Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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in Deutschland an und sei bereit, die Bedingungen anzunehmen, welche Eure Majestät für den Frieden stellen würden.«

      Der König schwieg lange.

      »O,« rief er, »wenn ich ihm helfen könnte! Der arme Georg! — Könnte man nicht ein eingeschränktes Hannover ohne militärische Selbstständigkeit bestehen lassen?«

      Graf Bismarck's Augen blickten mit eiserner Ruhe und Festigkeit in das bewegte Antlitz des Königs.

      »Eure Majestät haben es für Preußens Sicherheit und Macht für nothwendig erachtet, Hannover einzuverleiben. Was sollte ein Schein-Königreich — eine einfache fürstliche Domäne den Welfen nützen? — uns aber könnte eine solche Enklave, umgeben von widerspenstiger Bevölkerung, sehr gefährlich werden. Bedenken Eure Majestät, welches Unheil diese hannöverische Diversion hätte herbeiführen können, wenn man Gablenz dort behalten hätte, oder wenn nur der hannöverische Generalstab etwas weniger unglaubliche Märsche gemacht hätte. Eine solche Gefahr muß für die Zukunft auf immer beseitigt werden!«

      »Die Königin Friederike war die Schwester meiner Mutter!« sagte der König mit leicht zitternder Stimme.

      »Ich verehre die Beziehungen fürstlichen Blutes, welche Eure Majestät mit dem Könige Georg verbinden,« sagte Graf Bismarck, — »und ich habe persönlich die achtungsvollste Sympathie mit diesem unglücklichen Fürsten, — aber,« fuhr er mit erhöhter Stimme fort, »Eurer Majestät innigste und nächste Verwandtschaft ist die zum preußischen Volk, zu dem Volk, dessen Blut auf diesen Schlachtfeldern geflossen, zu dem Volk Friedrichs des Großen, dem Volk von 1813. Diesem Volk müssen Eure Majestät den Preis seines Blutes geben. Verzeihen Eure Majestät, wenn ich mich erkühne, im Namen dieses Volkes zu sprechen, — ich weiß, daß meine Worte nur der Ausdruck dessen sind, was Eurer Majestät königliches Herz selbst tief und klar empfindet. — Wenn Eure Majestät den Brief des Königs annehmen,« fuhr er fort, »so binden Sie sich die Hände — so beginnen Sie Verhandlungen, die — nicht begonnen werden dürfen!«

      Der König athmete tief auf.

      »Gott ist mein Zeuge,« sagte er, »daß ich Alles versucht habe, um den Bruch mit Hannover zu vermeiden und den König vor dem schweren Verhängniß zu behüten, das nun über ihn hereinbrechen muß. — Glauben Sie mir,« fuhr er fort, — »mein Herz bringt Preußen, seiner Größe und seinem deutschen Beruf ein schweres Opfer, indem ich mit meiner Hand diese Notwendigkeit vollziehe!«

      Und ein feuchter Schimmer überzog das klare Auge des Königs.

      »So lehnen Sie denn die Annahme des Schreibens ab!« sagte er mit bewegter Stimme, traurig den Kopf neigend.

      »Gott segne Eure Majestät!« rief Graf Bismarck mit leuchtendem Blick — »um Preußens und Deutschlands willen!«

      General von Moltke blickte ernst mit dem Ausdruck inniger Liebe und Bewunderung zu seinem königlichen Kriegsherrn hinüber.

      Schweigend winkte der König mit der Hand und wendete sich zum Fenster.

      Graf Bismarck und der General verließen das Kabinet.

      Zwanzigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Still war es geworden in Langensalza nach den Tagen des Sturmes und der Aufregung. Die hannöverische Armee war aufgelöst und in die Heimat gezogen, die preußischen Truppen waren weiter gerückt nach Süden und Westen den übrigen Feinden entgegen, und die kleine Stadt Langensalza war äußerlich wieder so still und bewegungslos geworden, wie sie es so lange Jahre vorher gewesen war, bis die Fügung des Geschickes sie zum Schauplatz so blutiger Ereignisse machte.

      Lagen aber auch äußerlich die Straßen wieder ruhig und eintönig wie vordem da im heißen Sonnenschein des Hochsommers, so bewegte sich doch im Innern der Häuser ein stilles Leben der unermüdlichen Liebe und Barmherzigkeit, jene Liebe und Barmherzigkeit, welche nach den furchtbaren Wettern der Kriege reicher denn je emporsprießt und ein schönes Zeugniß ablegt für den ewigen und unlösbaren Zusammenhang des Menschenherzens mit dem Gott der unversiegbaren Liebe, der unerschöpflichen Barmherzigkeit.

