Graf Bismarck hörte ruhig zu. Ein feines kaum merkbares Lächeln spielte um seine Lippen.
»Und Ungarn?« fragte er leichthin.
»Man hat mit dem Grafen Andrassy und der Deakpartei unterhandelt, und wenn man die autonome Landesverfassung gewährt und die Bewaffnung der Honveds zugesteht, — so ist eine mächtige Erhebung der Ungarn zu erwarten.«
»Wenn man das zugesteht,« sagte Gras Bismarck, »die Ungarn, sind oft getäuscht — übrigens,« fuhr er fort, »stehen unsere Truppen nach dem Gefecht von Blumenau vor Preßburg, das sie nur in Folge der dazwischengetretenen Waffenruhe nicht besetzt haben, — der Schlüssel Ungarns gehört uns.«
»Man hat in Wien die Ueberzeugung,« fuhr Benedetti fort, »daß auch die preußische Armee durch den gewaltigen Zusammenstoß schwer erschüttert ist und von Krankheiten leidet —«
»Sie leidet am meisten vom Stillliegen,« rief Graf Bismarck lebhaft.
»Aus allen diesen Gründen,« sagte der Botschafter ruhig, »war es nicht leicht, die Zustimmung zu dem Friedensprogramm meines Souveräns zu erlangen. Der Kaiser Franz Joseph war sehr schwer zu bestimmen, die Ausschließung Oesterreichs aus Deutschland zu acceptiren. Er hat indeß den dringenden Vorstellungen nachgegeben, welche ich im Namen des Kaisers und welche der Kaiser selbst ihm gemacht hat, und um Oesterreich nicht länger den Wechselfällen und Bedrückungen des Krieges auszusetzen, um nicht länger den europäischen Frieden zu gefährden, hat der Kaiser in die Annahme des Programms gewilligt.«
Graf Bismarck biß sich in den Schnurrbart.
»Und dieß Programm heißt nun definitiv? — mit der Zustimmung Oesterreichs?« fragte er. — Er lud den Botschafter mit einer Handbewegung ein, sich zu setzen, und nahm dann ebenfalls ihm gegenüber Platz.
»Es ist nichts daran geändert worden,« erwiederte Herr Benedetti: »Erhaltung der Integrität Oesterreichs — aber Ausscheiden desselben aus dem neu zu gestaltenden Deutschland; Bildung einer norddeutschen Union unter Preußens militärischer Führung; Berechtigung der süddeutschen Staaten zu einer völkerrechtlich unabhängigen Union, — aber Erhaltung des durch freies, gemeinsames Einverständniß der deutschen Staaten zu regelnden nationalen Bandes zwischen Nord- und Süddeutschland.«
Graf Bismarck hatte jeden Satz dieses Programms, welches der Botschafter langsam und deutlich aussprach, mit kurzem Kopfnicken begleitet, indem er leicht die Fingerspitzen beider Hände aneinander schlug.
»Das ist die Regelung der Stellung Oesterreichs und der unsrigen zu Deutschland,« sagte er, — »wie wir sie bereits genehmigt haben. — Als Grundlage der Verhandlungen — nachdem Oesterreich zugestimmt, ist sie genügend — als Basis für den definitiven Frieden indeß wird eine weitere Verständigung nöthig sein. Der Frieden mit Oesterreich berührt nicht und darf nicht berühren unsere Dispositionen in Betreff der übrigen Staaten Deutschlands, mit denen wir im Kriege sind.«
»Oesterreich überläßt jedem dieser Staaten, seinen Frieden zu schließen,« sagte Benedetti.
»Frieden zu schließen!« rief Graf Bismarck — »es wäre in der That sehr leicht für diese Regierungen, jetzt Frieden zu schließen, um bei der ersten Gelegenheit das alte Spiel von Neuem zu beginnen!«
Nach einer kurzen Pause fuhr er in ruhigem Tone fort:
»Schon vor einigen Tagen hat der König dem Kaiser, Ihrem Herrn, telegraphisch mitgetheilt, daß ein bestimmter Machtzuwachs Preußens durch territoriale Vergrößerung nothwendig geworden sei. Sie haben unter uns gelebt,« fuhr er fort, — »und wissen genau, was Preußen in diesem Kriege eingesetzt hat, Sie kennen die Opfer, welche wir gebracht haben, und die Wunden, welche der Krieg dem Lande geschlagen. Das preußische Volk erwartet, — verlangt die Früchte dieser Opfer, nachdem der Sieg sich für uns entschieden hat, — es verlangt, und mit vollem Recht, daß das Blut preußischer Soldaten, der Söhne des Volkes nicht umsonst vergossen sei, und daß der Zustand definitiv beseitigt werde, welcher die gegenwärtigen Kämpfe als naturgemäße Folge herbeiführen mußte und herbeigeführt hat. — Die schweren Hemmnisse, welche Preußen seine geographische Lage, seine Einengung in unvernünftige, weder natürlich noch politisch richtig gezogene Grenzen bereitete, muß beseitigt, — für immer beseitigt werden; — soll Preußen die Stellung, welche die Friedensbasis ihm in Deutschland anweist, richtig erfassen und kräftig ausfüllen, so muß es vor Allem in sich selbst stark und richtig abgerundet sein. Die Einverleibung von Hannover, Hessen und Sachsen ist nothwendig, um die beiden Hälften der Monarchie fest und unauflöslich zu verbinden und um uns gegen Oesterreich militärisch zu sichern.«
Kein Zug auf dem platten Gesicht des Botschafters veränderte sich.
