Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
Скачать книгу
den man in den Tuilerieen machen könnte?« fragte er.

      »Wenn Eure Majestät von den Tuilerieen sprechen,« sagte Klindworth, »so muß ich schweigen, sagen Sie aber am Quai d'Orsay, — so sage ich nicht nein, — dort könnte man ein wenig guten Rath immer brauchen!«

      Der Kaiser lachte noch mehr. »Nun,« fragte er, »welchen Rath würden Sie denn am Quai d'Orsay geben, vielleicht kann ich ihn unterstützen?«

      Ein scharfer Blick schoß aus dem Auge des Staatsraths herüber. Er trommelte leicht mit den Fingern der rechten Hand auf der äußern Fläche der linken und sprach:

      »Ich würde Eurer Majestät Ministern und Diplomaten das alte Wort zurufen: Videant Consules ne quid detrimenti capiat res publica!«

      Der Kaiser wurde plötzlich ernst, sein Auge trat scharf und glänzend aus der verschleierten Hülle der Lider hervor und richtete sich mit brennendem Ausdruck auf den Staatsrath, der ohne eine Muskel zu bewegen da vor ihm saß.

      Dann lehnte er sich in seinen Fauteuil zurück, blies langsam eine dichte Rauchwolke von sich und fragte in ruhigem Ton:

      »Glauben Sie denn, daß die Sachen so schlimm stehen? — Nachdem sich der Kaiser zur Abtretung von Venetien entschlossen hat, werden alle seine Streitkräfte frei und das Kriegsglück kann sich wenden.«

      »Ich glaube nicht, daß es sich wendet, Sire,« sagte Klindworth ruhig, — »und Eure Majestät müssen meiner Ueberzeugung nach Sorge tragen, daß diese Niederlage später wieder ausgeglichen werde.«

      »Diese Niederlage?« fragte Napoleon, sich stolz aufrichtend, indem er den Schnurrbart durch die Finger gleiten ließ.

      »Sire, bei Königgrätz ist Frankreich eben so sehr geschlagen als Oesterreich,« sagte der Staatsrath.

      Der Kaiser schwieg.

      »Glauben Eure Majestät,« fuhr der Staatsrath fort, »daß es dem Prestige Frankreichs, — des kaiserlichen Frankreichs nützlich sein kann, wenn ohne sein Zuthun mitten in Europa alle Verhältnisse auf den Kopf gestellt werden, wenn sich da eine große, preußischdeutsche Militärmonarchie erhebt ohne Frankreichs Einschreiten? — Die Kabinette Europas werden dadurch lernen, ihre Angelegenheiten ohne Frankreich zu besorgen, und Eure Majestät werden besser als ich ermessen, welchen Eindruck das auf die französische Nation machen wird.«

      Der Kaiser sann nach. Dann fragte er ernst und ruhig:

      »Was denkt der Kaiser Franz Joseph zu thun und was erwartet er von mir?«

      Der Staatsrath zeigte nicht die mindeste Verwunderung über diese plötzliche direkte Frage, welche der ganzen Unterhaltung einen so vollständig andern Ton gab.

      »Der Kaiser,« sagte er, »ist entschlossen, den Kampf auf das Aeußerste fortzusetzen. Er hofft durch das Heraufziehen der Südarmee die nöthigen Kräfte zu gewinnen, um die Aktion wieder aufzunehmen, — er hofft auf Ungarn —«

      Napoleon schüttelte leicht den Kopf.

      »Er hofft,« fuhr Klindworth fort, »daß die Verhandlungen über den Waffenstillstand ihm die nöthige Zeit zur Erholung gewähren werden und daß dann die Höhe der preußischen Forderungen den Frieden unmöglich machen werde, — er erwartet, daß dann Eure Majestät an den Rhein rücken, Oesterreich degagiren und Preußen von der durch den Sieg bei Königgrätz plötzlich erklommenen Höhe herabstürzen werden.«

      Der Kaiser schwieg einen Augenblick.

      »Sollten,« fragte er dann, ohne aufzublicken, »in dieser Reihe von Erwartungen nicht einige erhebliche Schwierigkeiten liegen?«

      »Wenn Eure Majestät sie sieht,« sagte Klindworth, — »so sind sie gewiß da.«

      »Und sehen Sie sie nicht?« fragte der Kaiser.

