»—So werden wir uns bei ausführlicherer Diskussion gewiß verständigen,« sagte er im ruhigsten und verbindlichsten Ton, indem er sich zu dem Botschafter zurückwendete und den von diesem begonnenen Satz ergänzte.
Sein Gesicht war wieder gleichmäßig freundlich und höflich wie zuvor.
»Diese Diskussion aber,« fuhr er fort, »sollten wir jetzt nicht antizipiren. — Haben Sie,« fragte er, »den Auftrag, jene Wünsche, welche Sie aussprachen, im Namen des Kaisers zu formuliren und eine Antwort darauf zu verlangen, oder dieselben in irgend eine Verbindung zu den Friedensverhandlungen mit Oesterreich zu bringen?«
»Ich hatte die Ehre,« sagte Herr Benedetti — »schon beim Beginne unserer Unterhaltung über diesen Punkt zu bemerken, daß ich meine Ansichten ausspräche, ich habe keinen Auftrag, irgend etwas zu fordern, noch eine bestimmte Antwort zu erbitten, noch weniger diese Konversation mit den österreichischen Friedensverhandlungen in Beziehung zu setzen.«
»So sind Sie mit mir einverstanden,« erwiederte Graf Bismarck, »daß wir diese Unterredung fortsetzen, wenn das zunächst Liegende geschehen und der Friede mit Oesterreich unterzeichnet ist, — Sie begreifen, daß dazu tiefe und ruhige Ueberlegung gehört, um ganz objektiv die beiderseitigen Interessen abzuwägen, — und dann,« fuhr er lächelnd fort, »ist es auch nicht leicht, über Kompensationen zu diskutiren, bevor die Objekte, deren Aequivalent die Kompensationen bilden sollen, in unseren Händen sind. — Ich zweifle übrigens nicht,« fuhr er fort, »daß wir uns verständigen werden, wenn wir dann ernstlich an die Sache gehen und Sie bestimmte Aufträge haben. — Sie wissen, wie sehr ich wünsche, die Beziehungen zu Frankreich nicht nur in der bisherigen Freundlichkeit zu erhalten, sondern so dauernd und sicher zu konsolidiren, daß die Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland zur Basis des europäischen Friedens werde. — So ist denn Alles, was für den Augenblick abzumachen ist, erledigt?« fragte er nach einer kurzen Pause.
»Vollkommen,« erwiederte Herr Benedetti.
»Die österreichischen Bevollmächtigten —?«
»Werden morgen oder übermorgen ankommen, — ich aber will mich nach der anstrengenden Reise etwas ausruhen.« Und er ergriff seinen Hut.
Graf Bismarck reichte ihm die Hand und geleitete ihn nach dem Ausgang des Zimmers.
Kaum hatte die Thüre sich hinter dem Botschafter geschlossen, als der Ausdruck in dem Gesicht des Grafen Bismarck sich vollständig veränderte. Das freundliche und verbindliche Lächeln verschwand von seinen Lippen, flammender Zorn blitzte aus seinen Augen.
»Einen guten Handel wollen sie machen,« rief er, »diese geschickten Spieler — aber sie sollen sich täuschen, — sie verrechnen sich in mir. Deutschland bezahlt die Schritte zu seiner Einigung nicht mit seinem eigenen Fleisch und Blut — wie Italien — wenigstens nicht so lange ich Einfluß auf die Geschicke der Nation habe. — Mögen sie herankommen an den Rhein — wenn es nicht anders möglich ist, — rückwärts werde ich nicht weichen;— die einzige Konzession, die ich machen kann, ist — langsam vorwärts zu gehen; — mir wäre es nicht unlieb, wenn sie den Kampf aufnähmen,« rief er mit funkelnden Augen, »ich bin noch einmal bereit zu sagen: Ich hab's gewagt! — und dießmal würde der König nicht zögern und warten. — Doch,« fuhr er ruhiger fort, — »es ist viel erreicht und tollkühn soll das Gewonnene nicht aufs Spiel gesetzt werden, — sie glauben das Spiel in der Hand zu haben, — nun wohl, ich werde die Karten ein wenig von meiner Seite mischen.«
Er bewegte eine kleine Glocke. Eine Ordonnanz trat herein.
»Suchen Sie Herrn von Keudell und bitten Sie ihn, den Herrn von der Pfordten zu mir zu führen!«
Die Ordonnanz entfernte sich.
Graf Bismarck setzte sich wieder vor die auf dem Tische ausgebreitete Landkarte und betrachtete dieselbe aufmerksam, zuweilen mit dem Finger der rechten Hand über dieselbe hinfahrend, bald die Lippen in leisem Flüstern bewegend, bald das Auge sinnend nach der Decke des Zimmers richtend.