      Viele der schwerverwundeten Preußen und Hannoveraner hatten nicht fortgeschafft werden können und zahlreiche Lazarethe waren eingerichtet, alle Privathäuser hatten sich geöffnet für die Aufnahme der armen Opfer des Krieges, und aus Preußen und Hannover waren außer den barmherzigen Schwestern und Diakonissinnen die Angehörigen der Verwundeten zahlreich herbeigekommen, um selbstthätig die Pflege ihrer Lieben zu übernehmen. Wenn nach der sinkenden Sonne eine leichte Kühlung die dunkelnde Luft durchzog, dann sah man Frauen und Mädchen in dunkeln, einfachen Toiletten mit ernsten Gesichtern schweigend durch die Straßen eilen zu einem kurzen Gang in's Freie, um in der frischen Luft neue Kraft zu suchen für das anstrengende Werk liebevoller Aufopferung, und mit Theilnahme und stillem Mitgefühl folgten ihnen die Blicke der Einwohner, welche vor den Thüren saßen nach der Arbeit des Tages und sich in flüsterndem Gespräch ihre Bemerkungen mittheilten bald über diese, bald über jene Gruppe der Vorübergehenden.

      Frau von Wendenstein war mit ihrer Tochter und Helene freundlich aufgenommen im Hause des alten Lohmeier, und Margarethe hatte den Damen zwei Zimmer des wohlhabenden Bürgerhauses so freundlich und behaglich eingerichtet, als sie es vermochte, während der Kandidat in einem nahen Gasthause sein Unterkommen gefunden.

      Zitternd vor banger Erwartung war Frau von Wendenstein an das Bett ihres Sohnes getreten, gewaltsam das krampfhafte Schluchzen unterdrückend, das sie zu ersticken drohte, ruhig und starr hatte der Lieutenant dagelegen, ohne ein Zeichen des Lebens außer dem leisen, regelmäßigen Athem.

      Da hatte die Mutter seine Hand ergriffen, sich über ihn gebeugt und sanft einen Kuß auf seine Stirn gehaucht. Und der junge Mann hatte unter dem magnetischen Einfluß dieses Kusses von den mütterlichen Lippen langsam die Augen geöffnet, und mit großem leeren Blick um sich geschaut, — dann aber hatte ein freundlicher Strahl des Erkennens diese starren Augen belebt, ein bleiches Lächeln war über seine Lippen gezogen und in fast unmerkbarem Druck, der Mutter fühlbar, hatten seine Finger gezuckt.

      Da war die alte Dame an der Seite des Bettes auf die Kniee gesunken, hatte das Haupt auf die Hand des Sohnes gelegt und schweigend, in stiller, wortloser Inbrunst hatte sie Gott angerufen um die Erhaltung dieses Lebens, das aus ihrem Blute entstanden war.

      Hinter der alten Dame aber standen die beiden jungen Mädchen. Mit großen, brennenden Blicken hatte Helene das Bild dieses so schwach und gebrochen daliegenden Jünglings verschlungen, der so frisch und blühend von ihr gegangen war. Fräulein von Wendenstein hatte weinend ihre Augen mit dem Tuche bedeckt. Helenens Augen waren trocken und klar, ihre bleichen Züge starr und bewegungslos — mit gefalteten Händen stand sie da, ihre Lippen zitterten leise.

      Des Lieutenants von Wendenstein weitgeöffnetes Auge erblickte die jungen Mädchen, als seine Mutter am Bette zu Boden sank. Ein leichter Glanz der Freude zog über sein Gesicht, es leuchtete auf in seinen Augen wie jubelndes Entzücken, seine Lippen öffneten sich leicht, — aber ein schwerer, röchelnder Athemzug drang aus dem Munde und ein leichter röthlicher Schaum erschien auf den Lippen. Seine Augenlider schlossen sich wieder und todtenblaß und starr lag das Gesicht da auf dem weißen Kissen.

      Dann war der Arzt gekommen und hatte seinen bedingungsweisen Trost gebracht, — und es hatte eine Zeit begonnen der unermüdlichen Pflege, dieser stillen Arbeit, die so schwer ist in ihrer Einfachheit und auf der doch so viel Segen ruht, welche das Herz so mächtig emporzieht von dem Treiben der Erde zum ewigen Quell der Liebe, zu dem ewigen Herrn über Menschenleben und Menschenschicksal. Wie ist es so leicht, im weichen Lehnstuhl zu sitzen, um den Schlaf eines Kranken zu bewachen! wie ist die Mühe so gering, einen kühlenden Umschlag auf eine Wunde zu legen, einen stärkenden Trank, eine beruhigende Arznei den Lippen einzuflößen, — ein Kissen zu lockern und aufzurichten!

      Aber wer wägt die Schwere der Angst und der bangen Spannung, mit der der Blick des liebenden Auges an jedem Zucken der Wimpern, an jedem Beben der Lippen, an jedem Hauch des Athems