Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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alle Hülfe von Gott kommt, — aber hier wäre es wahrlich besser gewesen, den Kranken schlafen zu lassen —«

      »Das geistliche Wort mit seiner wunderbaren Kraft ist überall an seinem Platz,« — erwiederte der Kandidat kalt in überlegenem Ton, indem er die Augen in frommem Aufschlag nach Oben richtete.

      »Mein Gott, mein Gott,« rief Helene im Nebenzimmer mit lauter, halb erschrockener, halb jubelnder Stimme, »er lebt, — er erwacht!«

      Alle eilten in das Krankenzimmer, der Arzt trat an das Kopfende des Bettes, während Helene knieend die Hand des Verwundeten an die Lippen drückte.

      Der Lieutenant von Wendenstein hatte die Augen weit geöffnet, sein verwunderter Blick ging von Einem zum Andern und umfaßte mit dem Ausdruck des Erstaunens alle diese tief bewegten Gesichter.

      »Was ist mir widerfahren?« fragte er mit leiser, aber völlig klarer Stimme, indem noch eine leichte Blutwelle aus seinen Lippen quoll, — »ich habe einen sehr schweren, bösen Traum gehabt, — ich dachte zu sterben!«

      Und er schloß die Augen wieder.

      Der Arzt hob die Kissen empor, welche das Haupt des Kranken stützten, nahm sanft seine Hand aus der Helenens und verfolgte aufmerksam den Pulsschlag.

      »Ein Glas Wein!« rief er.

      Fritz Deyke eilte hinaus und kehrte nach einigen Augenblicken mit einem Glase dunkelrothen alten Weins zurück.

      Der Arzt näherte dasselbe den Lippen des Verwundeten. In durstigem, gierigem Zuge sog dieser die Flüssigkeit bis auf den letzten Tropfen ein.

      In zitternder Spannung warteten Alle, Helenens Gesicht war marmorblaß, ihre Seele lag in ihren Augen.

      Nach kurzer Zeit überzog sich das Gesicht des Kranken mit leichter Röthe, ein tiefer, langer Athemzug hob seine Brust und von Neuem schlug er die Augen auf.

      Sein Blick fiel auf Helme und ein Lächeln flog über sein Gesicht.

      »Athmen Sie tief auf!« sagte der Doktor.

      Der Kranke that einen langen Athemzug.

      »Haben Sie einen Schmerz dabei?«

      Der junge Mann schüttelte langsam den Kopf, immer den Blick auf Helene gerichtet.

      Der Doktor prüfte nochmals den Puls, legte die Hand an die Stirn des Kranken und horchte aufmerksam auf seine Athemzüge.

      Dann trat er zu Frau von Wendenstein und sagte mit freundlichem Lächeln ihr die Hand reichend: »Die Natur hat die gewaltsame Krisis überstanden, — jetzt ist nur noch Ruhe und Stärkung nöthig, — danken Sie Gott — Ihr Sohn ist gerettet!«

      Die alte Dame ging auf das Bett zu, drückte einen innigen, langen Kuß auf die Stirn des Kranken und sah ihm lange in die Augen.

      Dann verließ sie das Zimmer, sank auf den Sopha im Nebengemach und die furchtbare Erregung, die lange, anstrengende Anspannung aller Kräfte ihrer Seele löste sich in einen Strom wohlthätiger Thränen.

      Helene aber blieb am Bett sitzen, immer die Hand des Geliebten in der ihren haltend, immer ihre Blicke in die seinigen versenkend, ruhig, unbeweglich, den Glanz stillen Glückes auf dem bleichen Gesicht.

      Der Kandidat stand noch immer da mit gefalteten Händen; ein unveränderliches mildes Lächeln auf seinen Lippen festhaltend, betrachtete er starren und unverwandten Blickes die Szene am Bett des Verwundeten.

      Der Doktor hatte schweigend und nachdenklich ein Rezept geschrieben. Jetzt trat er mit dem Papierstreifen in der Hand zu den Uebrigen.

      »Hievon muß der Kranke jede Stunde einen starken Löffel voll nehmen,« sagte er. »Hoffentlich wird er die Nacht ruhig schlafen, — morgen oder übermorgen werden wir mit kräftiger Ernährung beginnen und wenn Gott weiter hilft, wird bald Alles glücklich vorüber sein!«

      Er wendete sich zum Kandidaten Behrmann.

