Graf Bismarck schwieg einen Augenblick und spielte leicht mit den Fingern auf dem Tisch.
»Ich bin nicht in der Lage,« sagte er dann, »als preußischer Minister mit dem Minister Bayerns zu sprechen, — dazu fehlt die Grundlage, dazu fehlt die Genehmigung des Königs. — Doch soll diese Stunde nicht unfruchtbar sein,« fügte er mit milderem Tone hinzu, »ich will Ihnen beweisen, wie sehr ich persönlich bedaure, daß wir uns nicht haben verständigen, nicht haben zusammengehen können, Ihr Rath, Ihre Erfahrungen hätten Deutschland so nützlich sein können! Sprechen wir,« fuhr er fort, — »Baron von der Pfordten und Graf Bismarck, ein bayerischer und ein preußischer Patriot, über die Lage der Dinge — — vielleicht,« fügte er lächelnd hinzu, »kann der bayerische und der preußische Minister demnächst etwas von uns lernen.«
Das Gesicht des Herrn von der Pfordten hellte sich auf. Mit freudigem Ausdruck sah er durch die Brille zu dem Grafen hinüber.
»Was denken Sie denn,« fragte dieser, »daß mit Bayern geschehen soll, daß Preußen mit Bayern machen könne?«
»Ich setze voraus,« sagte Herr von der Pfordten, »daß Preußen seine unbedingte Hegemonie in Norddeutschland beanspruchen wird —«
»Wer wollte sie bestreiten?« fragte Graf Bismarck.
»Ich möchte dann darauf aufmerksam machen, daß eine Annexion süddeutscher Gebiete, so heterogen in Allem, kaum im preußischen Interesse liegen kann — und daß es mehr in Ihrem Vortheil ist, mit dem selbstständigen und ungeschwächten Bayern in Freundschaft und Verständniß die Zukunft Deutschlands zu gestalten —«
»Um bei jeder Gelegenheit neuen Schwierigkeiten zu begegnen?« fragte Graf Bismarck.
»Nach den Erfahrungen dieser Tage,« begann der bayerische Minister —
»Mein lieber Baron,« unterbrach ihn Graf Bismarck — »ich will ganz offen mit Ihnen sprechen. Die Zukunft gehört nicht mir und nicht Ihnen. Worte und Versprechungen, so ernst Sie dieselben auch meinen mögen, können nicht die Grundlage sein, auf der die zukünftige Ruhe und Stärke Preußens und Deutschlands beruhen. — Wir brauchen Garantieen. Preußen darf den Gefahren, die es jetzt überwunden hat, nicht noch einmal ausgesetzt sein, es darf die Opfer, die es gebracht, nicht noch einmal bringen. — Bayern ist stets — sehr zu seinem eigenen Nachtheil, wie ich jederzeit überzeugt war — uns feindlich gewesen. Wir müssen volle Sicherheit haben, daß dieß künftig nicht geschieht. Dafür gibt es zwei Wege.«
Herr von der Pfordten horchte gespannt auf.
»Entweder,«, fuhr Graf Bismarck fort, »wir nehmen von Ihrem Gebiete so viel fort, daß Bayern völlig ohnmächtig ist, uns jemals zu schaden —«
»Haben Sie an die Schwierigkeiten gedacht, bayerisches Gebiet und bayerische Bevölkerungen zu assimiliren?« fragte Herr von der Pfordten.
»Dieselben würden groß sein,« sagte Graf Bismarck ruhig, — »ich gebe es zu — allein wir würden sie überwinden und für die Sicherheit Preußens kenne ich keine Schwierigkeiten.«
Herr von der Pfordten seufzte.
»Die Verwickelungen, die ein solches Vorgehen hervorrufen könnte!« — sagte er mit halber Stimme, indem er einen forschenden Blick auf das Gesicht des preußischen Ministers warf.
Graf Bismarck sah ihn starr an.
»Woher sollten die kommen?« fragte er, — »von Oesterreich? — Und,« fuhr er fort, indem er sein Auge scharf und stolz über die ganze Gestalt des bayerischen Ministers gleiten ließ, — »da, wo sonst noch an Verwickelungen gedacht werden könnte, — würde man einen Theil an der Beute nicht verschmähen.«
Herr von der Pfordten neigte das Haupt.
»Sprechen wir also nicht davon,« sagte Graf Bismarck, — »wir sind Deutsche — machen wir deutsche Angelegenheiten ohne Seitenblicke ab.«
»Und der andere Weg?« fragte Herr von der Pfordten zögernd.
