben Sie gethan?«

      »Frau Gräfin,« rief Herr Balzer immer in demselben pathetischen Ton, — »ich liebe meine Frau — sie hat sich schwer vergangen, — es ist wahr, — aber ich liebe sie dennoch, — und ich kann die Hoffnung nicht aufgeben, sie zu mir zurückzuführen —«

      Die Gräfin zuckte fast unmerklich die Achseln, mit einem Blick voll Verachtung maß sie die Gestalt des Wechselagenten. —

      »Ich möchte sie nicht von mir stoßen, — ich möchte ihr verzeihen,« fuhr dieser mit weinerlicher Stimme fort, »und deßwegen bin ich hergekommen, um mit Ihnen zu sprechen, Frau Gräfin, mit Ihnen zu überlegen, — Sie zu bitten —«

      »Um was?« fragte die Gräfin.

      »Sehen Sie, — ich habe gedacht,« sagte Herr Balzer, seinen Hut hin und her drehend, — »wenn Sie — es ist ja doch hier in Wien jetzt ein trauriger Aufenthalt, — wenn Sie auf Ihre Güter, — oder in die Schweiz, oder an die italienischen Seen gehen wollten, — recht weit von hier, — und wenn Sie den Lieutenant von Stielow mitnehmen würden,