»Ich finde es sehr natürlich, daß das preußische Volk die möglichst reichlichen Früchte des Krieges, in welchem es — seine ganze Kraft,« sagte er mit leichter Betonung — »auf das Schlachtfeld sendete, zu pflücken wünscht. Anders sind indeß die Wünsche der Völker und die Rücksichten, welche die Fürsten und Regierungen zu nehmen haben. Sie sind,« fuhr er mit etwas leiserer Stimme fort, — »ebensosehr wie ich überzeugt, daß jede Zeit ihre besonderen politischen Grundsätze und Rücksichten hat. Heute sind diese andere, als z. B. zur Zeit Friedrichs des Großen; damals war es gut, zu behalten, was man genommen hatte. Die Solidarität der Interessen und der Verträge war damals nicht so maßgebend wie heute.«
Eine leichte Falte zeigte sich zwischen den Augenbrauen des Grafen Bismarck.
»Nun,« sagte er mit ruhiger Stimme und leichtem Lächeln, — »ich glaube, Friedrich dem Großen wurde es nicht so ganz leicht, zu behalten, was er genommen hatte, — diese politische Praxis wurde im Anfange dieses Jahrhunderts von Napoleon I. in größerem Maßstabe ausgeübt.«
»Dieß war der Fehler des Gründers unserer kaiserlichen Dynastie,« sagte Benedetti, »welcher zuletzt das ganze Europa in Waffen gegen ihn aufstehen ließ — ich darf dieß wohl aussprechen im Hinblick auf die weise Mäßigung, welche der Kaiser, mein Souverän, stets an der Spitze siegreicher Armeen bewiesen hat, und auf die Sorgfalt, mit welcher er es vermieden hat, in jenen Fehler seines großen Oheims zu verfallen.«
Graf Bismarck blickte einen Augenblick nachdenkend vor sich hin.
»Sie wissen,« sagte er dann mit einer gewissen freien Offenheit, »wie sehr hohen Werth ich stets auf ein gutes Verhältniß mit Frankreich gelegt habe, — der Kaiser weiß es auch, — und besonders in diesem Augenblick möchte ich um keinen Preis auch nur den Schein erregen, als wollte ich die Wünsche und Interessen Frankreichs vernachlässigen, seinen guten Rath überhören. — Das gute Einvernehmen Preußens, — Deutschlands, — mit Frankreich, die Ausgleichung der beiderseitigen politischen Bedürfnisse und Nothwendigkeiten, die friedliche und freundliche internationale Verkehrsverbindung zwischen beiden Ländern ist nach meiner Ansicht die erste Bedingung für das Gleichgewicht und die Ruhe Europas. — Lassen Sie uns also mit Offenheit und Ruhe die Lage diskutiren. — Ich kann Ihnen,«, sagte er, seinen vollen durchdringenden Blick auf den Botschafter heftend, »nur wiederholen, daß die Machtvergrößerung Preußens durch die erwähnten Gebiete der feindlichen Staaten mir als eine unbedingte Nothwendigkeit erscheint. — Glauben Sie,« fuhr er fort, »daß der Kaiser es für das Interesse Frankreichs für geboten erachten könnte, dieser Machtvergrößerung ernstlich zu widersprechen?«
Herr Benedetti zögerte dieser direkten Frage gegenüber einen Augenblick mit der Antwort.
»Der Kaiser hat bereits früher anerkannt,« sagte er dann, »daß die Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Hälften der preußischen Monarchie eine Nothwendigkeit für Sie sei, er wird diese Nothwendigkeit nach meiner Ueberzeugung jetzt weniger als jemals verkennen. Ob dazu die vollständige Annexion deutscher Staaten, — welche doch auch unter der Garantie