Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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»auf größeren Gebieten seine Kraft versucht, welcher in den zu kleinen Verhältnissen der Erfolg versagt blieb.«

      Er erhob sich.

      Herr von Beust stand auf und ergriff seinen Hut.

      »Ich hoffe,« sagte der Kaiser, »daß Ihre Ansichten über die Regeneration Oesterreichs sich einst zum Leben gestalten werden, — jedenfalls bitte ich Sie, sich stets zu erinnern, daß Sie hier einen Freund haben und daß Frankreich mit Oesterreich gemeinsam das Interesse hat, der deutschen Nation die freie Entwicklung zu wirklich nationalem Leben zu garantiren. — Bringen Sie Ihrem König meinen Gruß und bitten Sie ihn, meinem Wort zu vertrauen.«

      In lebhafter Bewegung ergriff Herr von Beust die dargebotene Hand des Kaisers.

      »Dank, Sire, innigen Dank!« rief er, »und wohin die Zukunft mich führen möge, — ich werde dieser Stunde nie vergessen.«

      Und mit tiefer Verneigung verließ er das Kabinet.

      Der Kaiser rief Pietri.

      »Ist Klindworth da?« fragte er.

      »Zu Befehl, Sire!«

      »Ich bitte ihn, zu kommen.«

      Der Staatsrath erschien.

      Lächelnd ging ihm der Kaiser entgegen.

      »Sie haben Recht,« sagte er, »der Arzt ist gefunden, um die kranke Austria zu heilen.«

      Der Staatsrath verneigte sich.

      »Ich wußte es,« sagte er, »daß Eure Majestät mir Recht geben werden.«

      »Versuchen Sie also, ihm die Behandlung des Kranken anzuvertrauen, — meiner ganzen Unterstützung können Sie sicher sein.«

      Er sann nach.

      »Und sagen Sie dem Kaiser,« sagte er dann, »daß ich thun würde, was in meinen Kräften stünde, um so energisch, als es die Verhältnisse irgend gestatteten, zu seinem Beistande einzuschreiten, — — die wesentlichste Hülfe müßte aber Oesterreich aus sich selbst und der Regeneration seiner Kraft gewinnen.«

      »Ich verstehe vollkommen, Sire,« sagte Klindworth.

      »Halten Sie mich au fait — über — Herrn von Beust!«

      Klindworth verneigte sich.

      »So darf ich zurückkehren?« fragte er.

      »Sie müssen sich an's Werk machen,« sagte der Kaiser, »denn Ihre Aufgabe ist nicht leicht. — Auf Wiedersehen!« Und er grüßte freundlich mit der Hand.

      Der Staatsrath verschwand unter der Portière.

      »So mischen sich die Karten mehr und mehr,« sagte der Kaiser, indem er sich bequem in seinen Lehnstuhl sinken ließ, — »und es kommt nur darauf an, sie mit fester Hand zu halten und mit klarem Blick das Spiel zu lenken. — Es wird gehen,« — fuhr er fort, den Kopf in die Hand stützend, — »und es öffnet sich da zugleich eine weite Perspektive für die Zukunft. — Wenn Oesterreich wirklich sich zu neuem Leben erheben kann, — Italien eingefaßt von beiden Seiten, — die Allianz ist gegeben, — Ungarn, Polen halten Rußland im Schach—«

      Sein Auge leuchtete.

      »Nun,« sagte er leise lächelnd — »warten wir ab, im Warten liegt ja meine Stärke. Doch immerhin kann eine kleine vorbereitende Hülfe nützlich sein — vor Allem darf ich Sachsen nicht vergessen.«

      Er stand auf und rief Pietri.

      »Fahren Sie zu Drouyn de Lhuys,« sagte er, »und bitten Sie ihn, der Instruktion für Benedetti die sehr bestimmte Weisung hinzuzufügen, der Annexion Sachsens auf das Ernstlichste zu widersprechen — auf das Ernstlichste,« — wiederholte er mit Nachdruck.

      »Zu Befehl, Sire!«

      »Und,« fragte der Kaiser — »wissen Sie, wo der General Türr in diesem Augenblick ist?«

      »Bei der Armee in Italien,« antwortete Pietri — »doch kann ich es sogleich genau erfahren.«

      »Schreiben Sie ihm,« sagte der Kaiser, — »nein,« unterbrach er sich, »senden Sie ihm eine vertraute Person — ich lasse ihn bitten, so bald als möglich hieher zu kommen.«

      Pietri verneigte sich.