      »Sire,« erwiederte Klindworth, »ich habe den Befehl erhalten, Eure Majestät zum schnellen Einschreiten mit gewaffneter Hand zu bewegen, — das ist mein Auftrag, — wenn Eure Majestät mir darauf eine Antwort gegeben haben, so werde ich, — wenn Sie es befehlen, meine Meinung sagen.«

      »Sie unterscheiden scharf,« sagte der Kaiser lächelnd, — »nun wohl,« fuhr er fort, langsam seine Cigarrette zwischen den Fingern drehend, — »ich will ohne Rückhalt sprechen, — der Kaiser kann überzeugt sein, daß ich ein starkes Oesterreich für die Ruhe und das Gleichgewicht Europas unerläßlich halte und daß ich jede Störung dieser europäischen Stellung Oesterreichs mit der ganzen Macht Frankreichs verhindern werde, — wenn dieß nöthig sein sollte. Ich glaube indeß, daß vorläufig dieser äußerste Moment noch nicht eingetreten ist und daß es vielleicht mehr schädlich als nützlich wäre, wenn meine bewaffnete Einmischung — zu der in diesem Augenblick kein Grund vorhanden ist, die deutsche Frage zu einer europäischen Krisis hinaufschrauben würde.«

      Klindworth hatte aufmerksam zugehört, jedes der langsam gesprochenen Worte des Kaisers mit einem stummen Neigen des Kopfes begleitend.

      »Eure Majestät wollen abwarten,« — sagte er dann, — »und sich möglichst lange die freie Hand erhalten, jedenfalls aber Gebietsabtretungen Oesterreichs selbst verbieten.«

      Der Kaiser nickte leicht mit dem Kopf.

      »Doch bleibt ein Eingreifen in die Verhältnisse durchaus nicht ausgeschlossen,« sagte er, — »man muß vor Allem in Wien jede Anstrengung machen, um die militärische Lage der Dinge zu Gunsten Oesterreichs zu ändern.«

      »Ich verstehe vollkommen, Sire,« sagte der Staatsrath.

      »Doch nun, mein lieber Herr Klindworth,« fuhr der Kaiser fort, indem er den Rest seiner Cigarrette in eine kleine Porzellanvase warf und sich mit großer Aufmerksamkeit und Sorgfalt an die Herstellung einer neuen machte, — »Sie wollten mir Ihre Meinung sagen, nachdem Sie meinen Entschluß gehört haben!«

      Und er neigte den Kopf leicht auf die Seite und. blickte Klindworth erwartungsvoll an.

      »Meine Meinung, Sire,« sagte der Staatsrath, »ist die, daß Eure Majestät vollkommen Recht haben!«

      Ein gewisses Erstaunen zeigte sich im Gesicht des Kaisers.

      »Eure Majestät haben ganz Recht,« wiederholte, der Staatsrath, indem er einen kurzen lauernden Blick hinüberschießen ließ, »denn erstens,« sagte er in fast gleichgültig hingeworfenem Ton, »gibt Ihnen das Abwarten die Chance, Kompensationen für Frankreich zu erlangen.«

      Die Augenlider des Kaisers schlossen sich fast ganz — er hatte seine Cigarrette vollendet, zündete sie an der Kerze an und blies eine dichte Rauchwolke vor sich in die Luft.

      »Dann aber,« fuhr der Staatsrath fort, seine erste Bemerkung fallen lassend und die Stimme etwas erhebend, »haben Eure Majestät doppelt Recht, daß Sie in diesem Augenblick ein brüskes Eingreifen zurückweisen, — Sie würden Frankreich und auch Oesterreich damit wenig nützen.«

      Der Kaiser hörte gespannt zu.

      »Wenn Eure Majestät jetzt mit gewaffneter Hand in die deutschen Angelegenheiten eingreifen,« sagte Klindworth mit den Fingern trommelnd, »so sind zwei Fälle möglich. — Entweder Preußen fügt sich und die Dinge bleiben — abgesehen von der Theilnahme Preußens am Präsidium des Bundes und von einigen Territorialvergrößerungen — im Wesentlichen so wie sie waren, — nur wird Preußen eine ungeheure moralische Waffe in die Hand gegeben. Man wird dem deutschen Volke unausgesetzt erzählen, daß die Einigung Deutschlands durch Frankreich verhindert ist, daß Oesterreich den Nationalfeind zu Hülfe gerufen, und da man ja jetzt in Deutschland schreiben und reden und singen darf, was man will, und die Schriften und Reden und Lieder in Berlin gemacht werden, so wird Oesterreich beim deutschen Volke moralisch vollständig vernichtet werden und bei einer künftigen Gelegenheit, — wenn Frankreich vielleicht in anderer Richtung beschäftigt ist, wird die vollständig reife Frucht den Hohenzollern in die Hände fallen.«

      Der Kaiser drehte leicht den Schnurrbart und nickte mehrmals leicht mit dem Kopf.

      »Oder,« fuhr der Staatsrath fort, — »und dieß ist bei dem Charakter der leitenden Personen