»Das innere Leben Bayerns,« sagte Graf Bismarck, nachdenklich vor sich hinblickend, »ist uns fremdartig und wir können darin nicht eingreifen wollen. Was Deutschland bedarf zu seiner Macht und Stärke, was Preußen bedarf zu seiner Sicherheit — das ist das einige Zusammenfassen der nationalen Wehrkraft in der Hand des mächtigsten Kriegsherrn der deutschen Nation, — ihres natürlichen Feldherrn. — Sollte Bayern dieser nationalen Notwendigkeit sich fügen, — sie durch einen festen Vertrag anerkennen, — mit einem Wort dem König von Preußen im Fall des nationalen Krieges die Feldherrnschaft seiner Militärmacht übertragen, so wäre die nöthige Garantie für Deutschlands Wehrhaftigkeit und Macht, — für Preußens Sicherheit vorhanden.«
Das Gesicht des bayerischen Ministers klarte sich mehr und mehr auf.
»Die Feldherrnschaft im nationalen Kriege?« fragte er.
»Natürlich mit den nöthigen Vereinbarungen, um eine gemeinsame Führung, eine Einfügung des bayerischen Korps in den Organismus der preußischen Armee möglich zu machen,« sagte Graf Bismarck.
»Ohne Eingriff in die Kriegsherrlichkeit des Königs?« fragte Herr von der Pfordten.
»Eine weitere Beschränkung derselben würde ich nicht für nöthig halten,« erwiederte der Graf.
Herr von der Pfordten athmete tief auf.
»Dieß also würden Ihre Friedensbedingungen sein?« fragte er.
»Nicht die Friedensbedingungen, sondern die Vorbedingungen für den Frieden,« erwiederte Graf Bismarck.
»Wie soll ich das verstehen?« fragte Her von der Pfordten.
»Sehr einfach,« sagte der Graf, — »wenn ein solcher Vertrag, wie ich ihn eben skizzirt habe, und den ich in seinen Detailbestimmungen sogleich von militärischer Fachseite entwerfen lassen will, geschlossen wird, ein Vertrag, der übrigens vorläufig geheim bleiben kann, — ja,« fügte er wie nachdenkend hinzu, »wohl besser geheim bleibt, um Ihnen keine Verlegenheiten bei Ihren antipreußischen Parteien im Innern zu schaffen, — wenn ein solcher Vertrag, sage ich, angenommen wird, dann wird sich der Frieden sehr leicht schließen lassen. Preußen hat durch diesen Vertrag dann die Garantie, daß Bayern wirklich und aufrichtig mit uns an dem Werk der nationalen Einigung arbeiten will und allen Fehlern seiner früheren Politik entsagt, mit dieser Garantie werden wir die Friedensbedingungen sehr leicht stellen können, — ja es liegt in unserem Interesse, Bayern dann so kräftig und selbstständig als möglich in Deutschland zu erhalten. Es würde sich dann nur um die Kriegskosten handeln, die wir voll erstattet haben müssen, und vielleicht um einige ganz unbedeutende Gebietsabtretungen zur Abrundung unserer Grenzen.«
»Herr Graf,« sagte Herr von der Pfordten bewegt, — »ich danke Ihnen, — Sie zeigen mir einen Weg, auf dem Bayern mit Ehren und zum Wohle des deutschen Vaterlandes aus der traurigen Lage herauskommen kann, in der es sich befindet — ich danke Ihnen im Namen meines Königs!«
»Ich habe für Ihren jugendlichen König die tiefste Theilnahme,« sagte Graf Bismarck, »und ich hoffe, daß Bayern im Bunde mit Preußen noch zu der Stellung in Deutschland gelangen wird, welche es so lange — nicht hat einnehmen wollen,« sagte Graf Bismarck mit milder Stimme. — »Doch nun, mein lieber Baron,« fuhr er fort, indem er sich erhob, — »vergessen wir nicht, daß hier eine Unterredung zwischen zwei Privatpersonen stattgefunden hat. Eilen Sie zu Ihrem Könige zurück und bringen Sie so bald als möglich die Zustimmung zu dem Vertrage hieher, — sobald derselbe unterzeichnet ist, sollen die Feindseligkeiten eingestellt werden, und ich verspreche Ihnen, daß der Friedensschluß schnell und ohne Schwierigkeiten erfolgen wird. — Und,« sagte er mit verbindlichem Ton — »seien Sie überzeugt, daß ich Ihren Rücktritt von den Geschäften nicht wünsche.«
»Ich weiß,« sagte Herr von der Pfordten, »was mir zu thun übrig bleibt, — eine neue Hand muß Bayern in die neuen Bahnen leiten, — meine Wünsche aber werden stets dem neuen Deutschland