      »Verzeihen Sie mir,« sprach er ernst, »meine raschen Worte von vorhin! Sie hatten Recht, von der Wunderkraft des göttlichen Wortes zu sprechen, — denn hier hat Gott ein Wunder gethan, — unter hundert Fällen kaum einmal hätte eine solche Krisis glücklich verlaufen können. — Ich beuge mich vor diesem Wunder und blicke mit Ihnen voll Ehrfurcht und Dank empor zu dem Lichtquell, welcher die Wissenschaft und den Glauben als verschiedene Strahlen desselben ewigen Mittelpunktes zu uns herniedersendet.«

      Er hatte bewegt und warm gesprochen und reichte dem Kandidaten die Hand.

      Es war ein unbeschreiblicher Ausdruck, der in dessen Gesicht sich zeigte.

      Er schlug die Augen nieder, neigte tief den Kopf und schwieg.

      Dann erinnerte er sich, daß noch mehrere Kranke seines Besuches harrten, und empfahl sich mit einigen Worten freundlicher Teilnahme an Frau von Wendenstein. Auch zu Helene trat er heran und reichte ihr die Hand.

      Warum zog sie dieselbe so schnell in schreckhafter Bewegung wieder zurück? Warum strömte eine eisige Kälte von den Fingerspitzen bis zu ihrem Herzen?

      Sah sie den Blick, der unwillkürlich, flüchtig wie ein Wetterleuchten aus seinem Auge den Verwundeten traf, oder war es jener geheimnißvolle Instinkt, der sich zuweilen auch in der menschlichen Natur regt und in unerklärlichen Sympathien und Antipathieen oft richtiger, wahrer spricht, als die längste Erfahrung, die tiefste Menschenkenntniß und die verständigste Ueberlegung?

      Der Arzt und der Kandidat entfernten sich — still blieben die Damen bei dem Verwundeten, der bald in ruhigen Schlaf verfiel.

      Fritz Deyke aber, auf dessen stärker organisirtes Nervensystem die Aufregungen der letzten Stunden weniger nachhaltig wirkten, gab sich ganz der Freude über die neue gewisse Hoffnung hin. Er eilte, nachdem er das Medikament für seinen Lieutenant hatte machen lassen, in den kleinen Garten, wo Margarethe beschäftigt war, die Blumen zu begießen, welche nach der drückenden Hitze des Tages matt ihre Häupter hängen ließen.

      Sie sprachen wenig dabei, — er eilte ab und zu, die Gießkanne mit Wasser füllend, und dann zog er kleine Rinnen in die Erde um die Wurzeln der Gewächse, damit das Wasser besser eindringe, und freute sich, wie Margarethe geschickt und anmuthig die Pflanzen begoß, wie sie leicht und gewandt die gesunkenen Blüten aufrichtete und an die Stöcke band und wie ihr Auge dann zuweilen freundlich auf ihm ruhte, — wie sie leicht erröthete, wenn er es bemerkte.

      Dann setzte er sich mit dem alten Lohmeier und seiner Tochter zu dem einfachen, kräftigen Abendessen und freute sich wieder, wie Margarethe so flink und aufmerksam in der Häuslichkeit waltete und so freundliche, ruhige Behaglichkeit um sich zu verbreiten wußte.

      Und im Stillen dachte er sich, wie schön sie aussehen müßte im alten, reichen Bauernhause zu Blechow und was der alte Deyke für eine Freude haben müßte über eine solche Hausfrau und Schwiegertochter. Was Margarethe dachte, das war ihr Geheimniß; aber unendlich glücklich sah sie aus, wenn sie den Vater und den Gast bediente und alle jene kleinen Pflichten der aufmerksamen Hausfrau erfüllte mit der Sicherheit der erfahrenen Wirthin und mit der frischen Anmuth der blühenden Jugend.

      So herrschte stille Freude und hoffnungsvolles Glück überall in dem stattlichen Bürgerhause zu Langensalza.

      Der Kandidat Behrmann aber besuchte noch viele Kranke und Verwundete, unermüdlich in wohlgesetzter und eindrucksvoller Rede Trost zusprechend und allen Dank mit demüthiger Bescheidenheit ablehnend; in den Lazarethen rathend und ordnend, — und von allen Lippen ertönte das Lob des frommen, beredten und anspruchslos einfachen jungen Geistlichen.

      Einundzwanzigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Gräfin Frankenstein saß in dem Empfangssalon ihres Hauses in der Herrengasse zu Wien; Nichts hatte sich in diesem Salon verändert, die großen erschütternden Ereignisse, welche draußen in mächtigen Stürmen vorübergebraust waren und die tiefsten Wurzeln der