      »Durch ihn,« sagte der Kaiser halb zu sich selber sprechend, »halte ich die Hand ein wenig in Turin — und in Pest, — das könnte von Wichtigkeit werden.«

      »Sonst haben Eure Majestät keine Befehle?« fragte Pietri.

      »Nein, ich danke Ihnen,« sagte der Kaiser und der geheime Sekretär entfernte sich.

      Napoleon lehnte sich behaglich in seinen Lehnstuhl zurück, drehte sorgfältig eine neue Cigarrette und rauchte in großen Zügen, in tiefes Nachsinnen verloren.

      Neunzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      In dem alten Schlosse der Fürsten von Dietrichstein zu Nikolsburg war das Hauptquartier des Königs von Preußen aufgeschlagen. Ein glänzendes und buntes Bild entfaltete sich in dem kleinen Städtchen Nikolsburg, das in seiner stillen und einfachen Einsamkeit wohl kaum jemals früher dazu bestimmt geschienen hatte, der Mittelpunkt so großer, welthistorischer Ereignisse zu werden. Vor dem Schlosse hielt die unter dem Gewehr stehende Stabswache des Königs, in mannigfaltigen Gruppen bewegten sich die in dem Städtchen einquartierten Truppen durch die Straßen, marschirende Kolonnen schoben sich dazwischen hindurch, Artillerie rasselte über das holperige Pflaster, von draußen her ertönte das vielstimmige Geräusch der Bivouaks und es war rings ein Leben und Bewegen, als wollte das Heer noch ein Heer gebären. Die Einwohner standen scheu an den Thüren der Häuser und an den allgemach wieder geöffneten Fenstern, die Furcht vor all' den Feinden lastete auf ihnen, aber sie begann sich schon mit Vertrauen zu mischen, — waren diese feindlichen Schaaren doch nicht so fürchterlich, als man sie sich vorgestellt, sah man doch hie und da preußische Soldaten in wetterverblaßten Uniformen mit mächtigen, wilden Bärten freundlich den Gruppen der Landbewohner, welche die zerstörende Kriegsnoth aus den verbrannten und verwüsteten Dörfern der Umgegend hieher getrieben hatte, sich nähern und den schüchtern zurückweichenden Kindern Brod oder andere Nahrungsmittel darbieten, oder einem schwachen Alten — einer kranken und matten Frau gutmüthig die Feldflasche zu einem stärkenden Schluck reichen.

      Es entfaltete sich hier das Bild des Krieges in all' seinem Glanz, in all' seiner berauschenden Größe, welche mit der Erinnerung von Tagen lange, stille Jahre des Friedens ausfüllt, — in all' seinem Elend, welches in dem schrecklichen Schlage eines Augenblicks das Glück von Jahren zerstört, in all' seiner mächtigen Erschütterung der Menschennatur, welche unter dem Eindruck des großen, unaufhaltsam daherrollenden Völkergerichts ihre wilden Instinkte entfesselt, aber auch daneben die edelsten und reinsten Blüten der Hingebung und Aufopferung erschließt.

      Hatte schon die vielfach hervortretende gutmüthige Freundlichkeit der feindlichen Soldaten das Vertrauen der Einwohner wieder hervortreten lassen, so wuchs dasselbe mehr und mehr unter dem Eindruck der von Mund zu Mund getragenen Nachrichten über die Friedensverhandlungen. Sah man doch zwischen den Generalen und Adjutanten, welche in wechselnder Eile und Geschäftigkeit im Schlosse aus und ein gingen, auch Diplomaten in einfachen Civilanzügen erscheinen, wußte man doch, daß der französische Botschafter angekommen und nach kurzem Aufenthalt nach Wien gereist war, eine vorläufige kurze Waffenruhe war für fünf Tage geschlossen und der Frieden schwebte in der Luft, von Niemand heißer ersehnt und inbrünstiger erfleht, als von den unglücklichen Bewohnern der Länder, welche das Theater des blutigen Kriegsdramas bildeten.

      Inmitten all' dieses Lärms, all' dieser brausenden Stimmen, all' dieser Signale von Trommeln und Trompeten saß der preußische Ministerpräsident Graf Bismarck in dem geräumigen Zimmer seines Quartiers.

      In der Mitte dieses Zimmers stand ein großer Tisch mit dunkelgrüner