Nach einer Viertelstunde führte Herr von Keudell den bayerischen Minister von der Pfordten in das Kabinet.
Die volle und große Gestalt dieses Staatsmannes war gebeugt und zeigte in ihrer Haltung Spuren großer körperlicher Ermattung. Sein längliches, volles und weiches Gesicht, von dem dunklen glatten Haar umrahmt, war blaß und erschöpft, trübe blickte das Auge durch die Gläser seiner Brille.
Graf Bismarck hatte sich hoch aufgerichtet, — ein Ausdruck eisiger Kälte lag auf seinen Zügen; in straff militärischer Haltung, aber mit strengster formeller Höflichkeit trat er dem bayerischen Minister entgegen und erwiederte dessen Gruß. Dann lud er ihn mit einer eben so kalten und eben so höflichen Bewegung, ein, auf dem Stuhle Platz zu nehmen, den vor Kurzem Herr Benedetti verlassen hatte, und setzte sich ihm gegenüber, seine Anrede erwartend.
»Ich bin gekommen,« sagte Herr von der Pfordten mit leicht bewegter Stimme in seinem südlich anklingenden Dialekt, »um weiteres Blutvergießen und Kriegsunglück zu verhüten. Der Feldzug ist im Wesentlichen entschieden — zu Ihren Gunsten entschieden, und Bayern darf nicht zögern, den Krieg zu beenden — den es,« fügte er leise hinzu — »vielleicht besser gar nicht begonnen hätte.«
Graf Bismarck sah ihn einen Augenblick mit seinem harten, klaren Blick streng an.
»Wissen Sie,« sagte er, »daß ich im vollen Recht wäre, Sie als Kriegsgefangenen zu behandeln?« fragte er.
Herr von der Pfordten fuhr zusammen. Er war einen Augenblick sprachlos und blickte voll tiefen Erstaunens den preußischen Minister an.
»Bayern ist im Kriege mit Preußen, — es finden keine Verhandlungen statt,« sagte Graf Bismarck, — »ein bayerischer Minister kann nur als Gefangener im preußischen Hauptquartier sein — der einzige Weg völkerrechtlichen Verkehrs geht durch die Parlamentärs.«
Herr von der Pfordten neigte traurig das Haupt. »Ich bin in Ihrer Gewalt,« sagte er ruhig, — »und daß ich es bin, beweist, wie sehr ich den Frieden wünsche — was würden Sie gewinnen, wenn Sie mich arretirten?«
Graf Bismarck schwieg.
»Ich bewundere Ihre Kühnheit, hieher zu kommen,« sagte er nach einer Pause, — »sie beweist in der That, daß Sie des Friedens bedürftig sind.«
Herr von der Pfordten schüttelte leicht den Kopf. »Ich fürchte,« sagte er, »daß mein Schritt umsonst sein wird.«
»Ein guter Schritt ist nie umsonst, selbst wenn er spät, — zu spät kommt,« sagte Graf Bismarck mit einer leicht freundlicheren Nüancirung des Tons seiner Stimme, — »welche Stellung hätte Bayern haben können, wenn Sie diesen Schritt vor vier Wochen gethan, wenn Sie vor vier Wochen zu mir nach Berlin gekommen wären!«
»Ich habe an dem von ganz Europa sanktionirten deutschen Bunde festgehalten,« erwiederte Herr von der Pfordten — »und habe geglaubt, meine Pflicht gegen Deutschland und gegen Bayern zu erfüllen; und habe ich mich geirrt — ewig still steht die Vergangenheit, — ich bin gekommen, über die Zukunft zu sprechen.«
»Die Zukunft liegt in unserer Hand,« rief Graf Bismarck — »Oesterreich schließt seinen Frieden und kümmert sich weder um den Bund noch um seine Bundesgenossen!«
»Ich weiß es,« sagte Herr von der Pfordten tonlos.
»Deutschland sieht jetzt,« fuhr Graf Bismarck fort, »wohin es im österreichischen Schlepptau gekommen ist, — besonders für Bayern thut es mir leid, denn Bayern habe ich stets für berufen gehalten, eine besonders wichtige und bedeutungsvolle Stellung in der nationalen Entwicklung Deutschlands einzunehmen und mit Preußen vereint an der Spitze der Nation zu stehen.«
»War es ein falscher Weg,« sagte Herr von der Pfordten, — »den Bayern unter meiner Leitung gegangen ist, — und der Erfolg hat entschieden, daß er falsch war, — so läßt sich jeder Fehler verbessern — wenn auch spät. Meine Thätigkeit ist nach der